Der Kampf der Porzellan-Figürchen

Das Historische Museum Basel ist dabei, sich neu zu positionieren. Das hat zur Folge, dass die bedeutende Porzellansammlung der Pauls-Eisenbeiss-Stiftung von der Stifterin abgezogen wird – was Diskussionen auslöst.

Die neckische Prozellanfigurengruppe mit «dem ungenierten Chinesenknaben» aus der Porzellanmanufaktur Höchst wandert von Basel weg nach Thüringen.

(Bild: Historisches Museum Basel)

Das Historische Museum Basel ist dabei, sich neu zu positionieren. Das hat zur Folge, dass die bedeutende Porzellansammlung der Pauls-Eisenbeiss-Stiftung von der Stifterin abgezogen wird – was Diskussionen auslöst.

Die Geschichte erregt hinter den Kulissen schon seit längerer Zeit die Gemüter. Marie-Paule Jungblut möchte das Haus zum Kirschgarten, das sie zum Museum für Wohnkultur umbenannt hat, aus seinem gediegenen Dornröschenschlaf erwecken. Hierfür möchte die neue Direktorin des Historischen Museums Basel unter anderem den einzigen, nicht mit historischem Mobiliar versehenen Raum im Erdgeschoss neu als Platz für Sonderausstellungen und Veranstaltungen nutzen.

Das Problem: Der Raum stand nicht leer.  Seit 1977 bevölkern Hunderte von Figürchen und sonstige Preziosen aus Porzellan mehrere Vitrinen. Es handelt sich um die Porzellansammlung der Pauls-Eisenbeiss-Stiftung, die dem Museum als Depositum übergeben wurde. Wertvolle Stücke aus den bekannten Manufakturen Meissen, Höchst, Frankental und Ludwigsburg, die in Basel eigentlich recht wenig Beachtung fanden, in internationalen Sammler- und Fachkreisen aber hoch geschätzt waren.

Ein attraktiveres Angebot aus Deutschland

Waren, denn wie die «Basler Zeitung» berichtet, zieht die Stiftung ihre Sammlung aus Basel ab. «Man hat meine Sammlung auf die Strasse gesetzt», lässt sich die Stifterin und Tochter des Sammlerpaars, Rosemarie von Lentzke-Pauls, mit harschen Worten zitieren. Die Figurengrüppchen und das wertvolle Geschirr wandern nun ab 5. Oktober ins Herzogliche Museum im thüringischen Gotha.

Auf Museumsseite klingt es etwas anders: «Wir haben mit der Stiftung Vorschläge für alternative Ausstellungsräumlichkeiten diskutiert, in denen die Sammlung in kleinerem Umfang weiter hätten präsentiert werden können», sagt Museums-Vizedirektorin Gudrun Piller anstelle der krankgeschriebenen Direktorin. Es seien bis vor Kurzem noch Vorschläge im Raum gestanden. «Das Angebot aus Deutschland war dann aber offenbar attraktiver als das, was man in Basel anbieten konnte.»

Das Museum bedauert den Abzug der «hochqualitativen Sammlung», sagt Piller: «Wir sind der Stiftung aber dankbar, dass wir die bedeutenden Objekte fast 40 Jahre lang in unserem Museum zeigen konnten.» Und man sei froh, dass für die Sammlung nun ein guter neuer Standort gefunden werden konnte.

Die Nachricht, dass die Sammlung Pauls-Eisenbeiss abgezogen wird, kommt zu einem Zeitpunkt, in dem sich das Museum und insbesondere die neue Direktorin Marie-Paule Jungblut wachsender Kritik ausgesetzt sieht. Zum einen steht der Vorwurf des ruppigen Führungsstils der Direktorin im Raum. Zum anderen wächst der Unmut über das Ausstellungsprogramm.

Letzteres sorgt insbesondere in den Reihen des «Vereins für das Historische Museum» für Unruhe. Vereinsmitglieder, darunter altgediente Gönner und Donatoren, kritisieren, dass in den Sonderausstellungen des Museums vornehmlich politische und gesellschaftliche Zeitgeistthemen behandelt würden und historische Projekte kaum mehr vorkämen. Moniert wird weiter, dass es sich fast ausschliesslich um eingekaufte Ausstellungen handle. Im Juni berichtete die «Basellandschaftliche Zeitung» von einem ungenannten Sammler, der aus explizit diesen Gründen darauf verzichtet habe, ein Teil seiner Samlung von «Schatzkunst» dem Museum zu übergeben – ob als Schenkung oder Donation, geht aus dem Bericht allerdings nicht hervor.

Sich als «dynamischen Ort» präsentieren

Philippe Bischof, Leiter der Abteilung Kultur im Basler Präsidialdepartement, beruft sich in diesem Zusammenhang auf das kantonale Museumsgesetz: «Der Umgang mit Sammlerinnen und Sammlern ist gemäss Gesetz Sache der Museumsdirektionen und der Kommissionen», sagt er, «diese sind im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen grundsätzlich frei, wie sie mit den Sammlungen umgehen.»

Zur gesetzlich garantierten inhaltlichen Freiheit gehöre auch, dass sich ein Museum als dynamischen Ort präsentieren können muss, der sich dementsprechend verändern und neuen Themen gegenüber öffnen kann, führt Bischof weiter aus: «Das Museum für Wohnkultur kann nicht allein als Ort von Sammlungen, sondern muss auch für Sonder- und Wechselausstellungen verfügbar sein. Über die Inhalte entscheiden dabei alleine die Direktion und ihr Team.»

Das Präsidialdepartement erwartet laut Bischof jedoch bewussten und respektvollen Umgang mit den Sammlern und ihren Konvoluten. «Denn ohne Sammlungen haben die Museen keine Basis», sagt er. Die Verwaltung und der Regierungsrat kämen aber erst dann offiziell ins Spiel, wenn eine Schenkung oder eine Donation Folgekosten hat.

Fremdkörper im Haus für Wohnkultur

Die Aufnahme der Sammlung der Pauls-Eisenbeiss-Stiftung ins Haus zum Kirschgarten war bereits zu Beginn nicht ganz unumstritten. Die NZZ bedauerte in ihrem Bericht zur Ausstellungseröffnung 1977, dass die reiche hauseigene Keramiksammlung mit Stücken, die aus Basler Haushalten stammen, in den Keller weichen musste und die neuen Figuren ihren Platz einnahmen. Und dort, auch in der Art wie sie dicht an dicht ausgestellt wurden, wie ein Fremdkörper wirkten. «Vor allem ist der Charakter des Privathauses, bisher ein besonderer Charme des Kirschgartens, vollkommen dahin», ist im über 30 Jahre alten Artikel zu lesen. 

Wer nun einen letzten Blick auf die Sammlung werfen möchte, kommt zu spät. Der Ausstellungsraum wurde, weil er saniert werden musste, bereits im Frühling leergeräumt. Liebhaber der zierlichen Figürchen, Figurengruppen und des edlen Porzellan-Geschirrs bleibt also nichts anderes übrig, als dereinst ins thüringische Gotha zu reisen.

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