Das Theater Basel verquirlt Brechts «Aufhaltsamer Aufstieg des Arturo Ui» zum trashigen Nonsens-Brei. Schade, denn der Anfang ist vielversprechend.
Sie sind ja noch ganz witzig, die nachgespielten Filmszenen, die auf verschiedene Wände im Basler Schauspielhaus projiziert werden. Wir erkennen Hitchcocks «Psycho», den «Weissen Hai», «Shining» (und weitere Kubrick-Klassiker), «Nosferatu» und viele berühmte Szenen mehr. Und ach ja: das Hitler-Melodram «Der Untergang» und Chaplins «Der grosse Diktator» sind auch zu sehen.
Man kann sich nun fragen, was dies alles mit Bertolt Brechts «Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui» zu tun hat. Gut, zu Hitler gibt es einen Bezug: Brecht schrieb seine Parabel während der Nazizeit als Lehrstück über den Aufstieg des grossen politischen Verbrechers. Aber das meint der junge Regisseur Robert Gerloff nicht wirklich.
Abstecher nach Hollywood
Die Filmparade ist ein Gag – einer von ganz ganz vielen in dieser Aufführung –, der aus einer Stückszene herauskonstruiert wird: Bei Brecht nimmt der Gangster Arturo Ui Schauspielunterricht, um die Massen besser betören zu können. In der Basler Inszenierung führt ihn dies offensichtlich zu einem Abstecher nach Hollywood, der aber – wieder ein Gag – von den gestrengen Brecht-Erben unterbunden wird mit dem Gebot, das Stück originalgetreu zu Ende zu spielen.
Wenn man sich die Mühe nimmt, lange nachzudenken, könnte man zum Schluss kommen, dass der Aufstieg Uis vom Kleinganoven zum Tyrannen wirklich aufhaltsam gewesen wäre, wenn man ihn nur in Hollywood weiterspielen gelassen hätte. Brecht aber hat, von der Geschichte der Nationalsozialisten belehrt, das «aufhaltsam» später aus dem Stücktitel herausgestrichen (was in Basel aus nicht nachvollziehbaren Gründen wieder reingenommen wurde).
Und die Brecht-Nachkommen sind tatsächlich strenge Hüter ihres Erbes. Möglicherweise würden sie der Basler Inszenierung die Aufführungsrechte entziehen, wenn sie sähen, was da gespielt wird. Das ist natürlich unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Kunst nicht gut. Was aber wahrlich nicht heissen soll, dass man die Aufführung gesehen haben muss.
Nach vielversprechendem Anfang …
Aber eigentlich beginnt die Basler Aufführung vielversprechend. Das Schauspielhaus darf nach der schönen «Frankenstein»-Szenerie erneut seine räumliche Wandelbarkeit unter Beweis stellen. Die Spielfläche ist um 90 Grad gedreht und präsentiert sich, an drei Seiten von Zuschauerreihen gesäumt, als grosse Bar zur legendären Chicago-Ganster-Zeit während den 1920er-Jahren mit Al Capone und Co. (Bühne: Gabriela Neubauer).
Auf einem Podest am Rand sorgt Polly Lapkovskaja singend und spielend für Musik. Sie tut dies wunderbar, mit einer fantastischen Stimme und mit stimmig-virtuosem Spiel auf dem Klavier und dem Elektrobass, während die Schauspieler zu Beginn Blumenkohl-Häppchen (Brecht nimmt über dem Blumenkohl-Handel das verbrecherische Profitstreben aufs Korn) und Schnaps verteilen.
… folgt der Fall in den trashigen Nonsens
Damit wären die positiven Eindrücke aus diesem fast zwei Stunden dauernden Abends aber bereits mehr oder weniger abgehakt. Was folgt, ist ein Schwall von szenisch oft nur sehr schwer nachvollziehbaren Versatzstücken, wild durchmischt mit Filmeinspielungen und Live-Videoprojektionen (Kamera: Janis Huber). Mit viel Slapstick, harschen Brüchen, Zombie-Trash, etwas Formationstanz und raschen Rollen-, Perücken- und Kostümwechseln (Kostüme: Johanna Hlawica).
Selig, wer in diesem Durcheinander noch der Stückhandlung zu folgen vermag, zumal die wenigen ruhigeren Dialogszenen so fahrig dahingenuschelt werden, dass man auch dem Text nur schwer folgen kann. Dabei sind Schauspielerinnen und Schauspieler zu erleben, die eigentlich wirklich etwas drauf haben: Johannes Schäfer (als Arturo Ui), Jan Viethen, Cathrin Störmer und Zoe Hutmacher haben in Basel schon für ausgesprochen gewinnbringende Theatererlebnisse gesorgt (was sicher auch für Neulinge oder Gäste Hans-Peter Grothe, Simon Bauer und Marcus Rehberger gelten würde).
Breiartige Masse
Theater darf viel. Es darf trashig sein, Stücke zertrümmern – auch Brecht (solange die Erben es nicht mitbekommen) – und eine Zumutung sein. Es darf Tragödien zu Komödien werden lassen und umgekehrt. Es darf mehr als nur leicht verständlich sein, multimedial, grell, explosiv oder leise und sinnlich.
Aber es sollte diese Mittel einigermassen überlegt kombinieren. Wenn ein Koch wild alle zufällig vorhandenen Zutaten in einem Mixer wirft, entsteht in den allermeisten Fällen ein ungeniessbarer Brei. Das gilt auch für einen Regisseur.
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«Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui» von Bertolt Brecht. Theater Basel, Schauspielhaus. Weitere Vorstellungen am 1., 3., 10., 11., 15. und 22. November.