Das neue Fördermodell für Basler Orchester setzt stärker auf inhaltliche Aspekte statt auf die Konservierung gegebener Strukturen. Für die Basler Orchester hat dies zur Folge, dass sie sich einem Wettbewerb um längerfristige Unterstützung stellen müssen – ein Schritt, der von den Betroffenen begrüsst wird.
La Cetra hat ein ausgesprochen betriebsames Wochenende hinter sich: Am Samstag, 18. April, trat das Basler Barockorchester im weltberühmten Concertgebouw in Amsterdam auf, bereits am Abend darauf folgte ein Gastauftritt im Auditorio Nacional de Musica in Madrid, gefolgt von einem weiteren Konzerttermin im Teatro Rosalia de Castro in A Coruña.
Keine Frage: Das 1999 von Absolventen der Schola Cantorum Basiliensis gegründete Orchester gehört mit seinem Chefdirigenten Andrea Marcon zu den international herausragenden Barockensembles und damit auch zu den Aushängeschildern der Musikstadt Basel, wovon auch mehrere Aufnahmen beim renommierten Plattenlabel Deutsche Grammophon zeugen.
Und doch war der Betrieb des Orchesters, das bislang keine regelmässigen Subventionen bezog, kürzlich erst aus finanziellen Gründen gefährdet. Die Basler Regierung sah sich 2014 genötigt, einen einmaligen Überbrückungsbeitrag von 250’000 Franken zu sprechen mit der Aussicht darauf, dass auf 2016 «eine mögliche Unterstützung durch den Kanton Basel-Stadt im Rahmen des künftigen Orchesterkonzepts sorgfältig geprüft» werde.
Wettbewerb um Programmbeiträge
Letzte Woche hat das Präsidialdepartement dieses neue «Fördermodell für die Basler Orchester ab 2016» den Orchestern vorgestellt. Ein Subventionsvertrag für La Cetra enthält es nicht, aber die Option, dass sich der Klangkörper im Wettbewerb mit anderen professionellen Orchestern um eine «Programmförderung» mit einer Laufzeit von drei Jahren bewerben kann.
Mit der Programmförderung schafft der Kanton ein neues Fördergefäss. Einen klassischen Subventionsvertrag mit einer Laufzeit von jeweils vier Jahren soll künftig nur noch das Sinfonieorchester Basel erhalten. Es soll damit quasi als Staatsorchester «seinen Auftrag der Grundversorgung an sinfonischem Repertoire und an Opernproduktionen im Theater Basel» garantieren, wie es in einer Medienmitteilung des Präsidialdepartements heisst.
Das hat zur Folge, dass die drei weiteren Orchester, die bislang längerfristige Subventionen erhielten, sich nun neu dem Wettbewerb um Programmförderungsbeiträge stellen müssen. Namentlich betrifft dies die beiden etablierten Klangkörper Kammerorchester Basel und basel sinfonietta, die ein breites Repertoire bespielen, sowie das auf Neue Musik spezialisierte Ensemble Phoenix. Um Programmförderbeiträge bewerben können sich aber auch andere Orchester, wie La Cetra, die bislang nur Gelder für einzelne Projekte erhielten.
Ausstrahlung Basels als Musikstadt stärken
Mit dem neuen Fördermodell möchte die Regierung die «Ausstrahlung Basels als Musikstadt stärken», heisst es in der Mitteilung: «Notwendig ist heute eine Förderpolitik, die der Entwicklung, Profilschärfung und Steigerung der künstlerischen Qualität der Klangkörper dienlich ist und die gezielte Positionierung des Musikstandorts Basel anstrebt.»
«In der Orchesterförderung sahen wir uns einer historisch gewachsenen Situation gegenüber, bei der seit einigen Jahren nicht mehr wirklich klar war, welche inhaltlichen Kriterien ihr zugrunde liegen», sagt Philippe Bischof, Leiter der Basler Abteilung Kultur. Daraus sei der Schluss gezogen worden, dass sich die Förderpolitik künftig vermehrt auf die Inhalte und weniger auf die Bewahrung gegebener Strukturen abstützen solle.
Orchestersituation durchleuchtet
Es ist nicht der erste Schritt in eine erneuerte Orchesterzukunft. 2012 wurde das Sinfonieorchester Basel vom traditionellen Konzertveranstalter Allgemeine Musikgesellschaft losgelöst – ein Schritt, der sich laut Bischof bewährt hat und auch beim Publikum sowie beim Orchester selber grossen Anklang fand. Auch werden reine Veranstalter, wie die Freunde alter Musik und die Ortsgruppe der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik, seit einigen Jahren nicht mehr mit einer vierjährigen Subvention unterstützt, sondern nur noch jährlich auf Programmebene.
