Die Schule für Gestaltung Basel hat nach ihrer Aufsplittung zuerst an Ansehen verloren – und muss in der Folge nun auch noch um Geld kämpfen.
Seit ein paar Wochen wird in der BLG Lagerhalle auf der Erlenmatt gebaut. Die Abschlussklassen der Schule für Gestaltung arbeiten dort an der Präsentation ihrer Diplomarbeiten: Grafiker, Textildesignerinnen, Typografen und Grafik-Designerinnen. Sie alle haben es geschafft, haben ihre Weiter- oder Erstausbildungen hinter sich gebracht.
Die Schule, die sie ausgebildet hat, ist jedem Basler, jeder Baslerin ein Begriff: Die Schule für Gestaltung (SfG), die hervorging aus der Allgemeinen Gewerbeschule, kann manch einen Abgänger vorweisen, der sich einen nationalen oder gar internationalen Namen gemacht hat: die Basler Gestalter Müller + Hess etwa sowie Christian Stauffenegger, der beispielsweise die Basler Tramhäuschen oder den Brunnen auf dem Berner Bundesplatz gestaltet hat. Auch Künstlerin Pipilotti Rist ging hier zur Schule. Vor allem die Grafikklasse strahlte über Jahrzehnte hinweg bis weit in die Welt hinaus.
Über 200 Jahre alt ist die Geschichte der Schule, eine Traditionsausbildungsstätte. In jüngerer Zeit jedoch musste sie von ihrem Glanz einbüssen – und kämpfen. An der Ausbildung liegt das nicht, die ist qualitativ so hoch wie eh und je. Es sind politische Entscheide, die der SfG das Leben schwer machen.
Im Jahr 2000 fiel der Beschluss, die ehemalige Schule für Gestaltung, die im Volksmund vor allem als Kunstgewerbeschule bekannt war (und es noch heute ist), aufzusplitten. Zwar festzumachen an einem Datum, war es jedoch ein jahrelanger Prozess, der schliesslich zu zwei unterschiedlichen Institutionen führte: zur heutigen Schule für Gestaltung einerseits und zur Hochschule für Gestaltung und Kunst andererseits.
Stete Veränderung
Bereits in den Achtzigerjahren hatte die Schule für Gestaltung erste Studiengänge der Höheren Fachschule geführt: Die Ausbildungen in Visueller Kommunikation, Innenarchitektur und Modedesign waren Teil der sogenannten Höheren Schule für Gestaltung (HFG). Anfang 2000 gingen diese drei HFG-Studiengänge zusammen mit der Zeichenlehrerklasse sowie den Kunstklassen (Malklasse, Bildhauerklasse, Audiovisuelle Gestaltung) an die damalige Fachhochschule Beider Basel, die später in der Fachhochschule Nordwestschweiz aufging. Die Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) war geboren. In der Schule für Gestaltung verblieben die Vorkurse, die gestalterischen Berufslehren, die Fachklasse für Grafik, die öffentlichen Kurse, die Weiterbildung Typografie und die Weiterbildung Textildesign (HF).
Zwölf Jahre ist das nun her, ein ganzes Weilchen, und trotzdem ist im Verständnis vieler nicht direkt involvierter Basler und Baslerinnen die Unterscheidung zwischen SfG und HGK nicht immer ganz einfach. Welches Fach ist nun Hochschulstudium, welches Berufslehre? Welche Designsegmente finde ich an welcher Schule? Und wo genau liegt überhaupt der Unterschied?
Ganz ähnlich ging das damals bei der Trennung auch dem Lehrpersonal, erzählt Dorothea Flury, die jene Zeit als Direktorin hautnah miterlebte. «Einen geeinten Lehrkörper plötzlich aufzuteilen in Hochschullehrer und Nichthochschullehrer, das konnte nicht ohne Probleme ablaufen», sagt sie rückblickend. «Viele Lehrer empfanden die Trennung als Verlust. Nicht aus Prestigegründen, sondern weil die bis dahin bestehende Verbindung für sie Sinn gemacht hatte.» Kam hinzu, dass manch ein Lehrer aus Pensumsgründen an beiden Schulen unterrichtete. Noch heute gibt es bei den Dozenten von SfG und HGK einige Überschneidungen, die sich jedoch durch Pensionierungen mit der Zeit «auswachsen» werden.
Tatsächlich büsste die Schule für Gestaltung durch die Trennung an Renommee ein: Der internationale Touch, der vor allem, aber nicht nur im Bereich der Grafik vorhanden war, ging verloren. Heute ist es vor allem die HGK, die als Teil der Fachhochschule internationale Verbindungen vorweisen muss und kann. Die Schule für Gestaltung hat sich als Ausbildungsstätte von Lehrlingen in gestalterischen Berufen stärker auf den regionalen und nationalen Raum konzentriert.
