Der feine Slam Poet mit Soloabend

Letzten September wurde Christoph Simon Schweizer Meister im Poetry Slam. Jetzt ist er mit seinem ersten Soloprogramm unterwegs. Am Freitag machte er Zwischenhalt in Liestal.

Christoph Simon letzten Sommer in seiner Wohnung in Bern. Fast noch feiner ist er seitdem geworden. Und zugleich auf der Bühne präsenter. (Bild: Simon Krieger)

Letzten September wurde Christoph Simon Schweizer Meister im Poetry Slam. Jetzt ist er mit seinem ersten Soloprogramm unterwegs. Am Freitag machte er Zwischenhalt in Liestal.

Christoph Simon war ein sehr bescheidener Gewinner der letzten Schweizer Meisterschaften im Poetry Slam. Wie immer, wenn er auf der Bühne steht, waren seine Schultern nach unten und vorne gezogen, trug er Jeans und irgendetwas und redete sanft. Eigentlich will er im Internet auch keine Videos von sich haben. Wir sind daher froh, dass er bei dieser Siegerperformance eine Ausnahme machte. 

Ein besonderer Sieger war er auch, weil er bereits in seinen Vierzigern war, als er überhaupt mit der Slam Poetry anfing und weil Christoph Simon eher etwas Nachdenkliches erzählt, wo bei anderen Pointe um Pointe kommt.

Noch bevor er den Titel geholt hat, war er mit seinem ersten Soloprogramm beschäftigt. Sogar einen Kurs hat er dafür gemacht, weil er wissen wollte, wie man auf der Bühne performt. Fünf Minuten im Poetry Slam Wettbewerb ist die eine Sache, 90 Minuten Solo eine andere. Bei einem Treffen in Bern fasste er die Schwierigkeit so zusammen: «Wohin mit den Händen, wenn man auf der Bühne steht?»

Eine neue Erscheinung

Am Freitag war er mit seinem Soloabend «Wahre Freunde» im Dichter- und Stadtmuseum in Liestal, einer festen Station für gute Slampoeten (Daniela Dill gehört zu den Organisatoren), aber auch einem Ort, der vor allem aus Neonröhren an der Decke besteht und der für einen Christoph Simon nur etwa 20 Besucher anlocken kann, wovon die meisten über 40 sind. Ein bisschen schütter für 9 Minuten Anreisezeit von Basel SBB.

Jedenfalls, Christoph Simon weiss, wohin mit den Händen. Er tritt jetzt in einem eleganten Anzug auf, und seine Statur hat sich geöffnet. Das ist ein anderer Simon als noch vor einem Jahr. Laut ist er dabei nicht geworden, eher noch feiner. Denn die Figur, von der «Wahre Freunde» erzählt, zeichnet sich vor allem dadurch aus, was alles nicht klappt. Ein Loser mit einer Biographie von Anti-Liebesgeschichten.

Es ist schön, wie still und unaufgeregt Simons Erzählung dahingeht. Man lacht viel, nicht über Brüller, sondern über gute Formulierungen, wenn er davon erzählt, dass weder die Liebe noch der Tod etwas von ihm wissen wollen, weil weder seine Anmachen funktionieren noch seine Selbstmordversuche.

Flaue Mitte, gue Kurve

Es soll eine Höllenarbeit gewesen sein, den 90-Minüter auswendig zu lernen, hat Christoph Simon während einer Begegnung mit der «Zeit» gesagt. Und es wäre gut gewesen, hätte er es sich einfacher gemacht und den Abend kürzer. In der langen Mitte des Programms plätschert die Erzählung so vor sich hin, nicht richtig lustig und nicht richtig poetisch. Man will eigentlich immer lachen, weil man doch zu Beginn so gern gelacht hat, aber man lacht bemüht. Es tut weh, das zu sagen, weil Simon so ein schrecklich guter Typ ist, dem man noch in den langwierigen Passagen gern zuschaut. Ich will nicht über ihn schreiben, denkt man sich in dem Moment, sondern viel schöner wäre es, einfach mit ihm rumzuhängen, Bier zu trinken und in Ruhe abzuwarten, bis ihm die guten Bemerkungen wieder locker aus der Tasche fallen.

Doch zum Glück kriegt der Abend wieder die Kurve. Inzwischen geht es darum, dass der Ich-Erzähler Geld besorgen muss, weil er sich ein Leben als Schriftelleranfänger finanzieren will. Einer seiner Versuche: Er entführt seine 90-jährige Nachbarin, Frau Schmutz, die aber nichts davon merkt, weil er wie immer Tee für sie macht und ihr ein Stündchen aus der Zeitung vorliest. Mit den 50’000 Franken Lösegeld will es dann nicht recht klappen, doch Christoph Simons Text wird wieder tighter, knackiger, schneller. Er ist wieder drin, und sie ist schön, diese stille und ganz leicht vergeistigte Comedy.

Was ebenfalls schön ist: Christoph Simon hatte immer mal einen Hang zur Moral: Das Leben wäre doch gut, wenn man sich wieder mal auf das und das besinnen würde. Wahr, aber Phrase. In «Wahre Freunde» gibts keine Moral mehr. Wozu auch. Gute Geschichten von einem, der erfolglos durchs Leben krebst, sind ein gediegener Wert. Und es sind auch diese Figuren, die den besten Blick für den goldenen Augenblick haben. Simons Lieblingssatz an diesem Abend: «Wenn das kein schöner Moment war, dann weiss ich nicht, was schön ist.»

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Weitere Auftrittstermine von Christoph Simon auf seiner Website

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