Es kam so ziemlich alles anders heraus als geplant: Wir haben uns am Vortag seines Konzerts mit dem Sinfonieorchester Basel mit dem Solisten Cameron Carpenter zu einem kurzen Gespräch getroffen. Kurz war es zumindest geplant, mit vier Fragen nur.
Doch wenn der US-amerikanische Star-Organist über seine Orgel und seine persönliche Beziehung zur Musik zu sprechen beginnt, ist er kaum mehr zu bremsen, sprudelt es nur so aus ihm heraus (Der Link zum ganzen Gespräch ist am Schluss dieses Artikels).
Und mitten im Redeschwall demonstriert er, was er und seine Orgel hergeben. Ein Müsterchen hier:
Carpenter ist eine schillernde Figur in der Klassik-Szene. Sein Outfit und vielleicht auch seine künstlerische Interpretationsfreiheit haben ihm zum Titel «Orgel-Punk» verholfen.
Wir bezeichnen ihn in Anlehnung an das programmierte Werk «Teufels-Organist». Spielen wird er nämlich den Solopart in Sergei Rachmaninows «Rhapsodie über ein Thema von Paganini», und Paganini wird ja bekanntlich als Teufelsgeiger bezeichnet.
«Wichtig ist, was wir hier und jetzt zeigen»
Rachmaninows Rhapsodie ist übrigens nicht ein Orgel-, sondern ein Klavierkonzert, das Carpenter umgeschrieben hat. Warum spielt er kein klassisches Orgelwerk? «Spielt doch überhaupt keine Rolle», sagt er dazu. «Man sollte die Musik spielen, die einen anspricht, die Orgel ist nun mal mein Vehikel, sie zum Ausdruck zu bringen.»
Zu unserer Titulierung als Teufels-Organist äussert er sich nicht gross. «Wichtig ist, was wir hier und jetzt auf dieser Bühne zeigen, alles andere spielt keine Rolle», sagt er.«Für mich ist Musik nicht Teil der Geschichte, sie ist Gegenwart.»
Ein Stück Gegenwart ist auch seine Tour-Orgel, die ihm die Orgelbauer Marshall & Ogletree gebaut haben. Es ist kein mechanisches Instrument mit Blasebalg und Orgelpfeifen, sondern ein digitales Instrument. Aber eines, das mit einer gängigen elektronischen Orgel ganz und gar nichts zu tun hat: Die Riesen-Maschine entspricht von den Ausmassen her viel mehr einer klassischen Pfeifen-Orgel.
Da ist erstens der nicht eben kleine Spieltisch mit fünf Klaviaturen, einer Fusspedalreihe und gegen 200 Knöpfen. Richtiggehend ausladend ist der Aufbau mit rund 40 Lautsprecher-Boxen, die das akustische Raumgefühl der Orgel vermitteln.
«Meine Orgel ist durch und durch amerikanisch.» Cameron Carpenter
Zwei Lastwagen waren nötig, um dieses Instrument zu transportieren. Drei Stunden brauchten sechs Techniker und «Stage Hands» für den Aufbau. Und wie der Projektleiter Yannick Studer erzählt, hat der grosse Meister die zum Teil 200 Kilo schweren Boxen am Schluss selber in die richtige Position gerückt.
Zurück aber zur persönlichen Begegnung mit dem Solisten: Wenn Carpenter über seine Orgel zu sprechen beginnt, kommt er erst recht ins Reden. «Meine Orgel ist die fortschrittlichste der Welt, mit einer radikalen Technologie, die es schafft, den traditionellen Ausdruck des Instruments zu erzeugen», sagt er.
Und wendet sogleich ein, dass er vom «rückwärtsgewandten Eklektizismus» der europäischen Barockorgeln in Konzertsälen oder Kirchen nicht so viel hält. «Meine Orgel ist durch und durch amerikanisch, jede einzelne Tonfacette ist das Sample einer amerikanischen Orgelpfeife.»
Sie könne alles und sei zudem extrem einfach zu spielen, sagt er noch. Nun ja. Wenn man es so gut kann wie er …
«Fontane di Roma»: Konzert mit dem Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Michał Nesterowicz und Cameron Carpenter an der Orgel. Mittwoch, 30. August, um 19.30 Uhr im Musical Theater Basel.
Wer mehr über die Orgelmusik, die spezielle digitale Tour-Orgel, das Musikverständnis des Organisten und seine speziellen Latin-Tanzschuhe erfahren möchte: Hier geht es zum gesamten Gespräch mit Cameron Carpenter: