Der Reiz des Flattermanns

Keine andere Batman-Verfilmung war so erfolgreich wie Christopher Nolans Trilogie. Doch worin besteht eigentlich die Faszination des «dunklen Ritters»?

Filmplakat aus dem Kinofilm «The dark knight rises». Wird Bane Batman besiegen? (Bild: Cinetext/Allstar/Warner Bros.)

Keine andere Batman-Verfilmung war so erfolgreich wie Christopher Nolans Trilogie. Doch worin besteht eigentlich die Faszination des «dunklen Ritters»?

Nacht für Nacht geht er auf Verbrecherjagd. Er beschützt die Unschuldigen und greift dort ein, wo die Polizei hilflos ist. Er ist ein Phantom, ein Schatten. Gewillt, sein Leben für das anderer zu riskieren: Batman.

Wer wäre nicht gerne so wie er? Ausgerüstet mit den modernsten High-tech-Gadgets, durchtrainiert, Meister verschiedenster Martial-Arts-Techniken, Streiter für das Gute und schlauer als zehn Füchse zusammen.

Doch das sind alles Fähigkeiten, die andere Superhelden auch haben. Weshalb können wir uns so sehr mit Batman identi­fizieren, aber nicht, sagen wir mal, mit Superman?

Es gibt kaum zwei Charaktere im Superhelden-Universum, die so unterschiedlich sind wie Batman und Superman. Superman ist ein unbesiegbarer Ausserirdischer mit Superkraft, Superpuste, Röntgenblick und weiss was noch alles. Vom Charakter her ist er hilfsbereit, liebenswürdig, loyal und höflich. Ein echter Pfadfinder eben.Sein Charakter ist allerdings holzschnittartig angelegt. Er ist naiv, hinterfragt selten Dinge und wird nie von Selbstzweifeln geplagt. Wegen seiner Superkraft und seinem charmanten Wesen ist er Inbegriff der Perfektion.

Ein ganz normaler Mensch

Batman dagegen ist ein ganz normaler Mensch ohne Superkräfte. Er stellt ­seine Handlungen oft infrage, hängt deswegen kurzzeitig sogar sein Kostüm an den Nagel. Seine Schwächen machen ihn verwundbar und damit menschlich. Zwar hat auch er positive Charakterzüge wie Mut und Entschlossenheit, doch er hat auch unrühmliche Seiten: Er ist verschlossen, mürrisch, humor- und skrupellos.

Gerade wegen seiner menschlichen Züge kann Batman sich weiterentwickeln. Während Superman in seiner über 70-jährigen Comicgeschichte nie verändert wurde, unterlag Batman von Anfang an dem Wandel des Zeitgeistes, was sich im Werdegang seiner Pop­kultur-Karriere zeigt.

Vom Erfolg des ersten Superhelden ­Superman motiviert, konzipierten Bob Kane und Bill Finger im Jahre 1939 für den Verlag Detective Comics (heute DC Comics) die Figur des Batman. Als dunkler Detektiv jagte er Verbrecher und schreckte dabei auch nicht vor dem Gebrauch von Schusswaffen zurück. Die Geschichten wurden zum grossen Erfolg, sodass Batman bald seine eigene Comic-Heft-Serie bekam.

Durch die Einführung von Robin, Batmans neunjährigem Sidekick, wurde in den 1940er-Jahren aus dem grimmigen Einzelkämpfer bald ein Zieh­vater. Doch die Serie verlor zunehmend an Biss – auch wegen der vom Verlag selbst auferlegten ­Comic-Zensur, die den dunklen Rächer immer mehr zum Flatterkaspar werden liess. Die Verkaufszahlen sanken ins Bodenlose, und der Verlag über­legte sich, die Batman-Reihe einzustampfen.

Spiesser und Moralapostel

(Bild: zVg)

Zu neuem Erfolg verhalf erst 1966 die Batman-Fernsehserie. Die Show war grell, bunt und an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Batman, gespielt von Adam West, mutierte darin zum Spies­ser und Moralapostel. Die Comics orientierten sich fortan an der Fernseh­serie, doch als diese 1968 eingestellt wurde, fielen die Auflagen erneut.

