Ralo Mayer hinterfragt in seiner Ausstellung im Kunsthaus Baselland, was den Menschen dazu treibt, zum Mond zu fliegen. Ist es dieselbe Motivation, die ihn dazu verleitete, andere Völker zu kolonialisieren – die Gier nach Macht? Vielleicht wird das Thema deshalb im US-Wahlkampf wieder aktuell.
Kein Jahr ist es her, da endete in den USA die Ära der bemannten Raumfahrt: Nach 30 Jahren startete am 8. Juli 2011 zum letzten Mal ein Space Shuttle. Die amerikanischen Gemüter erhitzten sich am Fakt, dass künftig, wer ins All reisen will, ein Ticket bei den Russen lösen muss. Und so überrascht es kaum, dass im anlaufenden Wahlkampf die Raumfahrt plötzlich wieder zum Thema wird. Er wolle eine permanente US-Basis auf dem Mond stationieren, warf der Republikaner bei einer TV-Debatte in Florida seinem Gegner Mitt Romney ins Gesicht. Dies sei eine «vielleicht grosse, aber keine gute Idee», war Romneys Entgegnung.
In der Tat haben die Space Shuttles den USA nicht nur Ruhm eingebracht. Ralo Mayer, österreichischer Künstler mit einem Faible für Wissenschaft, präsentiert im Kunsthaus Baselland aktuell die beiden Tiefpunkte des Programms: Die Explosionen der «Challenger» kurz nach ihrem Start 1986 und der «Columbia» beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre im Jahr 2003.
Komplexe Maschine
Aus 2,5 Millionen Einzelteilen soll ein Space Shuttle bestanden haben. Anhand dieser «komplexesten Maschine aller Zeiten» führt Mayer in seiner Ausstellung Kunst, Wissenschaft und Kulturkritik zusammen. Das Resultat ist nicht ganz so komplex wie eine Raumfähre, aber doch äusserst vielschichtig. Schon der dreistufige Titel tönt es an: «Obviously a major malfunction / KAGO KAGO KAGO BE / Woran glauben die Motten, wenn sie zu den Lichtern streben».
Beginnen wir mit der Entschlüsselung: «Obviously a major malfunction» bezieht sich auf einen Kommentar des NASA-Offiziers Steve Nesbitt anlässlich der «Challenger»-Katastrophe – ein inzwischen legendär gewordener Ausspruch, der die Hilflosigkeit angesichts solcher Unfälle spiegelt. «Kago» stammt aus dem neo-melanesischen Tok Pisin, einer heute in Melanesien weit verbreiteten, gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Umfeld von Kolonialverwaltungs- und Missionsstationen entstandenen Sprache. «Kago» bezeichnet analog dem englischen Begriff «Cargo» industrielle produzierte westliche Güter, in denen sich aus melanesischer Sicht die geheimnisvoll wirkende Macht der Weissen materialisierte. Aus ihm entwickelte sich auf den pazifischen Inseln zu Zeiten der europäischen Kolonialisierung der sogenannte «Cargo-Kult». «Be» ist die lautmalerische Übersetzung des englischen «Bay», was Bucht bedeutet und den Ort bezeichnet, an dem europäische Flugzeuge ihre Fracht abwarfen.
Mayer spinnt in seiner Ausstellung, die viele Objekte, Bilder und Texte vereint, einen Link zwischen der europäischen Kolonialisierung der Pazifikinseln und dem US-Raumfahrtprogramm. Was weit hergeholt klingt, ist es bei näherer Betrachtung gar nicht: Schliesslich war das Space Shuttle ein von der NASA produzierter Raumfährentyp mit Ladebucht, mit dem die USA die Kolonialisierung des Weltraums einläuten wollten.
Technikglauben
Während die Inselbewohner einen religiösen Kult entwickelten, verfiel der westliche Mensch dem Technikglauben. Davon ausgehend bedeutet «Cargo» bei Mayer sowohl die reale Ladung der Flugzeuge und Space Shuttles, als auch die Trümmer der zerstörten «Columbia», die ebenso vom Himmel auf die Erde fielen. Ein blond gelockter Junge stellt in einem vom Künstler produzierten Video die Verbindung in folgenden, einfachen Worten her: «Auf den Dächern hängt Cargo, in den Bäumen hängt Cargo. Cargo hat Krater geschlagen. Ganz Texas hat Cargo bekommen.»
Mayers Interesse aber führt über die einzelnen Ereignisse hinaus. Er fragt sich, was zwischen den beiden Abstürzen passierte, was die Menschheit fasziniert, wie sie Krisen meistert. Und schliesslich auch, woran sie glaubt. Warum streben wir ins Weltall? Was versprechen wir uns davon? Woran glauben die Motten, wenn sie zu den Lichtern streben?
- Ausstellung im Kunsthaus Baselland noch bis Sonntag, 18. März.