Auch im politischen Verständnis hat die SfG an Gewicht verloren. Während sich die Regierungen beider Basel immer stärker auf die Hochschulpolitik konzentrieren, scheint die Ausbildung des Gewerbes plötzlich nicht mehr so dringlich. So tauchte denn im Zuge der Sparmassnahmen des Kantons Baselland letztes Jahr vonseiten der Regierung die unpopuläre Forderung auf, die Gelder für den Vorkurs für die Berufslehren sowie für die Grafikfachklasse komplett zu streichen. Auf ein Postulat von Regula Meschberger (SP)hin sprach der Landrat im Dezember das Geld für die Grafikfachklasse für die kommenden Jahre wieder.
Für die Ausrichtung der Kantonsbeiträge für den Vorkurs ist das Regionale Schulabkommen massgebend. Da dieses eine zweijährige Kündigungsfrist vorsieht, ist aktuell davon auszugehen, dass die angehenden Baselbieter Lehrlinge den Vorkurs ab 2014/15 selber bezahlen müssen, sollte es hier nicht zwischenzeitlich noch zu einer Kehrtwendung kommen.
Schnittstelle Vorkurs
Die Vorkurse bilden bis heute auch eine Schnittstelle zwischen SfG und HGK. Im Empfinden von Dorothea Flury war es sehr geschickt, diese bei der Trennung beieinander zu lassen: «Man nahm aus der Schule für Gestaltung heraus, was Hochschule war, und beliess den Rest – dazu gehörten auch die Vorkurse.» In den Vorkursen werden deshalb Schüler mit unterschiedlichen Bildungsniveaus unterrichtet: die einen kommen nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit, die anderen nach der Matur oder Fachmatur hierher. Der Kanton Baselland möchte den Vorkurs nun nur noch Letzteren ermöglichen.
Wichtiges Brückenangebot
Doch für alle dient ein Vorkurs als wichtige Orientierungshilfe für das Ergreifen eines späteren Berufs, egal ob der Weg über eine Lehre oder über ein Studium führt. Dass den Baselbieter Jugendlichen, die eine Berufslehre ergreifen wollen, diese Hilfe nun genommen werden soll, wäre für Roger Bischofberger, der Dorothea Flury im letzten Herbst als Direktor der SfG ablöste, eine Katastrophe: «Es würde eine Lücke entstehen zwischen der Volksschule und den gestalterischen Berufslehren. Nur noch Gutverdienende könnten sich den Vorkurs leisten.» Er hofft, dass man dies doch noch einsehe beim Kanton Baselland.
Der Kampf um das Baselbieter Geld ist jedoch nicht die einzige Baustelle, die ihn in seinem Amt beschäftigt. Eine andere ist jenes Haus, das manchem immer noch als Heimat der Schule für Gestaltung gilt: die alte Gewerbeschule am Petersgraben. Zwar zog die Schule im Oktober 1961 in den Neubau auf dem Vogelsangareal um, doch im alten Gewerbeschulhaus verblieben die umfangreichen Plakat-, Textil- und Gipssammlungen, die Bibliothek sowie ein grosser Fundus an Zeichnungsvorlagen. Das Museum für Gestaltung, damals ebenfalls ein wichtiger Teil dieses Baus, wurde bereits im Jahr 1996 aus Spargründen geschlossen.
Seit Jahren sucht der Kanton für die restlichen Bestände ein neues Zuhause, denn das Haus auf der Lyss soll an die Universität Basel gehen. Bereits heute ist darin das Seminar für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie mit angegliederter Bibliothek einquartiert. Nach den Sommerferien soll das Projekt konkret in Angriff genommen werden. Angesichts der Grösse der Bestände der SfG dürfte es kein einfaches Unterfangen sein, eine neue Behausung dafür zu finden. Trotzdem soll es keine zehn Jahre mehr dauern, da ist sich Bischofberger sicher.
Die Zeichen stehen somit noch immer auf Veränderung. Die Schüler und Schülerinnen gehen derweil davon mehr oder weniger unberührt gewissenhaft ihren Ausbildungen nach. Bis zur Abschlusspräsentation.
Erstmals präsentieren die Abschlussklassen der Schule für Gestaltung ihre Diplomarbeiten gemeinsam. Während bis anhin die Ausstellungen über die Stadt verteilt waren, erhofft man sich bei der SfG durch das Zusammenlegen mehr Präsenz. Um genügend Raum zur Verfügung zu haben, hat man dazu die BLG Lagerhalle auf der Erlenmatt (Schwarzwaldallee 305)gemietet.
Die Ausstellung ist zu sehen vom 23. bis 29. Juni, jeweils von 12 bis 21 Uhr. Vernissage ist am Freitag, 22. Juni, 18 Uhr.
Mehr Infos: www.sfgbasel.ch
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 22.06.12