Die Jury hatte den Leibarzt von Michael Jackson schon vor drei Wochen schuldig gesprochen. Jetzt hat ein Richter das Strafmass verkündet: Herzspezialist Conrad Murray muss für vier Jahre ins Gefängnis. Was vor Gericht nicht zur Sprache kam: die moralische Mitschuld der Familie Jackson. Ein Kommentar.
Die Beweise gegen Murray wogen schwer: Er verabreichte Michael Jackson – offenbar versehentlich – eine Überdosis Propofol. Ein Narkotikum, das zu Atemdepressionen und Blutdruckabfall führen kann – und weder leichtfertig verschrieben noch unkontrolliert verabreicht werden sollte.
Der Arzt hatte Jackson unbeaufsichtigt gelassen, nachdem er der Bitte seines reichen, medikamentenabhängigen Auftraggebers nicht widerstehen konnte. Für Geld und Prestige verletzte Murray seine Pflicht. Er blieb vor Gericht uneinsichtig, zeigte keine Reue, ja, sah gar sich selbst als Opfer.
Korrekt, dass er nun für die fahrlässige Tötung büssen muss. Dass es die Höchststrafe ist: Ein deutliches Signal des Richters, dass eine solche Verletzung des hippokratischen Eids nicht entschuldbar ist. Ein Signal auch an die Fans auf der Strasse, die bei Bewährung aufgeschrien und protestiert hätten.
Damit ist das letzte Kapitel zum Leben und Tod von Michael Jackson abgeschlossen. Was bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack. Gerade auch aufgrund der Verhaltensweise seiner Familie. Heuchlerisch, wie ein Teil des Jackson-Clans nach seinem Tod bis zur Urteilsverkündung aufgeschrien hat. Unvergesslich zynisch, wie Vater Joseph 2009 vor laufenden Kameras den Verlust seines Sohnes – «des grössten Superstars der Welt» – bedauerte und gleichzeitig seinen Geschäftspartner vor die Kameras stellte, der eine posthume Plattenveröffentlichung anpries. Wie geschmacklos war das denn?
Offen bleiben daher moralische Fragen: Wo waren seine herzensguten Schwestern, als Michael Jackson offensichtlich Hilfe brauchte? Und vor allem: Wo waren die Eltern, wo war Vater Joseph, als Michael eine normale Kindheit brauchte? Joe war bei ihm, dem Kind. Aber statt väterliche Wärme zu geben, schubste er den Kleinsten auf die Bühne, drillte ihn, züchtigte ihn, misshandelte ihn. Seit den 80er-Jahren kamen immer wieder solche Details aus dem Familienleben ans Tageslicht, nachdem einzelne Clan-Angehörige ihr Schweigen brachen.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich masse mir nicht an, eine Ferndiagnose zu stellen, schon gar nicht über einen Menschen, den ich nicht persönlich gekannt habe. Aber auch auf Distanz konnte man beobachten, wie sich ein Superstar in einen Superfreak verwandelte. Michael Jackson? Ein sensibler Künstler, sicher, einer mit grossen Macken, auf jeden Fall, mit seltsamen Krankheiten, möglich. Ungreifbar. Isoliert. Realitätsfremd. Michael Jackson hatte sich in seinen letzten Jahren in eine tragische Figur verwandelt. Mit tragischem Ende.
An der medial inszenierten Abdankungsfeier war der Jackson-Clan bestürzt – und fand im Leibarzt den einzigen Schuldigen am Tod. Arzt Murray, der seinem reichen Patienten medizinische Wünsche erfüllte, tut nun Busse. Und schweigt. Michaels Eltern waren bei der Urteilsverkündung dabei. Auch sie schwiegen. Ihr Anwalt verlas ein Communiqué in ihrem Namen, das den Schmerz der Eltern zum Ausdruck brachte. Schmerzen und ihre Folgen, darüber hätte sich der dominante Vater Joseph womöglich schon viel früher Gedanken machen sollen.