Im Vorfeld der nun neu beschlossenen Massnahmen hat die Regierung die Basler Orchesterlandschaft vom Münchner Managementberatungsunternehmen Metrum durchleuchten lassen. Die Analyse ergab unter anderem, dass es im vollgepfropften Basler Konzertkalender nicht selten zu programmlichen Überschneidungen kommt. Bischof erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass Brahms «Deutsches Requiem» im Frühling 2012 innerhalb von wenigen Wochen gleich dreimal zur Aufführung gekommen war.
Eine weitere Erkenntnis aus der Studie ist, dass die Alte Musik im Basler Konzertprogramm, das etwas gar stark auf das populäre Repertoire der Klassik und Romantik fokussiert ist, zu wenig Gewicht hat, während die Neue Musik eher überrepräsentiert ist. Mit inhaltlich orientierten Förderentscheiden kann der Kanton Programmierungsschwerpunkte besser beeinflussen. Unter anderem in Richtung Alte Musik.
Einsatz einer Fachjury
Die Auswahl der Orchester, die künftig über die Programmförderung unterstützt werden, soll nach festgelegten Richtlinien und Kriterien durch eine Fachjury erfolgen. «In der Fachjury werden regionale, nationale und internationale Experten aus allen Bereichen Einsitz haben», sagt Bischof. Gegenwärtig ist man dabei, die Entscheidungskriterien zu formulieren, welche die Abteilung Kultur den Orchestern im Herbst zur Stellungnahme vorlegen möchte.
An welche Kriterien konkret gedacht wird, will Bischof noch nicht im Detail sagen. «Ein Kriterium wird sein, dass die Orchester ihre Musikerinnen und Musiker korrekt entlöhnen, dafür stellen wir klare Ansätze auf gemäss Schweizerischem Musikerverband», sagt der Abteilungsleiter Kultur. Insgesamt werden die Richtlinien darauf hinauslaufen, dass die inhaltlichen Bereiche, in denen die Musikstadt Basel ihre Stärken ausspielen kann, angemessen berücksichtigt werden. «Unser Ziel ist es, dass sämtliche geförderten Orchester qualitative Arbeit leisten können und eindeutig erkennbare, eigenständige Profile haben.»
Orchester begrüssen das neue Modell
Die Basler Orchester begrüssen das neue Fördermodell im Grundsatz. «Dass wir kompetitiv in den Ring steigen müssen und die Fördermittel nicht mittels Giesskanne verteilt werden, sehen wir als Chance», sagt der Geschäftsleiter des Kammerorchesters Basel, Marcel Falk. Für sein Orchester, das durch den Kanton Basel-Stadt gegenwärtig mit 505’000 Franken pro Jahr subventioniert wird, sieht er mit viel Zuversicht in die Zukunft. «Wir sind hervorragend aufgestellt und Wettbewerbsbedingungen gewohnt», sagt er mit dem Hinweis darauf, dass das Kammerorchester 85 Prozent seines Umsatzes vor allem mit Konzerten ausserhalb Basels selber erwirtschaftet.
Als Chance begreift auch La Cetra das neue Fördermodell. «Dass die Programmförderungsgelder nach qualitativen Kriterien gesprochen werden sollen, ist für ein Weltklasseorchester wie La Cetra grundsätzlich ein Vorteil», sagt Thomas Weibel, der Präsident des Trägervereins des Orchesters.
Etwas zurückhaltender fällt der Kommentar des Sinfonieorchesters Basel aus, das mit rund 14 Millionen Franken gegenwärtig weitaus am meisten Staatsbeiträge erhält. «Dass wir für die Grundversorgung nach wie vor Subventionen erhalten werden, ist zu begrüssen», sagt Geschäftsleiter Franziskus Theurillat, «allerdings werden wir künftig mit einem gekürzten Beitrag auskommen müssen.»
Umverteilung von Geldern
Philippe Bischof bestätigt, dass das neue Fördermodell eine gewisse Umverteilung der Staatsbeiträge zugunsten der Programmförderung vorsieht. Zahlen möchte er, weil die Subventionsverhandlungen nicht abgeschlossen sind, noch keine nennen. «Aber die Beiträge an das Sinfonieorchester werden im spürbaren, letztlich aber zumutbaren Mass gekürzt werden», sagt Bischof.