Der Patriarch zu St. Jakob

Thomas Kastl ist mit Unterbruch seit zehn Jahren Chef der St. Jakobshalle. Obwohl sein Geschäftsgebaren für Kritik sorgt, geniesst er den Rückhalt von Erziehungsdirektor Christoph Eymann.

Thomas Kastl soll freizügig mit Gratis-Tickets umgegangen sein.

(Bild: Hans-Jörg Walter / Alexander Preobrajenski)

Thomas Kastl ist mit Unterbruch seit zehn Jahren Chef der St. Jakobshalle. Obwohl sein Geschäftsgebaren für Kritik sorgt, geniesst er den Rückhalt von Erziehungsdirektor Christoph Eymann.

Wenn Thomas Kastl über die St. Jakobshalle redet, spricht er gerne von «meiner Halle». Als ob ihm die Halle gehöre, sagen Personen, die Kastl seit Jahren kennen. Sie bezeichnen ihn wahlweise als Patriach, Narzisst oder Tyrann. 

Sein Geschäftsgebaren sorgte bereits mehrmals für Kritik, weil er über eine eigene Eventfirma an Veranstaltungen in der Halle mitverdient. Nun kommt ein Mitarbeiter-Exodus dazu: Seit 2014 gingen 13 Kantonsangestellte, die unter Kastl arbeiteten – mehr als die Hälfte des Teams der Joggelihalle. Einige gingen freiwillig, andere wurden gegangen. In der Regel weil sie mit Kastl nicht zurecht kamen.

Die TagesWoche konnte mit vier ehemaligen Mitarbeitern sowie weiteren vertrauenswürdigen Quellen aus dem Umfeld der Halle sprechen, die allesamt anonym bleiben wollen. Sie erzählen alle die gleiche Geschichte.

Mehr Profit erwartet

Diese beginnt 2013 mit der Freude über Kastls Rückkehr in die St. Jakobshalle. Denn der 55-jährige Bayer führte die Halle bereits von 2006 bis 2010. Mit der Anstellung von Kastl sollten die Erträge der Halle gesteigert und mehr profitable Events nach Basel geholt werden. Das gelang teilweise.

2009 stellte ihm die Finanzkontrolle ein erstklassiges Zeugnis aus. Kurz darauf verliess er die Halle für den Chefposten beim grossen Eventveranstalter Good News. 2013 holte ihn Regierungsrat Christoph Eymann zurück zum Kanton.

Stimmung kippt

Viele der Mitarbeiter kannten den neuen alten Chef bereits. Einige freuten sich auf ihn. Er stand für Bewährtes und gleichzeitig für Aufbruch, weil er mit neuem Elan und neuen Kontakten aus der Privatwirtschaft zurückkam.

Doch die Stimmung kippte.

Insider erzählen, wie Kastl nur wenige Monate nach seiner Rückkehr die Angestellten gegen sich aufbrachte. Ein Angestellter sollte nachhelfen, damit ein anderer seinen Job aufgibt. Andere wurden von Kastl in der Freizeit mit gehässigen E-Mails bombardiert oder vor dem Team zusammengestaucht. Einem Angestellten soll Kastl gesagt haben, wenn er sich nicht loyal verhalte, finde er keinen Job mehr zwischen Zürich und Basel. Aus Eventkreisen hört man, es herrsche eine «katastrophale Stimmung» im Team.

Auch kantonsinterne Kritik

Kastls herrischer Stil soll auch kantonsintern für Unmut gesorgt haben. Ehemalige Mitarbeiter behaupten, er sei wegen seiner eigenwilligen Art aus dem Ausschuss geflogen, der den Umbau der Halle plante.

Kastl bestreitet das. Er habe den Ausschuss auf eigenen Wunsch verlassen, lässt er über den Sprecher des Erziehungsdepartements (ED), Simon Thiriet, ausrichten. Ein Bausachverständiger habe «in gewissen Gremien aufgrund seines Know-hows anstelle oder anseiten von Thomas Kastl Einsitz genommen», so Thiriet.

Zoff mit Swiss Indoors

Auch Veranstalter hatten Mühe im Umgang mit Kastl. Jemand, der in der St. Jakobshalle Events veranstaltete, sagt: «Es ist Kastl völlig egal, ob ein Event stattfindet, oder nicht.» Für ihn zähle nur der Profit. Manche kleinen Veranstalter litten deswegen unter Kastls Regime (die TagesWoche berichtete). Aber auch mit den Grossen legte sich der Hallenchef an.

So soll sich Kastl mit dem Management der Swiss Indoors zerstritten haben. Der genaue Grund dafür ist unklar. Möglich, dass Kastl mit den Swiss Indoors einen neuen Vertrag ausarbeiten wollte, wie er es bei kleinen Veranstaltern über Jahre hinweg tat. Das Tennisturnier geniesst bis heute alle denkbaren Privilegien. Der Vertrag blieb über Jahrzehnte gleich. Das sei Kastl ein Dorn im Auge gewesen, sagen Insider.

Regierungsrat interveniert

Der Streit soll so weit gegangen sein, dass das Management der Swiss Indoors beim Regierungsrat intervenierte. Dieser vermittelte dann zwischen Kastl und den Swiss Indoors, mit der Folge, dass Personen aus dem Swiss-Indoors-Management bis heute nichts mehr mit Kastl zu tun haben wollen, erzählt jemand, der den Streit mitbekam.

