Ich weiss nicht, wie viele Bücher über den FC Basel bereits geschrieben wurden. Ganz schön viele sind es bestimmt, mehr wohl als über die Fasnacht und über die Stadt selber. Dieses Jahr feiert der Club seinen 125. Geburtstag. Natürlich wiederum mit Büchern.
Das eine ist gleich ein zweibändiges Werk: «FC Basel 1893 – Die ersten 125 Jahre», verfasst vom ehemaligen FCB-Presseverantwortlichen Josef Zindel. Es wird als offizielle Jubiläumsschrift im Geburtsmonat November herauskommen.
Und dann wird auch mit einem unabhängigen Buch gefeiert: «Der FC Basel und seine Stadt» versteht sich als «Kulturgeschichte» und verspricht, wie der Titel besagt, über die Grenzen des Stadions und der rotblauen Vereinsfarben hinauszublicken.
Fans und «kritische Beobachter»
Dieses zweite Buch kommt am Freitag, 14. September, heraus und hat vier Autoren. Sie bezeichnen sich zwar selber als Fans, gehören aber nicht zum inneren Kreis des Vereins, was ihnen die Rolle als «kritische Beobachter» einzunehmen ermögliche. Es handelt sich um den Tagi-Redaktor Philipp Loser, den Soziologen Thilo Mangold, den Historiker und SP-Grossrat Claudio Miozzari sowie um den Berufsschullehrer und einstigen Journalisten Michael Rockenbach.
Ein Wort noch zum Autor dieses Artikels: Er verfolgt, was man in dieser Stadt ja zwangsläufig tun muss, die Geschicke des FCB, würde sich aber nicht als Fan bezeichnen. Er weiss also, dass es dem lange unangefochtenen Primus des Schweizer Fussballs im Moment nicht gut geht, dass YB in der Meisterschaft davoneilt, dass nichts ist mit den Millionen aus Champions oder Europa League.
Hier anknüpfend gibt es etwas Erstaunliches über das frische FCB-Werk zu berichten: Bücher sind ja eigentlich ein langsames Medium. Trotzdem hat das noch nicht lange zurückliegende Ereignis der verpassten Champions League bereits Eingang in das Werk gefunden.
Aber das weiss eigentlich jeder in Basel (und in der restlichen Fussball-Schweiz). Das ist es nicht, was wir in dieser Kulturgeschichte lesen möchten. Sondern eben das, was das Spezielle in der Beziehung des FC Basel und seiner Stadt ausmacht. Und hier enttäuscht das Buch. Es bleibt zu grossen Teilen im inneren Zirkel der Fussballwelt haften – auch wenn dieser in Basel wohl grösser sein mag als anderswo.
Bekannte Themen
Beleuchtet werden die schon x-fach ausgeleuchteten Themen Vereinsgeschichte, Aufschwung und Geld, Gigi Oeri und Bernhard Heusler, Erzfeindschaften, Migration sowie Identifikation – garniert mit verschiedenen, zum Teil ganz originellen Bildstrecken aus der FCB-Vergangenheit.
Es gibt sie aber durchaus zu entdecken, die interessanten Betrachtungen und kleinen Geschichten, die man noch nicht oder zumindest nicht so oft hat lesen können. Zum Beispiel die Geschichte von Teammanager Gusti Nussbaumer im Kapitel über den Aufstieg des Clubs zum Finanzkrösus.
Da beschreibt Nussbaumer, wie er am Tag des triumphalen 5:0-Sieges gegen Benfica Lissabon in der Champions League in der Garderobe der Balljungen drei unberührte Schinkensandwiches aus dem Abfalleimer gefischt hat. Eines habe er gegessen und für noch gut befunden, was ihn zum Nachdenken angeregt habe. Im Buch heisst es dazu: «In Nussbaumers Augen sind das alles Zeichen für einen Club, der satt geworden ist, der abhebt und das wirklich Wichtige aus dem Blick verliert.»
