Sternenkrieger in einer Galaxie weit, weit weg? Nein, der wahre Krieg spielt sich in den Küchen der Spitzengastronomie ab. Zumindest in Hollywood.
Für den Erfolg an den Kassen benötigen Hollywoodfilme ein gutes Rezept. Eine Messerspitze Spannung, ein gutes Mass Leidenschaft, eine Prise Unterhaltung, alles natürlich auf Basis einer guten Story. Ein Schauplatz scheint sich hier besonders anzubieten: die Küche, am liebsten jene eines Spitzenkochs der Haute Cuisine. Wie sonst lässt sich erklären, dass wir im Kino immer mehr Köchen beim Griff nach den Sternen zusehen dürfen?
Bei den Sternen handelt es sich vornehmlich um die berühmtesten: jene des Guide Michelin. Der «Bibel». Drei Sterne, die höchste Auszeichnung, bleibt nur den Allerbesten vorbehalten – den Yodas der Küche sozusagen, wenn wir in den Hierarchie-Stufen des «Kriegs der Sterne» denken. Und wer als Koch etwas auf sich hält, der versucht, diese drei Sterne zu erobern – und bringt sich notfalls um, wenn er denn scheitern sollte.
Das zumindest suggeriert der neueste dieser Filme, die uns in die Küche eines Meisterkochaspiranten entführen: «Burnt» heisst er, und Bradley Cooper spielt darin Adam Jones, einen Koch, dem der Erfolg in Form von zwei Michelin-Sternen einst zu Kopf gestiegen war, und zwar derart, dass er abstürzte – so tief, wies nur geht. Drogen, Alkohol, Kriminalität, schlimmer gehts nimmer. Zur Strafe nahm er sich vor, eine Million Austern zu öffnen, was er minutiös in einem Notizbuch festhält. Nach der millionsten Auster rafft er sich wieder auf, «der weltbeste Koch zu werden». Seinen dritten Stern zu holen.
Zur Seite stehen Adam Jones alte und neue Freunde, eine Therapeutin und ein paar Feinde. Die müssen sein, denn ohne Feinde gibt es keinen Kampf und damit keine Spannung. Adam Jones‘ Feinde sind er selbst und ein alter Kochkumpan, der inzwischen selber erfolgreich ein Restaurant führt.
Und dann ist da noch der Souschef. Der Souschef ist eigentlich immer der Böse in Koch-Hollywood. Denn er ist eifersüchtig, natürlich. Schliesslich steht er dem Koch am nächsten und damit in seinem schwärzesten Schatten. Und weiss zudem, dass er nie das erreichen wird, was sein Chef erreicht. Das muss auch die Ratte Rémy erfahren, die sich in Disneys wunderbarem «Ratatouille» ein paar Sterne verdient. Eine Ratte am Herd, wie das geht? Nun, mit etwas menschlicher Hilfe und dem Credo des meisterlichsten aller erfundenen Meisterköche – Gusteau –, das da lautet: Jeder kann kochen.
Nix für Finöggel
In Wahrheit ist das natürlich Quatsch. So ganz talentfrei sollte man nicht sein, wenn man sich in diesen Gefilden beweisen will. Doch ist nicht nur Talent vonnöten – sondern auch eine gehörige Portion Selbstvertrauen, um nicht zu sagen Arroganz. Denn wer Chefkoch werden will, der muss führen können. Seine Küchencrew zum Äussersten antreiben. Finöggel sind weder am oberen noch am unteren Ende dieser Hierarchie am richtigen Platz. Wenn denn stimmt, was der Filmbetrieb uns weismacht: Die Küche ist hier ein Kriegsgebiet, die Hierarchie äusserst antiquiert.
Das weiss dann auch Gusteau, der sein Credo darum mit einem Aber ergänzt: Jeder kann kochen – aber nur die Furchtlosen schaffen es zum Meisterkoch.
Die Furchtlosen führen, die Untergebenen zittern unter ihnen? Nun ja, im wirklichen Leben hoffen wirs nicht. Doch wird auch in der Realität ein Gewimmel in der Küche herrschen, wird es stressige Momente geben. Vielleicht fliegen keine Teller durch die Luft, weil der Fisch nicht perfekt gegart wurde. Aber brüllende Chefs, nun ja, die dürfte es wohl doch geben.
Demgegenüber steht beziehungsweise sitzt der Gast am Tisch, möglichst gemütlich und gediegen. Der am Wein nippt und innehält, weil der Bissen, der grad seinen Gaumen berührt, so unbeschreiblich lecker ist. Der ins Restaurant gekommen ist, um zu geniessen. «Die Leute essen, weil sie Hunger haben – sie sollen mit Essen aufhören, weil es so gut ist», sagt Adam Jones. Danach strebt er. Nach dem Moment, in dem die Gabel in der Luft schwebt, der Gast seine Augen schliesst und seufzt. Erst dann ist er zufrieden.
Immer diese Restaurantbesitzer!
Die Filmköche aber haben es meist äusserst schwer. Nicht nur müssen sie perfekt kochen können, ohne Ende innovativ sein, ihre Crew nicht vergraulen und ein Privatleben managen – nein, sie müssen sich auch noch mit den übelsten Restaurantbesitzern rumschlagen. Die ihnen im schlimmsten Fall die Freude am Beruf komplett vergällen.
Ratte Rémy bleibt von einem Besitzer verschont, immerhin. Adam Jones hat das Pech, dass der Besitzer ein Auge auf ihn geworfen hat – und ihn schikaniert, weil Jones sein Gefühl nicht erwidert. In «Chef» wirft Jon Favreau als Koch Carl Casper das Haute-Cuisine-Handtuch in die Ecke, kauft sich einen Imbisswagen und macht sich fortan daran, das perfekte kubanische Sandwich zu ersinnen. Und wird glücklich dabei. In «The Hundred Foot Journey» wiederum ist der Restaurantbesitzer eine Frau – die schlichtweg nur das Beste will. Das Beste und Leidenschaft, ein Feuerwerk. Und es unerwarteterweise im indischen Nachbarn beziehungsweise seinen Gewürzen findet. Einen Küchenkrieg gibt es zuerst natürlich trotzdem, alles andere wäre schliesslich langweilig.
Dafür kommt dieser Film gänzlich ohne den Feind Nummer 1 aus: den Kritiker. Mit seinem Urteil steht und fällt der Betrieb. Mit einem Artikel auf seinem Blog kann er ein Restaurant in den Ruin oder wie in «Chef» einen Koch aus seinem Beruf treiben. Oder aber er kann im Gegenteil das Schlimmste verhindern. Ihn (oder sie) gilt es am Ende immer zu überzeugen. So wie die kleine Ratte Rémy den sauertöpfischen Anton Ego überzeugt, mit dem einfachsten (wenn auch nicht simpelsten, Vorsicht!) französischen Gericht, der «Ratatouille».
Wenn ein Essen derart auf der Zunge vergeht wie dieser Gemüseschmortopf, dann vergibt man dem Koch sogar, dass er eine Ratte ist. Oder ein arrogantes Ekel. Oder ein Querkopf wie Adam Jones. Hauptsache, es schmeckt. Bon appétit!
_
«Burnt» läuft heute, Donnerstag, in den Basler Kinos an.