Der kaltblütigste Kopfgeldjäger des Wilden Westens

Vor genau 25 Jahren starb Lee van Cleef, doch seine Paraderolle lebt weiter: der kaltblütigste Kopfgeldjäger des Wilden Westens.

Scene from the 1966 film The Good, the Bad, and the Ugly. - photographed: 1967 (Bild: Corbis)

Vor genau 25 Jahren starb Lee van Cleef, doch seine Paraderolle lebt weiter: der kaltblütigste Kopfgeldjäger des Wilden Westens.

Sein Glück? «Mit Knopfaugen und einem höhnischen Lächeln geboren zu sein, war das Beste, das mir je passieren konnte», sagte Lee van Cleef einst. Der Mann war gross und dünn, hatte eine Hakennase und hohe Wangenknochen im schmalen Gesicht, dünne Lippen und ein immer lichteres Kopfhaar – und dann diese Augen: klein und schwarz wie Perlen, stechend wie Nadeln. Lee van Cleef war zum Bösewicht geboren.

In rund 350 Filmen verkörperte der Amerikaner mit holländischen Wurzeln den Schurken. Das meiste davon war B- bis C-Klasse, und vielfach war van Cleef einer der ersten, der niedergestreckt wurde, bevor er auch nur einen Satz sagen durfte. Sein Debüt war «High Noon», ein Westernklassiker, dessen Regisseur van Cleef eigentlich als Gesetzeshüter verpflichten wollte, falls er sich die Schnabelnase richten lasse. Er lehnte ab – und gehörte fortan zur Gegenseite.

 

Manchmal, wenn Meilensteine des Genres gedreht wurden, war van Cleef ein paar Sekunden mit dabei. So in «The Man who Shot Liberty Valance», wo er von John Wayne niedergeschossen wurde, oder im hochklassigen «Gunfight at the O.K. Corral», wo sein Auftritt darin bestand, für ein Messer aus der Hand von Kirk Douglas seine Brust hinzuhalten. Seine Leinwandkarriere schien sich schon in die Niederungen des Fernsehens verabschiedet zu haben, als er über die europäische Variante dieses uramerikanischen Genres noch den Umweg zum Starruhm fand: den Italo-Western.

Sergio Leone engagierte van Cleef für «For a Few Dollars More», den zweiten Teil seiner Dollar-Trilogie. Dort nahm er bereits die Rolle ein, die fortan an ihm haften sollte: der Kopfgeldjäger. Allerdings einer, der noch nicht ausschliesslich für Geld tötet, sondern um ein Verbrechen an seiner Familie zu rächen.

 

Die Vollendung seines Charakters erfuhr van Cleef im abschliessenden Teil von Leones Trilogie. In «The Good, the Bad and the Ugly» treffen drei Kopfgeldjäger aufeinander, jeder ein Einzelgänger, nun aber aufeinander angewiesen: Es lockt ein Sack voll Gold.

In Leones Wildem Westen ist – im Vergleich zu den US-Produktionen der 50er- und 60er-Jahre – kaum mehr etwas übrig von der heroischen Grösse des Cowboys, der als Zivilisationsbringer die nordamerikanische Wildnis zähmte. Stattdessen verkörpern Typen wie Clint Eastwood, Lee van Cleef oder Charles Bronson in Leones anderem Meisterwerk «Once upon a Time in the West» einsame Wölfe, die es nur auf die Seite des Guten verschlägt, wenn es ihren Interessen dient: der Kopfgeldprämie, der Rache, dem eigenen Überleben.

Während van Cleefs Mitstreiter Clint Eastwood und Eli Wallach in «The Good, the Bad and the Ugly» am Ende triumphieren, weil sie trotz des kaltblütigen Egoismus noch Züge von Menschlichkeit tragen, ist van Cleef am Ende seiner Rolle angekommen: der paradigmatische Kopfgeldjäger, der kühl kalkuliert, täuscht und betrügt – und dafür als erster ins Loch fällt, am Ende des finalen Triells auf dem Soldatenfriedhof. Die Szene ist, begleitet von Ennio Morricones Musik, ein stilbildendes Meisterstück des Suspense, das sich in immer schnelleren Schnitten von Blick zu Blick, von Waffe zu Waffe zum trommelwirbelbesetzten Höhepunkt steigert. Bis die Schüsse fallen.

 

Zur Person: Lee van Cleef

Der Italo-Western war der Höhepunkt von van Cleefs Filmkarriere, und als dessen Glanz verblasste, ging es auch mit seiner Filmkarriere zu Ende. Zurück in den USA, konnte er nicht mehr an die Erfolge unter der Ägide von Sergio Leone oder Gianfranco Parolini anknüpfen. Er starb vor 25 Jahren, am 16. Dezember 1989, an Herzversagen. Doch als kaltblütiger Schurke mit Raubvogelvisage war van Cleef derart stilprägend, dass er über seine Filme hinaus zu ihrem Gesicht wurde: Im Band «Der Kopfgeldjäger» der Comic-Reihe Lucky Luke wurde die Titelfigur nach van Cleefs Erscheinung gezeichnet.




Und in der Animationsserie «Star Wars: The Clone Wars», die George Lucas als Ergänzung zu seinem gleichnamigen Kino-Epos produzierte, kehrte er in der Gestalt von Cad Bane wieder, werkgetreu mit breitkrempigem Hut und Colt im Hüfthalter. Als berüchtigtster Kopfgeldjäger nicht nur des Wilden Westens, sondern nun des gesamten Universums.

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