Im Kapitel über Politik erfährt man unter anderem, dass 1968 (während der legendären Ära Benthaus) sechs von sieben Regierungsräten Vereinsmitglieder waren. Und dass mit Bruno Michaud sogar ein aktiver Spieler der ersten Mannschaft in den Grossen Rat gewählt wurde. Doch bleibt es hier mehr oder weniger bei der Aufzählung, wie viele Politiker eng mit dem Fussballclub verbunden waren.
Über die politische Karriere Michauds – wie betätigte er sich als Parlamentarier, wurde er ernst genommen, hat er etwas erreicht? – hätte ich gern mehr gelesen. Mehr persönliche Betrachtungen und Geschichten, wie die von Gusti Nussbaumer, die über historische Schnappschüsse hinausgehen.
Immerhin eröffnen diese Blicke auf eigentlich bekannte Phänomene immer wieder interessante Details.
Gewagte Thesen
Schwieriger wird es, wenn die Autoren (die einzelnen Kapitel sind nicht Namen zugeordnet) wirklich über den Tellerrand beziehungsweise über die Spielfeldumrandung hinausblicken. Da lassen sich die Autoren auf einige gewagte Thesen und Behauptungen ein, die weder wirklich vertieft noch belegt werden.
Etwa wenn im Kapitel zur Beziehung zwischen dem FC Basel und der Pharmaindustrie die Dopingfrage angesprochen wird. Unter anderem auch das anabole Steroid Dianabol von Ciba, das bis in die 1970er-Jahre nicht auf der Verbotsliste stand. Da wird vermutet, dass auch die FCB-Spieler Doping einnahmen. Das mag irgendwie so gewesen sein, belegt wird es nicht.
Im Kapitel über das Dreieck Fussball–Fasnacht–Kulturinstitutionen schweift das Buch schliesslich arg zu Gemeinplätzen ab. Es bleibt das Gefühl, diese Verbindung habe einfach noch erwähnt werden müssen. Tiefer gegraben wurde jedenfalls nicht. So heisst es zum Beispiel ziemlich banal: «Aktive Fans und Fasnächtler sind laut, bunt und treten in Gruppen auf.» Als aktiver Fasnächtler hätte ich mir mehr kritische Tiefenschärfe gewünscht.
Das gilt auch für die Brücke zu den Kulturinstitutionen, die auf arg wackligen Pfeilern steht. Gut, dass die Bedeutung des oft beschriebenen «legendären» Handschlags zwischen Fussballtrainer Helmut Benthaus und Theaterdirektor Werner Düggelin etwas relativiert wird. Zur gegenwärtigen Situation geht es über weitere Gemeinplätze. Die vielen Zitate des ehemaligen Basler Kulturchefs und heutigen Direktors von Pro Helvetia, Philippe Bischof, zeigen, dass dieser sich gern zu allem vernehmen lässt, auch wenn er nicht immer wirklich etwas zu sagen hat.
Wenig originelle Ansätze
Gerade hier hätte ich mir originellere Ansätze gewünscht. So etwas wie die Aussage, mit der Benedikt Loderer, Stadtspaziergänger der Architekturzeitschrift «Hochparterre», vor vielen Jahren an einem Podium in Basel überrascht hatte. Sinngemäss sagte er damals über die allzu fokussierte kreative Kraft der Basler Bevölkerung: Man müsste den FC Basel zwangsrelegieren, die Fasnacht für ein paar Jahre aus dem Kalender streichen und dann abwarten, welche neuen kreativen Kanäle sich öffnen würden.
Ein Fazit: Das Buch «Der FC Basel und seine Stadt» ist das Werk von Autoren, die gut und lebendig schreiben können. Sie bleiben aber letztlich mehr Fans, als zu «kritischen Beobachtern» zu werden. Und sie bleiben zu sehr an den bekannten Hauptthemen haften, die den Club ewig umkreisen. Für Sammler von FCB-Werken ist das Buch bestimmt ein Muss. Für alle anderen ist es unter dem Strich nicht viel mehr als ein weiteres Buch über den Fussballclub, über den bereits so viel geschrieben wurde.
Philipp Loser, Thilo Mangold, Claudio Miozzari, Michael Rockenbach: «Der FC Basel und seine Stadt». Christoph Merian Verlag, 252 Seiten, 29 Franken.