Die im Jahr 1969 vorgenommene Rück­führung der Batman-Figur zu ­ihren düsteren und detektivischen Wurzeln begrüssten die Fans zwar, trotzdem blieb der Erfolg des Fledermausmannes mässig. Erst Mitte der 1980er-Jahre trugen die «Graphic Novels» zur neuen Po­pularität Batmans bei.

Verschiedene Künstler interpretierten den dunklen Rächer auf ihre Art, was zu neuen und spannenden Ansätzen führte. Allen ­voran Frank Miller, der in «The Dark Knight Returns» ­einen skrupellosen und nicht zu Scherzen aufgelegten Batman präsentierte, der stark an seine Anfangstage angelehnt war. Dieses Batman-Bild setzte sich in den Comics wie auch in den meisten später folgenden Filmen durch – und wirkt bis heute.Seit über 70 Jahren streift der dunkle Ritter nun durch Gothams ­Stras­sen, um Gauner dingfest zu machen.

Um sich so lange im Popkulturgeschäft halten zu können, braucht es zwei Be­dingungen: einen Mythos-Kern, der das Publikum anspricht (in diesem Fall das durch den Mord an seinen Eltern traumatisierte Kind) – und die Flexi­bilität der Figur.

Kaum eine andere Superheldenfigur hat sich über die Jahre hinweg so wandlungsfähig gezeigt wie der dunkle Rächer. Teile seines Charakters wurden kontinuierlich dem Zeitgeist an­gepasst. Auch konnten die jeweiligen Autoren ihre Kreativität an Batman ausleben, was verschiedene und originelle Sichtweisen auf den Helden möglich machte.

Superheld mit Charakter

Obwohl die Batman-Rolle immer ­wieder umgeschrieben wurde, blieben einige ihrer alten Charakterzüge er­halten – etwa die Abneigung gegen das ­Töten. Diese Charakter­festigkeit in Kombination mit der Flexibilität der Figur bieten dem Publikum stets einen neuen Superhelden in Teilen des alten Gewandes an. So bleibt das Gewohnte interessant.

Die meisten Superhelden, bei denen ein traumatisches Erlebnis Auslöser für die Verbrechensbekämpfung ist, besitzen zu diesem Zeitpunkt bereits ausserordentliche Kräfte. Peter Parker alias Spiderman verfügt schon über seine Spinnenkräfte, als sein Onkel erschossen wird. Frank Castle alias Punisher ist ein erfahrener Kämpfer, bevor seine Familie umgebracht und er zum Rächer wird.

Im Fall Batman ist es anders. Zum Zeitpunkt des Todes seiner Eltern ist Bruce Wayne gerade mal acht Jahre alt. Um seinen Schwur, seine Eltern zu rächen, einlösen zu können, muss er sich zuerst zum Batman entwickeln. Jahrelanges physisches Training und Studien in Kriminologie, Forensik, Biologie, Chemie ­sowie Ingenieurwesen sind dazu er­forderlich. Anders als andere wird ­Bruce Wayne nicht zufällig oder mühelos zum Superhelden, sondern durch Aufopferung und Willensstärke. Da Batmans Antrieb und sein ganzes Sein auf dem Racheschwur beruhen, ist dieser auch das zentrale Element seiner Lebensgeschichte.

Doch blanke Rache allein ist es nicht, was Batman antreibt. Sonst ­würde er einfach den Mörder seiner ­Eltern umbringen. Stattdessen sagt er ­allen Verbrechern in Gotham City den Kampf an, um solche Tragödien, wie sie seinen ­Eltern und ihm widerfuhr, zu verhindern. Da Gotham von Korruption durchtränkt ist, kann Bruce Wayne sein Ziel nicht auf konventionellen Wegen er­reichen. Die Exekutive Gothams ist ­un­fähig, in der Stadt für Recht und Ordnung zu sorgen. Deshalb nimmt er als Batman das Gesetz selbst in die Hand und bewegt sich dabei auf einem schmalen Grat zwischen Heldentum und Selbstjustiz.

