Der ehemalige Basler Schauspielchef Stefan Bachmann kehrt mit Schillers «Tell» zurück

Stefan Bachmann kehrt mit einer Inszenierung von Schillers «Wilhelm Tell» zurück ans Theater Basel, das er als Schauspielchef zur Jahrtausendwende gehörig durchgerüttelt hat. In der Titelrolle ist mit Bruno Cathomas ein weiterer alter Bekannter mit von der Partie.

Zurück an dem Haus, wo er einst «wild, lustvoll und naiv» den Generationenwechsel am Theater einläutete: Stefan Bachmann, ehemaliger Schauspielchef am Theater Basel.

(Bild: Dominique Spirgi)

Stefan Bachmann kehrt mit einer Inszenierung von Schillers «Wilhelm Tell» zurück ans Theater Basel, das er als Schauspielchef zur Jahrtausendwende gehörig durchgerüttelt hat. In der Titelrolle ist mit Bruno Cathomas ein weiterer alter Bekannter mit von der Partie.

Wenn man Stefan Bachmann gegenübersitzt, dann bekommt man das Gefühl, dass die Zeit stehengeblieben sei. Noch immer blitzt einem das leicht spitzbübische Lächeln des jungen Mannes entgegen, der das Theater in Basel als Schauspielchef zur Jahrtausendwende ganz gehörig durchgerüttelt hat. «Ich bin doch ein paar Jahre älter geworden. Und ruhiger», sagt er.

Aber er denke gerne an sein Basler Engagement zurück, sagt Bachmann weiter. An die Zeit, als er und seine Truppe «wild, kompromisslos, lustvoll und auch etwas naiv» zum Generationenwechsel am Theater angetreten waren. «Basel hatte damals eine Pionierrolle mit frischen jungen Regisseuren wie Stefan Pucher, Michael Thalheimer, Sebastian Nübling oder Barbara Frey, die heute zur ersten Garde der Theaterleute zählen.»

Bachmann selber wurde damals von den einen als poetisch-verspielter Theatererneuerer gefeiert, von anderen als Spass-, Pop- oder Unterhosentheater-Kasper geächtet.

Nun ist er vorübergehend zurück in Basel. Mit anderthalb Beinen zumindest. Das regelmässige Klingeln seines Smartphones erinnert daran, dass er ein paar Hundert Kilometer rheinabwärts gleichzeitig ein Theater leiten muss. Seit 2013 ist er Intendant am Schauspiel Köln. Und als Koproduktion mit diesem Haus inszeniert er nun in Basel Schillers Schweiz- und Revolutionsdrama «Wilhelm Tell».

«Ein schönes Wiedersehen»

«Es ist ein bisschen, wie nach Hause zu kommen», sagt Bachmann, überlegt einen kurzen Moment und korrigiert sich: «Oder besser: ein schönes Wiedersehen.» Denn für die Stadt Basel bleibt ihm nicht sehr viel Zeit – zumal er die probenfreien Stunden am Wochenende in Köln verbringt. Nicht nur wegen seines Amts als Theaterchef, sondern auch, um seine vier Kinder und seine Ehefrau, die Schauspielerin Melanie Kretschmann, zu sehen.

Für Bachmann ist die Rückkehr nach Basel ein Wiedersehen mit einem Haus, in dem sich in der Zwischenzeit vieles verändert hat – «sehr zum Guten», wie er mit einem Verweis auf die Schauspiel-Ära vor Andreas Beck sagt. «Das Theater hinterlässt einen ausgesprochen guten und inspirierenden Eindruck und hat ein wirklich tolles Ensemble: Ich kann meinem Kollegen Beck nur Komplimente machen.»

Bruno Cathomas als Tell

Nun, ganz alles hat sich nicht verändert. Mit Thomas Reisinger ist ein Ensemblemitglied aus Bachmanns Zeit wieder nach Basel zurückgekehrt und prompt auf der Besetzungsliste des «Tells» gelandet. Umgekehrt kann sich auch das Theaterpublikum auf ein vielversprechendes Wiedersehen freuen: mit dem Bündner Schauspieler Bruno Cathomas, der damals mit Bachmann zusammen in Basel tätig war und in Köln wieder mit seinem Weggefährten von einst zusammenkam.

