Die Artenvielfalt der Schweizer Kunst

Caspar Wolf, Ferdinand Hodler oder Giovanni Giacometti – die Schweizer Künstlerwelt wird oft auf eine Handvoll Namen reduziert. Zu Unrecht, wie die Ausstellung «Stille Reserven» zeigt. Für einmal steht das kreative Umfeld der grossen Namen im Fokus.

Die Väter der Ausstellung: Peter Suter und Thomas Schmutz haben «Stille Reserven» ins Leben gerufen. (Bild: Annabarbara Gysel)

Caspar Wolf, Ferdinand Hodler oder Giovanni Giacometti – die Schweizer Künstlerwelt wird oft auf eine Handvoll Namen reduziert. Zu Unrecht, wie die Ausstellung «Stille Reserven» zeigt. Für einmal steht das kreative Umfeld der grossen Namen im Fokus.

Bereits im ersten Raum drängt sich der Verdacht auf, dass «Stille Reserven – Schweizer Malerei 1850 bis 1950» keine herkömmliche Ausstellung ist. Der Betrachter sieht sich einer Reihe von Selbstbildnissen gegenüber, sie zeigen 19 Männer und eine Frau. Der Kenner erspäht sogleich die Gesichter von Ferdinand Hodler oder Karl Ballmer. Doch, wer sind die anderen? Jegliche Bildlegenden fehlen, die Gemälde werden lediglich von unauffälligen Nummern geziert.

Eine durchdachte Absicht, wie Kurator Peter Suter erklärt: «Der Besucher soll durch das Betrachten entscheiden, was ihn interessiert. Und nicht durch das Label.» In «Stille Reserven» gehe es nicht um grosse Namen und das Zelebrieren von Meisterleistungen, sondern um die ganze Breite der künstlerischen Produktion in der Schweiz des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Artenvielfalt der Schweizer Kunst

Dafür hat der Basler Künstler, Autor und Sammler Peter Suter dem Aargauer Kunsthaus seine in den letzten 40 Jahren zusammengetragenen Werke zur Verfügung gestellt. Zusammen mit Thomas Schmutz, Kurator des Kunsthauses, entwickelte er eine vielfältige Ausstellung, angereichert mit Schlüsselwerken aus dem Kunsthaus-Fundus. «Die Schweizer Malerei wird immer auf fünf bis sechs Maler reduziert», sagt Suter. Dabei wäre die Artenvielfalt enorm. Und auf genau diese Vielfalt soll «Stille Reserven» aufmerksam machen.

Ein vergnügliches Seherlebnis ist garantiert, denn für einmal vermischen sich berühmte und unbekannte Maler, erhabene und banale Motive. In Vergessenheit geratene Werke werden neu wahrgenommen, und auch bekannte Gemälde zeigen sich in dieser ungewöhnlichen Kombination von einer neuen Seite.

Kann sich der Besucher von den faszinierenden Selbstporträts lösen und schlendert weiter durch die Räumlichkeiten des Kunsthauses, trifft er auf weitere faszinierende Bilderreihen. Geordnet sind sie nicht nach Stilrichtung oder Künstler, sondern nach Motiven und formalen Kriterien.

Fisch und Vogel

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts verspürten viele Künstler den Wunsch, nicht mehr nur Bilder mit reiner Abbildfunktion zu schaffen. Doch der Weg bis hin zur Ungegenständlichkeit ist nicht ohne Vorstufen möglich. Das Hausmotiv bot gute Möglichkeiten für erste Abstrahierungen. Entsprechend beschäftigt sich eine Bilderreihe mit dem Thema «Häuser». Die vielfältigen Tierdarstellungen werden unter «Fisch und Vogel» zusammengefasst, von der Wiedergabe ungezähmter animalischer Macht hin zur verniedlichenden Schosstierhaltung.

Berge sind das Symbol der Nation schlechthin und sind aus der Schweizer Kunst nicht mehr wegzudenken. Das Motiv nimmt einen besonderen Stellenwert ein, daher ist ihm auch der grösste Ausstellungsraum gewidmet. Weitere Themen sind «von oben nach unten», «Niemandsland», «Rabenschwarz» oder «Scham».

Stille Reserven
Die Ausstellung «Stille Reserven – Schweizer Malerei 1850 bis 1950» ist noch bis am 28. April im Aargauer Kunsthaus zu sehen. Weitere Informationen zu Öffnungszeiten und Eintrittspreisen auf www.aargauerkunsthaus.ch

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