Das ED bestreitet, dass eine Eskalation mit den Swiss Indoors stattgefunden habe. Wohl komme es «manchmal zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Kunde und Leitung», die Zusammenarbeit mit Swiss Indoors sei aber «ausgezeichnet». Die Swiss Indoors wollen zum Vorfall keine Stellung nehmen.

Das ED bestreitet auch, dass es beim Umgang zwischen Kastl und seinen Mitarbeitern Probleme gab: «Diese Vorwürfe sind uns völlig unbekannt und an den Haaren herbeigezogen», sagt Thiriet.

Freikarten für Freunde

Personen, die mit Kastl eng zu tun hatten, erzählen, Kastl habe die für Kunden reservierten Freikarten gerne an private Freunde verteilt. Bei den Swiss Indoors kostet eine solche Karte etwa 1000 Franken pro Tag. Rechnet man nur eine Woche Swiss Indoors, in der Kastl vier Karten pro Tag an private Freunde vergibt, entspricht dies einem Betrag von bis zu 28’000 Franken.

Das ED bestreitet nicht, dass Karten an private Freunde abgegeben werden. Manche Veranstalter würden darum bitten, «gewisse Kategorien zu füllen, um ein besseres Zuschauerbild zu haben». In solchen Fällen komme es vor, dass Freikarten an Mitarbeiter, Sportler und Freunde gestreut würden, schreibt Thiriet.

Umsatzbeteiligung und Fixum

Was Kastl mit «seiner Halle» verdient, ist eines der bestgehüteten Kantons-Geheimnisse. Der Hallenchef ist beim ED einerseits als Kantonsangestellter beschäftigt und kriegt ein Fixum. Andererseits ist er in einem Mandatsverhältnis angestellt, wofür er eine Umsatzbeteiligung erhält. Wie hoch Fixum und Umsatzbeteiligung sind, will Thiriet nicht sagen. Hier wären der Schutz der Privatsphäre sowie Geschäftsgeheimnisse des Hallenleiters tangiert.

Das Vertragskonstrukt mit Kastl ist kompliziert. Die «bz Basel» schrieb im Juli fälschlicherweise, der Hallenchef erhalte eine Provision für jeden Event, den er über die eigene Event-Firma, die Levent AG, organisiert.

Diese Information verleitete SP-Grossrat Thomas Gander zu einer Interpellation an die Regierung. Ende September stellte diese klar: Kastl hat nie Provisionen erhalten. Es sei gar vertraglich ausgeschlossen, dass Kastl über seine eigene Firma einen Anlass durchführe, schrieb die Regierung in der Antwort an Gander.

Wie Kastl in Wirklichkeit von der Halle profitiert, das schrieb die Regierung hingegen nicht. Nämlich über Umsatzbeteiligung und indem Kastl das Personal für Events über seine eigene Firma beschäftigt. Wie viel er damit verdient, ist ebenfalls unklar.

Anreiz für hohe Umsätze

Fest steht: Kastl hat wegen seiner Doppelrolle als Kantonsangestellter und Eigentümer der Levent AG einen privaten Anreiz, möglichst viele Events zu organisieren und möglichst hohe Umsätze zu erzielen. Das mag auch im Interesse des Kantons liegen. Die Ausgaben im Lot und das Defizit tief zu halten – dafür fehlt dem Hallenchef hingegen der finanzielle Anreiz.

Die Zahlen, die das ED auf Anfrage der TagesWoche herausgab, zeigen: In den Jahren 2006 bis 2010 schrieb die Halle noch tiefrote Zahlen – mit Ausnahme von 2008, als die Schweiz die Fussball-Europameisterschaft austrug , in deren Umfeld viele Events in der St. Jakobshalle stattfanden.

Unter Michel Loris-Melikoff, dem Hallenleiter von 2010 bis 2013, stiegen die Erträge und das Defizit verringerte sich. Seit Kastl 2013 wieder Hallenchef ist, gehen die Erträge leicht zurück, was auch mit dem Umbau der Halle zu tun hat.

Neuer Chef, alter Bekannter

Kastl ist direkt Regierungsrat Christoph Eymann unterstellt – ein Status, den ansonsten Bereichsleiter innehaben. Dass ein Angestellter in Mandatsverhältnis einem Departementsvorsteher direktunterstellt ist, bleibt wohl einmalig im Kanton.

Der Grund dafür liege in der Renovation und dem Relaunch der Halle, die für den Kanton von grosser Wichtigkeit seien, sagt Thiriet. Deshalb sei die «Direktunterstellung zur Chefsache erklärt» worden.

Ob sich am Mandat und dem Vertragskonstrukt mit Kastl in den nächsten Jahren etwas ändern wird, hängt vom neuen Erziehungsdirektor ab, der ab 2017 Eymanns Nachfolge übernimmt. Die St. Jakobshalle wird nach dem Umbau 2018 die grösste Eventhalle der Schweiz sein. Wie es mit Kastl weitergeht, ist offen.

Falls der neu gewählte Regierungsrat Conradin Cramer den Posten als Erziehungsdirektor übernimmt, hätte Kastl wieder einen Bekannten als Chef. Denn die beiden kennen sich bereits, wie Cramer bestätigt.

Er habe einmal eine Einladung von Kastl angenommen – Logenplätze bei den Swiss Indoors 2015. Das sei jedoch nicht ungewöhnlich für einen Vorsitzenden der Bau- und Raumplanungskommission, sagt Cramer.

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