Der Katalysator für junge Kultur

Boris Brüderlin ist neu Basler Beauftragter für Jugendkultur. Wie soll diese künftig gefördert werden? Der bisherige Leiter der Treibstoff-Theatertage gibt Auskunft.

Seine ersten Schritte machte Boris Brüderlin als Darsteller im Jungen Theater Basel. Fürs Studium zog es ihn später nach Bern, Lausanne, Berlin und Leipzig. (Bild: Nils Fisch)

Boris Brüderlin ist neu Basler Beauftragter für Jugendkultur. Wie soll diese künftig gefördert werden?

Viel Freizeit wird Boris Brüderlin in den nächsten Wochen kaum bleiben: Zum letzten Mal organisiert der 34-jährige Basler Dramaturg und Produzent die «Treibstoff Theater­tage», wo sich die Nachwuchstalente der Szene präsentieren. Gleichzeitig wird er als Projektverantwortlicher in den Förderbereichen Tanz, Theater und Jugendkultur des Kantons das Jugendkulturfestival (JKF) genau verfolgen – und neue Konzepte für die Förderung junger Kultur entwickeln.

Boris Brüderlin, seit Juli sind Sie offiziell «Mister Jugendkultur». Worin besteht Ihr Job?

Nun ja, ich habe die Stelle ja erst angetreten. Im Moment bin ich dabei, mich einzuarbeiten, mir einen Überblick über die verschiedenen Themenfelder zu verschaffen sowie abzuklären, welchen Handlungsspiel-raum ich überhaupt habe.

Dennoch werden Sie ja bereits ein Stellenprofil haben.

Die Schaffung der Stelle steht im Zusammenhang mit der im Frühjahr vom Grossen Rat beschlossenen Jugendkulturpauschale, als Reaktion auf die Initiative «Lebendige Kulturstadt für alle». Die Initiative vereint im Grundsatz drei Elemente: einerseits die Förderung von jugendkulturellen Projekten und erleichterten Zugang zu kulturellen Angeboten. Andererseits ist darin aber auch die Rede von günstigen Produktions­räumen, beispielsweise in Form von Zwischennutzungen, und der Nutzung des öffentlichen Raums. Diese drei Bereiche sind natürlich eng verwandt und widerspiegeln auch relativ gut die aktuellen Bedürfnisse. Meine Zuständigkeit beschränkt sich jedoch in erster Linie auf das erste Element.

Reicht es überhaupt, einfach eine neue Stelle zu schaffen?

Das ist eine gute Frage. Natürlich könnte man mutmassen, die Stadt habe sich ein wenig aus der Diskussion rausgemogelt, welche die Initiative aufgeworfen hat. Andererseits hat sie mit den 200 000 Franken, welche die Jugendkulturpauschale in den nächsten drei Jahren erhält, um konkrete Projekte zu fördern, ein klares Zeichen zur Stärkung der Jugendkultur gesetzt. Das ist schweizweit neu und bisher einzigartig.

Wofür soll das Geld denn konkret ausgegeben werden?

Es geht um ein möglichst breites Verständnis von Kultur und Kulturförderung. Meine Aufgabe wird nun sein, bis Ende Jahr ein entsprechendes Konzept auszuarbeiten, mit dem wir nächstes Jahr erste Erfahrungen sammeln können. Neben der klassischen projektbezogenen Förderung werden sicher auch «aktivierende» Plattformen oder Wettbewerbe unterstützt oder initiiert. Konflikte, wie sie bei der Nutzung des öffentlichen Raums entstehen kann man so natürlich nicht beheben. Hier denke ich, wird meine Rolle eher vermittelnd sein. Dies auch, weil bei solchen Themen ja ­sofort sehr viele Departemente ­involviert sind.

Das klingt, als könnten Sie bald zwischen die Fronten geraten.

So schwarz würde ich nicht malen. Aber klar, es geht hier um spannende Bereiche, die auch ein gewisses Konfliktpotenzial haben. Gerade deshalb liegt mir dieser Job aber am Herzen, schliesslich fühle ich mich auch mit 34 Jahren noch relativ nahe bei jugendlichen Anliegen – auch wenn ich selber kurz nach 20 für ein Jahrzehnt aus Basel weg­gezogen bin.

Warum? Weil die «Schlafstadt» zu wenig Möglichkeiten bot?

Natürlich kenne ich den Begriff und den damit verbundenen Frust noch aus meiner eigenen Jugend. Ich muss hierzu aber sagen, dass mir scheint, dass sich in den letzten zehn, fünfzehn Jahren viel zum ­Positiven gewandelt hat. Wenn mich Freunde aus anderen Städten besuchen, sind sie oft begeistert, wie ­offen und jung sich Basel präsentiert – etwa am vielbeschworenen Rheinbord. Das war früher anders.

Dann ist der Ärger der Jugend also nicht gerechtfertigt?

Das habe ich damit nicht gemeint. Es herrscht nach wie vor ein Missverhältnis bei Themen wie «Kulturlärm», wo die Klagen einer Einzelperson wertvolle Projekte verun­-möglichen können. Hier gibt es ­sicher Handlungsbedarf.

«In den letzten zehn, fünfzehn Jahren hat sich in Basel viel zum Positiven verändert.»