Cathomas, ein währschafter Brocken von Mensch, spielt den Tell – eine Besetzung, die auf den ersten Blick gleich als ideal erscheint. «Ein klotziger Schweizer, der den klotzigen Schweizer Nationalhelden spielt», wie Bachmann sagt.

Was ist nun von diesem aktuellen «Tell» auf der grossen Bühne des Theater Basel zu erwarten? Eine Helden-Dekonstruktion in einer Zeit des grossen Umbruchs, die eine neue Generation von Tyrannen hervorbringt? «Tell» als Spasstheater, wie es im Eidgenossenschaft-Jubeljahr 1991 letztmals in Basel zu sehen war? Damals in einer der ersten Inszenierungen von Frank Castorf im Westen. Ein erfrischender Skandal, von dem aber nicht viel mehr als das Bild des Huts auf der Bier-Stange in Erinnerung geblieben ist.

Kein Berufsjugendlicher

Bachmann hatte die Castorf-Inszenierung nicht gesehen. Er ist auch ein ganz anderer Typ Theatermacher. Und mit dem Begriff Spass- oder Poptheater möchte sich Bachmann nicht mehr in Verbindung bringen lassen. «Ich gehe behutsamer an die Stoffe heran und möchte nicht als Berufsjugendlicher meinen Weg beschreiten», sagt er.

Was meint Bachmann mit behutsamer? «Ich versuche, die Geschichten so zu erzählen, dass sie nachvollziehbar sind», sagt er. «Aber ohne die Stoffe zu banalisieren oder mich anzubiedern.» Mit der oft vorgebrachten Forderung, dass die Kultur möglichst niederschwellig sein sollte, könne er nichts anfangen. «Ich beobachte es bei meinen Kindern: Das sind ausgesprochen analytische Zuschauer, denen man auch komplexere Erzählweisen zutrauen kann.»

«100 Prozent Schiller»

An Schillers «Tell» fasziniert Bachmann der aktuelle Bezug zu einer Zeit, in der sich gesellschaftlich und politisch viel verändert, eine neue Generation von Tyrannen heran- und der Volkszorn anwächst. «‹Wilhelm Tell› ist ein sehr politisches Stück und überdies eine grandios spannende Geschichte», sagt Bachmann.

Der Literaturwissenschaftler Peter von Matt habe den «Tell» einmal als alpinen Western bezeichnet, eine Umschreibung, die ihm gefalle und die er auf der Bühne spürbar machen wolle, sagt Bachmann. Eine Neudichtung des Stoffes, ein Prinzip, das am Theater Basel im Moment Teil des Programms ist, hat er aber nicht vor – auch keine vordergründige Aktualisierung. «Es wird alles hundertprozentig Schiller sein», sagt Bachmann – getragen von der faszinierenden Musikalität der Sprache.

Männertruppe

Nun, ganz zu 100 Prozent reiner Schiller-«Tell» wird es dann doch nicht sein, was das Premierenpublikum am 23. Februar zu sehen bekommen wird. Der Text enthält Striche, die Rollenliste natürlich auch. Denn die gut 50 Personen kann man nur besetzen, wenn ein halbes Dorf sich zur Teilnahme an einem «Tell»-Festspiel bewegen lässt.

Und noch etwas könnte die gute Laune von Schiller-Puristen vielleicht etwas dämpfen: «Auf der Bühne wird eine reine Männertruppe zu erleben sein.» Männer, die auch die nicht ganz unwichtigen Frauenrollen Hedwig und Berta von Bruneck spielen werden. Eine neue Idee ist das nicht, denn schon in Shakespeares persönlicher Schauspieltruppe im frühen 17. Jahrhundert gab es keine Frauen. Allerdings auch keine Schiller-Inszenierungen.
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Friedrich von Schiller: «Wilhelm Tell». Eine Koproduktion mit dem Schauspiel Köln. Premiere am 23. Februar 2017 auf der Grossen Bühne des Theater Basel. Weitere Vorstellungen am 27. Februar und im März.

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