In seinem Buch «An Vogelhäusern mangelt es jedoch nicht» vermischt der Innerschweizer Künstler Luca Schenardi ornithologisches Fachwissen mit subjektiver Wahrnehmung – ein spannender Beitrag zur Zivilisationskritik. In der Gallery Daeppen wird das Buch vorgestellt.
Im Zeitraum von 1950 bis heute hat sich in der Schweiz die Situation für viele früher häufige und weitverbreitete Brutvögel durch die vorangetriebene Rationalisierung der Landwirtschaft und das Siedlungswachstum noch einmal stark verschlechtert. So schreibt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) im Jahr 2010 in seinem Bericht «Rote Liste Brutvögel». Keine schöne Entwicklung – das findet nicht nur das Bafu, sondern auch der Künstler Luca Schenardi.
Schon als Kind liebte es der Innerschweizer, Vögel zu beobachten. Mit elf Jahren war er bereits ehrenamtlicher Mitarbeiter der Vogelwarte Sempach. Später liess er sich zum Illustrator ausbilden. Es dauerte noch ein paar Jahre, bis er beschloss, Beruf und Hobby in einem Projekt zu verbinden. «An Vogelhäusern mangelt es jedoch nicht» heisst sein Buch, das kürzlich in der Edition Patrick Frey erschienen ist.
Drei Jahre hat Schenardi daran gearbeitet, es ist ein fast 300 Seiten starkes Buch geworden, in dem sich wissenschaftliche Fakten mit künstlerischen Arbeiten verbinden. Jahrelang hatte der Hobbyornithologe die grassierende Ökonomisierung der gesamten Lebenswelt mit steigendem Unbehagen beobachtet, bevor er sich zum seinem künstlerischen Kommentar entschloss. Nun erschafft Schenardi neue Lebensräume für Vögel, ideale Landschaften, aber auch Vogelhäuser – Bilder, oft mit knallender Polemik oder einer gehörigen Portion Zynismus durchsetzt. Wer würde einem Vogel schon in einem Grill Unterschlupf gewähren? Und welcher Politiker macht seinen Mund weit genug auf, dass ein Vogel darin nisten kann?
Ebensoviel Platz nehmen aber Bilder ein, die sich mit der Zersiedelung der Landschaft auseinandersetzen. Manche haben etwas Apokalyptisches, andere wieder sind reine Bestandesaufnahmen. Er wolle zum Nachdenken anregen, sagt Schenardi über das Projekt – vielleicht auch in Kreisen, die sich sonst nicht mit solchen Themen auseinandersetzen.
Dass es ihm ernst ist damit, merkt man im Gespräch bald. Er ist kaum zu stoppen, wenn er einmal losgelegt hat. Diese Leidenschaft spürt man auch in den Arbeiten. Hier wechseln sich schnell hingekritzelte Skizzen mit Collagen und feinst ausgearbeiteten Bildkompositionen ab. Man lernt vieles über Vogelarten, denen man kaum mehr begegnet in unserem Land. Und immer wieder sind Texte eingestreut, die uns Fakten vor Augen führen, die, wenn nicht verblüffen, so zumindest Fragen aufwerfen.
«Wussten Sie, dass die meisten Vogelarten der Roten Liste im Landwirtschaftsgebiet zu finden sind?», fragt Schenardi. «Dementsprechend langweilig sieht es dort auch aus.» Ein Umstand, der viel mit der gegenwärtigen Landwirtschaftspolitik, dem System der Direktzahlungen und damit natürlich auch mit unseren Essensgewohnheiten zu tun hat. «Ich will helfen, Mythen wie diesen zu entlarven», sagt Schenardi. Sein Beitrag steht im krassen Gegensatz zum Bild, das Marketingleute von der Schweiz zeichnen. Gleichzeitig will er etwas über unsere Gesellschaft aussagen: «An den Vogelbeständen sieht man sehr gut, wie sich der Mensch verhält», ist er sich sicher.
Sein Beitrag ist zwar kein wissenschaftlich beglaubigter Bericht, sondern eher ein wütender Beitrag zur Zivilisationskritik. Ein Weckruf, im besten Fall. Schenardi regt zum Nachdenken an. Und bietet, scheinbar nebenbei, einen beachtenswerten Beitrag zur zeitgenössischen Kunstgeschichte.
- Eine Auswahl von Luca Schenardis Arbeiten aus dem Buch «An Vogelhäusern mangelt es jedoch nicht» ist noch bis zum 29. September in der Gallery Guillaume Daeppen in Basel zu sehen. Dort findet zudem am Mittwoch, 26. September, von 18–20 Uhr, eine Buchpräsentation in Anwesenheit des Künstlers statt. Hingehen!