Diabolo und Zirkusleben: Die Artistin Solvejg Weyeneth

Seit sie 15 ist, lebt Solvejg Weyeneth von und mit dem Zirkus. Aufgewachsen ist die 1989 geborene Artistin im Emmental. «Das Leben im Zirkus muss man mögen», sagt sie. «Anders haben wollte ich es aber nicht.»

«Zirkus geschieht im Moment», sagt die Diabolo-Artistin Solvejg Wyeneth. Dahinter steckt jedoch viel harte Arbeit.

(Bild: Christian Jaeggi)

Seit sie 15 ist, lebt Solvejg Weyeneth von und mit dem Zirkus. Die Artistin ist Mitbegründerin des Zirkus FahrAway und der «Station Circus», die neben der Tramhaltestelle Dreispitz residiert. «Das Leben im Zirkus muss man mögen», sagt sie. «Anders haben wollte ich es aber nicht.»

Seit Herbst 2014 stehen auf dem Schotterplatz am Basler Walkeweg mehrere Wagen und ein Zirkuszelt. Sie gehören zur «Station Circus», wo die Artistin Solvejg Weyeneth derzeit wohnt.

«Der Zirkus ist schon im Sommer zuhause», findet sie und blinzelt in der Sonne. Vor dem Zirkuswagen stehen ein Tischchen und ein paar Stühle, darauf das Frühstück in der warmen Morgensonne. So lässt es sich leben am Sonntagmorgen.

Nachher wird Weyeneth mit den anderen Mitgliedern von Station Circus noch ein kleines Zelt aufbauen und ein bisschen trainieren. Zwei bis drei Stunden übt sie jeden Tag. Meist mit dem Diabolo, aber auch Jonglage und Artistik. Seit der Gründung von Station Circus muss zudem viel Technisches und Organisatorisches bewältigt werden. «Zurzeit sitze ich viel am Rechner», gibt die Artistin zu. Das Training komme deshalb ein wenig zu kurz.

Mehrere Monate Arbeit für ein Abendprogramm

Ein Zirkusprogramm zusammenzustellen, ist immens viel Arbeit. In ein Abendprogramm fliessen unter Umständen mehrere Monate Vorbereitungszeit. Dazu kommen Licht, Ton, Werbung, Bar und vieles andere. Es gibt immer was zu tun.

«Ein, zwei Stunden mit einem Buch zurückziehen kann ich mich zwar schon auch mal», sagt die Artistin, doch ergebe sich die Gelegenheit selten. Auch Privatsphäre ist rar, obwohl längst nicht mehr alle Artisten im Zirkuswagen wohnen. Viele reisen herum, haben kurzfristige Engagements, wohnen im Hotel oder sind sesshaft.

«Das Team ist das A und O jedes Zirkusses»

Wer die ganze Saison bei einem Zirkus bleibt, wohnt und arbeitet auf engem Raum zusammen. «Das muss man mögen», sagt Weyeneth. «Und es hängt vieles davon ab. Das Team ist das A und O jedes Zirkusses».

Die Zirkusfamilie ist eine kleine und gleichzeitig eine grosse. Wenn die Artistin irgendwo hinkommt, trifft sie immer jemanden, den sie kennt. Und unterwegs ist sie viel, trotz der Niederlassung des «Station Circus» auf dem Basler Dreispitz. Im April ist sie in Israel aufgetreten, im Sommer wird sie wieder mit dem Zirkus FahrAway auf Tournee gehen.

Kleine Idylle am Sonntagmorgen: Sommerzeit ist Zirkuszeit, findet die Artistin Solvejg Weyeneth.

Kleine Idylle am Sonntagmorgen: Sommerzeit ist Zirkuszeit, findet die Artistin Solvejg Weyeneth. (Bild: Daniela Gschweng)

Ihr gefällt das unkomplizierte Verhältnis, das Zirkusleute untereinander haben. Es gebe viel Austausch. Partnerschaften hingegen könnten schon mal kompliziert werden, wenn ein Artistenpaar unterschiedliche Engagements habe. Schwierig wird es auch mit Kindern. Nur ein grosser Zirkus kann sich eine eigene Schule leisten.