Im Visier der Polizei

Bei seiner selbst auferlegten Auf­gabe, alle Verbrecher Gothams aufzuhalten und hinter Schloss und Riegel zu bringen, handelt Batman eigenmächtig. Keine staatliche Instanz autorisiert ihn dazu, auf Ganovenjagd zu gehen. Deshalb wird Batman auch immer wieder von der Polizei verfolgt. Nicht alle in Gotham sind mit der Mission des dunklen Ritters einverstanden und ­sehen ihn eher als Verbrecher denn als Held. Böse Zungen munkeln sogar, die Superschurken gäbe es erst, seit Batman aufgetaucht sei, denn diese wollten sich an ihm messen.

Pinguin, Poison Ivy, Mr. Freeze, Riddler – Batmans Gegner sind ­zahlreich. Der gefährlichste unter ihnen ist aber Joker. Er ist Batmans hart­näckigster und unverbesserlichster Widersacher, da seine Weltanschauung mit jener Batmans nicht vereinbar ist. Beide haben eine Psychose, der ein «schlechter Tag» zugrunde liegt. Bruce Waynes Eltern wurden vor seinen ­Augen erschossen; Joker verlor in einer einzigen Nacht Frau und Kind, und sein Körper wurde durch ein Chemikalienbad entstellt.

Doch während Batman versucht, die moralische Ordnung der Welt wiederherzustellen, sagt Joker Ja zum Chaos, das ihn von allen Ängsten befreit und ihm unbegrenzte Handlungsfreiheit verleiht. Joker ist ein Zyniker, Batman ist ein Idealist.

Dass Batmans Existenz Super­schurken hervorbringt, wird zumindest bei Joker offensichtlich. Immer wieder betont dieser, dass er die Fehde mit dem dunklen Rächer brauche, denn nur Batman sei ihm ebenbürtig. Deswegen hat Joker auch nie vor, Batman umzubringen. Batman wiederum tötet Joker nicht, weil das gegen seinen Moral­kodex verstossen würde. Beide sind somit in einem Kreislauf der ­Gewalt gefangen.

Einiges spricht gegen eine Vorbildfunktion Batmans. Etwa sein Hang zur Selbst­justiz, der nicht zur Nachahmung empfohlen werden kann. Auch die Tatsache, dass er einen neun­jährigen Jungen namens Dick Grayson alias Robin zur menschlichen Waffe ausbildet, um ihn in seinem Kampf ­gegen das Verbrechen einzu­setzen, ist ethisch nicht vertretbar. Zudem wird Batman von seinem Hass auf Ver­brecher verzehrt, und er geniesst es auch, diese nach Strich und Faden zu verprügeln.

Vorbild mit Ecken und Kanten

Trotzdem hat Batman auch vorbild­liche Züge. Er hat es geschafft, seine Rachsucht zu kanalisieren und seine Fähigkeiten zum Wohl der Allgemeinheit einzusetzen. Er hat seine Ohnmacht, ausgelöst durch eine Tragödie, in eine Lebensaufgabe verwandelt, die seiner Existenz einen Sinn gibt. Durch seine Kraft, nicht in Verzweiflung zu verfallen, sondern dagegen anzu­kämpfen, beweist er, dass gewöhn­liche Menschen dazu fähig sind, über sich selbst hinauszuwachsen.

Vielleicht liegt gerade darin sein Erfolg begründet: Batmann ist nicht perfekt, sondern er hat viele Ecken und Kanten. Wir erkennen uns selbst in ihm wieder, was ihn umso authentischer macht.

Vor einer Woche erschoss ein Mann, der sich selbst «Joker» nannte, in Aurora (Denver) bei der Premiere des neuen «Batman»-Filmes zwölf Menschen. Unsere Berichterstattung zum Amoklauf in Aurora.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 27.07.12

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