Während seine Werke an der Art Basel gehandelt werden, inszeniert der britische Künstler Jonathan Monk im Kunsthaus Baselland die wohl kostengünstigste Ausstellung seiner Karriere.
«More courage» hat Jonathan Monk mit seiner Ausstellung im Kunsthaus Baselland bewiesen.
(Bild: Alexander Preobrajenski)
Die meisten der Bilder gehen nahtlos ineinander über.
(Bild: Alexander Preobrajenski)Manche Details sind Jonathan Monk aber doch wichtig.
(Bild: Alexander Preobrajenski)Überschneidungen wie deas Hinterrad des Velos zum Beispiel.
(Bild: Alexander Preobrajenski)Wichtig ist auch der Betrachter im Raum – er ist im Werk mitgedacht.
(Bild: Alexander Preobrajenski)Mit Erwartungen ist es so eine Sache. Ziemlich oft ist man froh, wenn sie sich nicht erfüllen. Wär ja auch langweilig.
Mit der Ausstellung, die Jonathan Monk im Kunsthaus Baselland eingerichtet hat, verhält es sich genauso. Nicht dass die Arbeiten des Briten langweilig wären – oh nein! Aber das, was Monk hier ausprobiert, wird sicherlich mehr zu reden geben als so ziemlich jede andere seiner Ausstellungen. Warum wir das behaupten können? Weil die Schau auf einem USB-Stick Platz hat.
Fangen wir vorne an.
Kleines Budget, grosse Wirkung
Jonathan Monk, geboren 1969 in Leicester, heute wohnhaft in Berlin und Rom, macht seit bald dreissig Jahren Kunst. Er darf sich das Label «international renommierter» Künstler anheften – zahlreiche Ausstellungen in Institutionen rund um den Globus zeugen davon, und an der Art Basel wird er nicht nur von einer, sondern gleich von vier Galerien vertreten.
Das Kunsthaus Baselland verlängert nun seine Präsenz in der Stadt aus dem Messegelände heraus bis nach Muttenz. Während der Art Basel im Raum Basel eine institutionelle Ausstellung zu haben, das ist nicht schlecht! Man stelle sich vor: Kommt ein potenzieller Käufer an den Messestand, sagt der Galerist: «Sie wollen noch mehr Werke von Jonathan Monk sehen? Fahren wir doch rasch ins Kunsthaus Baselland!»
Denkste, so einfach macht Monk es euch nicht.
«Tatsächlich wollte ich hier zuerst Werke von mir zeigen, die in früheren Jahren an der Art Basel keinen Käufer fanden», erzählt er. «Zeigen, dass das Messe-System eben nicht immer funktioniert.» Fragen aufwerfen. Zum Beispiel jene, woran das liegt, wenn ein Werk an der weltweit wichtigsten Kunstmesse keinen Käufer findet. Ist das Werk dann schlecht? Oder gar der Künstler? Oder hat die Messe versagt?
Beim weiteren Planen rückten allerdings ganz andere Fragen in den Vordergrund. Jene nach der Finanzierung zum Beispiel. Das Kunsthaus Baselland verfügt über ein sehr kleines Budget – all die gewünschten Werke hierher zu schaffen, den Transport, den Zoll dafür zu zahlen, das hätte die Ausstellungskasse bei Weitem gesprengt.
«Klar hätten wir das Geld dafür irgendwo auftreiben können», sagt Monk. Drittmittel akquirieren – bei seinem Namen wäre das bestimmt gelungen. Doch stattdessen entschied sich der Künstler anders: Machen wir eine billige Ausstellung, fand er. Und die kostengünstigste Lösung war: keine Werke herbringen. Sondern nur deren Reproduktionen.
Fast eine Retrospektive
«Ich wollte eine Ausstellung machen, die sich auf einem USB-Stick transportieren lässt», sagt der 47-Jährige. Also suchte er Fotos zusammen von früheren Ausstellungen in Malaga, Tokio oder Paris, liess sie auf Tapete drucken («Ich bin Engländer – wir lieben Tapeten!») – und tapezierte damit 400 Quadratmeter Wandfläche im Untergeschoss des Kunsthauses Baselland. Zuerst hätte er sogar nur Fotokopien an die Wänden pappen wollen, sagt er. «Das hätte mich auch sehr gereizt, dieser improvisierte Charakter.»
Nichts als Tapeten. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Kein einziges Objekt ist nun also hier. Kein Bild, kein Film, keine Installation. Nichts, was sich verkaufen lässt. Nur schwarzweisse Fotos an den Wänden von ansonsten leeren Räumen. Das hätte sicher niemand erwartet. Doch das kümmert Monk nicht: «Ich denke nicht darüber nach, was Leute erwarten.» Er macht, worauf er Lust hat.
Normalerweise liebt er es, mit anderen Künstlern zusammenzuarbeiten. Oder sich auf sie zu beziehen. Er nimmt Werke aus dem kunstgeschichtlichen Kontext, gerne aus Minimal Art oder Konzeptkunst, eignet sich diese an und fügt sie ins eigene Werk ein.
Hier nun ist es eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Schaffen, die fast die Form einer Retrospektive annimmt. Eine Dokumentation, wenn man so will. Da ist zum Beispiel seine bekannte «Deflated Sculpture», ein Jeff-Koons-Hase, dem die Luft ausgeht – nur halt nicht aus dem originalen Stahl, sondern als grossformatige Fotografie.
Zum ersten Mal überhaupt habe er ein Modell eines Ortes hergestellt, um darin die Ausstellung im Kleinformat zu testen: «Sonst bin ich mit meinen Werken immer vor Ort und richte sie dort so ein, wie ich es haben möchte.» Mit den Tapeten war das nicht möglich – hier muss schon von Anfang an millimetergenau geklebt werden, damit am Ende der Wand nicht zentimetergrosse Verschiebungen resultieren.
Details sind wichtig
Trotzdem gibt es an einigen Stellen diese kleinen Verzerrungen, dort, wo eine Tapetenbahn auf die nächste trifft: Der Rahmen des Velos hat plötzlich einen Hick drin. Manche Verschiebungen sind vom Künstler aber auch geplant. Er spielt mit den unterschiedlichen Raumebenen – mit dem echten Raum und mit den Räumen in den Fotos, die er derart zusammenbringt, dass beispielsweise die eine fotografierte Treppe die reale Treppe des Kunsthauses aufnimmt oder die Kante zwischen Wand und Boden von einem Foto zum nächsten eine einzige Linie bildet.
Betrachterin betrachtet Betrachter beim Betrachten. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Monk will, dass man genau hinsieht, diese Details sind ihm wichtig. «Natürlich kann man auch einfach in den Räumen herumschlendern und das Ganze auf sich wirken lassen», sagt er. So, wie man das auch an der Art Basel machen kann – die er übrigens am liebsten ausserhalb der Öffnungszeiten besucht, wenn kein Mensch drin ist, sondern nur er und die viele Kunst. Ein Privileg, das ein teilnehmender Künstler an der Messe geniesst.
In seiner Ausstellung aber hätte er es schon lieber anders. Ihn interessiert die Interaktion, die sich zwischen den Besuchern und den Fotos ergibt. «Eines meiner liebsten Erlebnisse beim Aufbau war, als der Mann, der die Tapete klebte, mit dem Schwamm über den weissen Rolls-Royce wischte. Es sah aus, als würde er ihn waschen», erzählt er und lacht. Und ist damit eigentlich bereits zufrieden.
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Jonathan Monk: «Exhibit Model 1», Kunsthaus Baselland, 27. Mai bis 17. Juli 2016. www.kunsthausbaselland.ch