Der tote Christus, LSD und Nietzsches Schnauz im Kunstmuseum

Das Kunstmuseum Basel erzählt in seiner neuen Ausstellung neun hintersinnige «Short Stories» über Basel und die Welt.

1967 veröffentlichten Eric Burdon and the Animals einen Song mit dem Titel «A Girl Named Sandoz». Mit Sandoz ist tatsächlich der Basler Pharmakonzern gemeint, in dessen Labors das LSD entwickelt wurde, das die Musiker zu diesem psychedelischen Stück animiert hat.

Diesen Song kann man sich neben weiteren Rock- und Popsongs im Kunstmuseum Basel anhören – in einem Saal, der dem Basler Chemiker Albert Hofmann gewidmet ist. Umringt von Kunstwerken, die sich mit dessen Entdeckung befassen wie die Tonplastik «Dr. Hofmann auf dem ersten LSD-Trip» aus der hinreissenden Serie «Plötzlich diese Übersicht» von Peter Fischli und David Weiss. 

Oder alten Stichen und Gemälden, die sich mit den albtraumhaften Szenen der «Versuchung des heiligen Johannes» befassen, die mit Halluzinationen aufgrund einer Vergiftung durch den Getreidepilz Mutterkorn in Verbindung gebracht werden, aus dem Hofmann das LSD synthetisiert hatte.

Es ist eine von neun «Short Stories» über Basel und die Welt, die in der gleichnamigen Sonderausstellung im Kunstmuseum zu sehen und zu erleben sind. Weitere kreisen um Erasmus, um Friedrich Nietzsche, den Kunsthistoriker Jacob Burckhardt, die Frauenrechtlerin Iris von Roten oder das ikonenhafte Gemälde «Der tote Christus im Grab» von Hans Holbein d.J.

«Liegender Toter» (1957) von Werner von Mutzenbecher.

In letzterem wird deutlich, wie prägend dieses Gemälde für andere Künstler war. Arnold Böcklin hat das Motiv aufgenommen, Ferdinand Hodler dürfte das Werk gekannt haben, als er 1915 seine beklemmenden Bildnisse der «sterbenden Valentine» gezeichnet und gemalt hatte. Ferner der Basler Künstler Werner von Mutzenbecher, der mit seinem eindrücklichen «Liegenden Toten» aus dem Jahr 1957 eine Brücke schlägt zu den Toten aus dem Ungarn-Aufstand von 1956.

Mutzenbechers Werk ist ein Bild aus der Sammlung, das man bislang selten sah – zu selten. Es ist eines von vielen Werken, die Museumsdirektor und Ausstellungskurator Josef Helfenstein aus dem Fundus des Museums in die Ausstellungssäle gebracht hat. Er hat tief in den Lagern gegraben und auch Leihgaben ausgewählt, die man nicht alle als Meisterwerke bezeichnen kann, die inhaltlich aber gut zu den grossen Meisterwerken der Sammlung passen.

Im Dialog mit Gegenwartskunst

Helfenstein hat überdies Gegenwartskünstlerinnen eingeladen, Werke zu bestimmten Themen beizusteuern. So sind filigrane abstrakte Pinselzeichnungen von Silvia Bächli neben den botanischen Zeichnungen von Maria Sibylla Merian (1647–1717) zu sehen, die auf wunderbare Art miteinander korrespondieren. Not Vital hat einen riesigen Raum zu Friedrich Nietzsche eingerichtet: mit einer immensen Teppichunterlage als massstabsgetreue Vergrösserung des Tischtuchs, auf dem Nietzsche gearbeitet hat. Und einem monströsen Nietzsche-Schnauz aus rotem Wachs.

Nicht in jedem Saal werden die Geschichten wirklich schlüssig erzählt. So erscheint zum Beispiel der Bezug des Basler Eiskunstlaufduos Frick und Frack zu Ernst Ludwig Kirchners Holzskulptur «Die Freunde» eher etwas banal – beide Male geht es um zwei Männer. Auch mutet es etwas seltsam an, dass den Eiskunstläufern, die in den 1940er- und 1950er-Jahren in den USA Starruhm erlangten, ein eigener Saal gewidmet ist.

Alles in allem ist es aber eine ebenso erfrischende wie lehrreiche Ausstellung. Besonders lehrreich ist sie, wenn man sich den schön aufgemachten Katalog dazu kauft, der sich wie ein Basler Geschichtsbuch und ein Reiseführer durch die grossartige Basler Sammlung liest.

Kunstmuseum Basel: «Basel Short Stories – von Erasmus bis Iris von Roten». Bis 21. Mai 2018

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