«Zirkus ist eine Kunstform, die mit ihrer kleinen Welt zu den Leuten geht»

«Arbeiten kannst du als Zirkuskünstler eigentlich überall. Auf der Strasse, bei einem Zirkus, im Kabarett», erklärt Weyeneth «Gut ist es, wenn du bei einer Compagnie unterkommst.» Mit den Wagen durch die Dörfer ziehen, wie der traditionelle Zirkus es macht, mag sie sehr. «Zirkus ist eine Kunstform, die mit ihrer kleinen Welt zu den Leuten geht», findet sie.

Solvejg Weyeneth selbst stammt nicht aus einer Zirkusfamilie. Geboren wurde die Tochter eines Musikers 1989 im Emmental. Als sie das erste Mal einen Zirkus besuchte, war sie schon zehn. Mit 15 bewarb sie sich mit ihrem Diabolo beim Zirkus Chnopf, der speziell Jugendliche fördert. Danach war sie vier Jahre lang von Juni bis Oktober auf Tournee. Einen Monat vor Tourneebeginn begannen die Proben, den Schulunterricht gab es per Post.

«Ich hatte grosses Glück, dass mich meine Famile dabei immer unterstützt hat», sagt sie. 2010 begann sie ein Studium bei der Academy for Circus and Performance Art in Holland, studierte Fächer wie Akrobatik, Trampolin, Tanz und Dramaturgie. In den Ferien tourte sie mit «FahrAway» durch die Schweiz. Ganz kurz hat sie mal überlegt, ob sie eine handwerkliche Ausbildung machen soll. «Jetzt nicht mehr!», sagt sie und lacht. «Ich möchte mein Leben nicht anders haben.»

Geniesst das Leben beim Zirkus: Solvejg Weyeneth.

Geniesst das Leben beim Zirkus: Solvejg Weyeneth. (Bild: Daniela Gschweng)

Eine Zirkuskarriere erfordert viel Disziplin und Geduld. «Es dauert schon einige Jahre ständigen Trainings, bis man etwas kann», bescheinigt die Diabolo-Spezialistin. Körperlich fit bleiben sei dabei das Schwierigste. Wenn Solveijg Weyeneth mit ihrem Diabolo über die Bühne wirbelt, sehen die Wenigsten, wie viel Arbeit in der Nummer steckt, die nur wenige Minuten dauert.

«Zirkus geschieht im Moment. Vorher und nachher ist eigentlich Nichts»

Einen guten Artisten erkenne man nicht nur an brillanter Technik, sagt Solvejg Weyeneth. Sondern daran, ob er mit und beim Publikum ist. Daraus, ob er seine Geschichte glaubhaft erzählt und was er in den Augen der Zuschauer erschaffen kann. Da sei Zirkus ganz ähnlich wie die Performancekunst. Am Ende zähle nur der Moment. «Vorher und nachher ist eigentlich Nichts», sinniert sie.

Und: Wer von der Schaustellkunst leben will, muss «dranbleiben»: Beziehungen knüpfen, Auftrittsmöglichkeiten abklappern, neue Nummern zusammenstellen, und üben, üben, üben. Ausser, er oder sie ist sehr gut. «Darauf, dass die Leute hier reihenweise anrufen, warte ich noch», witzelt sie.

Reich werde man beim Zirkus nicht, aber man könne davon leben, bestätigt sie. Auch lange? «Eine Artistenkarriere ist begrenzt, das ist schon richtig», sagt Weyeneth dazu. Sie selbst hat Glück, mit dem Diabolo sollte sie bis ins hohe Alter arbeiten können. Und wenn nicht, kämen andere Aufgaben für sie in Frage. Regie führen zum Beispiel. Oder ausbilden.

Die «Station Circus» haben sechs Leute gegründet. Das Zirkusprojekt soll dem Publikum den modernen Zirkus näherbringen und den Zirkuskünstlern eine Plattform bieten. «Wie fast alles, was wir machen, war das eine sehr spontane Idee», sagt sie. Deshalb sei man mit dem Papierkram auch noch etwas hinterher.

Bis zum Herbst wird das grosse Zirkuszelt noch auf dem Dreispitz stehen. Als nächstes auf dem Programm steht die monatliche Veranstaltung «Jeudi Cirque» am 25. Juni, bei der man Solvejg Weyeneth und ihr Diabolo live erleben kann.

Nächster Artikel