Wie sollte die Stadt denn zukünftig Jugendkultur unterstützen oder besser: ermöglichen?

Mein Ideal ist es nicht, einen Masterplan zu implementieren, sondern vielmehr, Impulse von den Jugend­lichen selbst aufzunehmen und zu deren Umsetzung beizutragen.­Jugendkulturförderung muss aber auch niederschwellig sein. Das heisst, man kann nicht einfach auf die wohlformulierten Gesuche warten, sondern muss möglichst nah dran bleiben, sonst erreicht man wieder nur diejenigen, welche ­bereits etwas älter sind oder einen bestimmten schulischen Hintergrund haben. Diesbezüglich ist wohl eine gute Koordination mit den Aktivitäten des Erziehungsdepartements, beispielsweise mit der offenen Jugendarbeit, sinnvoll.

Wo würden Sie Grenzen setzen?

Grundsätzlich bin ich kein Fan von allzu starren Abgrenzungen. Ein Kriterium wird aber das Alter sein. Die Auffassungen variieren hier ­irgendwo zwischen Pubertät und Ende 20. Das ist natürlich ein riesiges Spektrum, dem man nicht auf dieselbe Weise begegnen kann. So bestehen beispielsweise bei der Professionalisierung junger Künstler und Kulturschaffender noch gewisse Defizite. Allerdings ist hier Fingerspitzengefühl vonnöten: So muss man berufliche Förderung von ­jugendkulturellen Projekten, die eher im Rahmen von Freizeit und Hobby stattfinden, unterscheiden. Beides ist wichtig.

Also fördern Sie nicht im Hinblick auf eine spätere Karriere?

Nein, es steht sicherlich die Erfahrung an sich im Vordergrund. Man muss kein Supertalent sein, um sich künstlerisch ausdrücken zu können, und entdeckt dabei vielleicht ganz andere Stärken. Als ich im Jungen Theater auf der Bühne stand, wusste ich beispielsweise noch nicht, dass sich mein Weg in Richtung Organisation und Kulturförderung bewegen wird. Und trotzdem bin ich froh um diese früheren Erfahrungen, etwa bei den «Treibstoff Theatertagen», die ich nun ja letztmals leite.

Das heisst, positive Erlebnisse sind wichtiger als Gelder?

Eine gewisse Form von Spontaneität muss erhalten bleiben. Manche Bereiche sollen auch einfach den Jugendlichen gehören, ohne staatliche Förderung. Die Jugend ist ja eine sehr facettenreiche Phase. Ich selber war in meiner Jugend eine Zeit lang sehr politisch und habe mich der autonomen Szene relativ nahe gefühlt. Wir wollten vieles neu und anders machen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es uns dabei in erster Linie an Fördergeldern mangelte, sondern eher an Verständnis und persönlicher Unterstützung. Gerade dieser Mangel hat aber auch viel Energie freigesetzt. So haben wir ein Open-Air am Schlipf organisiert – was ­allerdings ziemlich in die Hosen ging (lacht).

«Ich will ein Ansprechpartner für Jugendliche sein, kein Verwaltungstier!»

Warum? Was ist schiefgelaufen?

Wir wurden total verregnet: Das Festival entwickelte sich daher zu ­einer richtigen Schlammschlacht! Niemand von uns hatte im Vorfeld daran gedacht, für schlechtes Wetter vorzusorgen. Trotzdem habe ich das Ganze in guter Erinnerung, weil alle Beteiligten dabei gelernt haben, wie wichtig ein spontanes Krisenmanagement sein kann.

Ein Grossprojekt wie das JKF lässt dagegen kaum Raum für diese Art von «Trial & Error».

Das JKF braucht natürlich Planungssicherheit und damit auch ­einen substanziellen Betrag für jede Durchführung, das würde niemand bestreiten. In anderen Bereichen kann man dagegen mit Kleinstbeträgen oder Lobbyarbeit hinter den Kulissen bereits viel bewirken.

Gehen Sie selber ans JKF?

Klar! Ich bin jedes Mal begeistert, wenn ich sehe, wie viele Jugendliche hier etwas Kreatives auf die Beine stellen. Da ich dieses Jahr aber gleichzeitig noch «Treibstoff»-Verantwortlicher bin, werden die nächsten Wochen für mich ziemlich hektisch. Ich versuche, mir für beides so viel Zeit wie möglich freizuschaufeln.

Zum Schluss: Was muss das Ziel Ihrer neuen Stelle sein?

Ich will ein Ansprechpartner für die Jugendlichen werden. Es ist mir wichtig, dass die persönliche Nähe zur Jugendkultur erhalten bleibt. Auf keinen Fall will ich zu einem Verwaltungstier werden, das nur noch Administratives im Auge hat. Ich hoffe, ich darf das mal so ganz salopp sagen, ohne jemanden zu verärgern.

Wird in Basel genug getan für die Jugendkultur? In der Wochendebatte diskutieren mit Dave Muscheidt und MC Pyro zwei bekannte Basler Musiker über Sinn und Unsinn der Jugendkulturförderung. Reden Sie mit und stimmen Sie ab – unter tageswoche.ch/wochendebatte

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 23.08.13

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