Es gibt Leute, die beklagen sich, dass die Art Basel nur mit viel Geld und mit Basel gar nichts zu tun hat. Die Ausnahmen zu dieser Regel haben wir beim Art Parcours und im Kunstmuseum gefunden.
Die «Basler Zeitung» brachte das Vorurteil von der abgehobenen Kunstmesse auf den Punkt: Zum Auftakt der Art-Woche listete sie auf einer ganzen Seite fast ausschliesslich Events auf, zu denen nur handverlesene VIPs Zugang haben. Es geht aber auch anders. Es gibt nämlich viele Orte in Basel, wo man sich an der Art-Woche ohne Eintrag auf einer Guestlist, ohne Anmeldung und sogar ohne Eintritt zu bezahlen von Kunst überraschen lassen kann.
Toter Baum, mächtig und auch wieder nicht: «Iron Tree» von Ai Weiwei auf dem Münsterplatz. (Bild: Dominique Spirgi)
Im Solitude-Park vor dem Museum Tinguely zum Beispiel. Dort hat sich zu den angestammten Plastiken von Tinguely, Luginbühl und Niki de Saint Phalle ein eindrücklicher Betonlaster gesellt, den der belgische Künstler Wim Delvoye in eine filigrane, fahrbare gotische Kapelle umgewandelt hat. (Zu diesem Künstler, der im Museum auch weniger Filigranes präsentiert, später mehr auf dieser Seite.)
Der siebte Bürger von Calais
Alte Bekannte am gewohnten Ort: Rodins «Die Bürger von Calais» im Hof des Kunstmuseum-Hauptbaus. (Bild: Dominique Spirgi)
Oder im Hof des Kunstmuseums. Dort trifft man auf Rodins altbekannte «Bürger von Calais». Die sind zwar immer hier und immer gratis zu betrachten, doch wir wollen den Parcours hier beginnen. Und zwar den offiziellen, von der grossen Kunstmesse präsentierten Art Parcours, der dieses Jahr erneut an wunderbare Orte führt, wo es zum Teil auch wunderbare Kunstwerke zu entdecken gibt.
Aber warum nun bei der berühmten Rodin-Gruppe? Weil man nicht allzu weit davon auf einen siebten Bürger von Calais trifft. Konkret auf eine überlebensgrosse Marmorskulptur des Iraners Reza Aramesh vor dem Zivilgericht an der Bäumleingasse. Die Augen verbunden und mit einem Seil gefesselt steht dieser Mann ebenso verloren vor dem imposanten Gerichtsgebäude wie Rodins Bürger vor dem Kunstmuseum.
Da staunen die alten Herren: zeitgenössische Marmorskulptur von Reza Aramesh in Gegenwart antiker Plastiken. (Bild: Dominique Spirgi)
Eine zweite Skulptur von Aramesh steht im Skulpturensaal des Antikenmuseums. Ein athletischer Mann in Unterhose, skeptisch beäugt von den antiken Büsten alter Männer.
Montags geöffnet
Wenn dieser Text erscheint, wird es zwar nicht mehr Montag sein. Aber der Art Parcours sorgte dafür, dass die Museen für einmal schon zu Wochenbeginn offen waren: das Antikenmuseum, das Naturhistorische Museum und das Museum der Kulturen. Das Kunstmuseum auch, aber dort muss man ein Ticket lösen, um die ausgesprochen sehenswerten aktuellen Sonderausstellungen besuchen zu können.
Parcours-Kurator Samuel Leuenberger beweist ein gutes Gespür, Verbindungen zwischen den Orten der Präsentation und den Werken zu schaffen. Bei «Schlachtfeld/Alterswerk» von Miriam Cahn zum Beispiel.
«Schlachtfeld/Alterswerk» von Miriam Cahn im Museum der Kulturen. (Bild: Dominique Spirgi)
Die bekannte Basler Künstlerin, die derzeit auch an der Documenta in Kassel einen fulminanten Auftritt hat, hat in einem Saal des Museums eine Gruppe von bearbeiteten Baumstämmen so gruppiert, dass sie an gestrandete Bootsflüchtlinge erinnern. Gleichzeitig ist im Museum eine Ausstellung mit dem Titel «Migration» zu sehen. «Wie wenn das inhaltlich abgesprochen worden wäre», freut sich Museumsdirektorin Anna Schmid.
Prächtige Höfe, verwunschene Gärten
Und Leuenberger lässt Orte bespielen, deren Besuch allein schon eine kleine Reise wert ist. Den lauschigen Hof des Hauses Zum Fälklein am Stapfelberg zum Beispiel. Der kopflose Hirschkadaver aus Eisen («My Deer») von Berlinde de Bruyckere ist ein eindrückliches Werk, aber zuerst werden die Blicke vom reizenden barocken Meerweibchenbrunnen und den schönen Fachwerkfassaden angezogen.
Ähnlich ergeht es einem, wenn man den verwunschenen Garten der Lesegesellschaft betritt. Ein wunderbarer Ort auch nur zum Verweilen. Oder sich dann zu fragen, was es mit den Sandbrüsten auf der Brüstung und auf dem Gartentisch auf sich hat. «City Lights (Dead Horse Bay)» heisst das Werk von Lena Henke.
Und natürlich ist der Münsterplatz selber eine phantastische Umgebung für ein Kunstwerk. Dieses Jahr ist der chinesische Superstar Au Weiwei mit seinem monumentalen «Iron Tree» an der Reihe. Neben dem Münster wiederum wirkt das Werk aber gar nicht so monumental. Erst wenn man unmittelbar vor ihm steht: ein riesiger Baum, der all seinen Schmuck verloren hat. Durch einen Blitzeinschlag? Einst verbrannten die Reformatoren auf dem Platz den Kirchenschmuck des Münsters…
Zum Schluss ein Gläschen Armangnac
Weiter gehts den Rheinsprung runter. Mit einem Abstecher in die Elfdausigjumpferestube, wo sich Seltsames abspielt. Eine Zombiekatze soll mit Plüschtieren gezähmt werden, nachdem sich zuvor eine Gruppe von Dr. Jekylls in Laborversuchen in Mister Hydes verwandelt hat. Oder so. Konkret handelt es sich um die Doppelperformance «The Green Room & Science Lab» von Marvin Daye Chetwynd.
«Bitte bedienen Sie sich»: Ein Gläschen Armagnac zur Kunstinstallation «The secret life of things is open» von Wu Tsang im Club de Bâle. (Bild: Dominique Spirgi)
Zum Schluss gibts dann in einem Nebenraum des Club de Bâle einen Moment der Entspannung. In der Installation «The secret life of things is open» von Wu Tsang. Die Künstlerin hat ein gediegenes Wohnzimmer eingerichtet mit Ledersofa, Bücherwand, Bildern an den Wänden sowie zwei Hochformat-Bildschirmen, auf denen zwei gleichzeitig sprechende Menschen zu sehen sind. Neben dem Sofa steht ein Beistelltischchen mit einer Flasche Armagnac drauf, samt Gläsern und der Aufforderung «Bitte bedienen Sie sich».
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Art Parcours. Bis Sonntag, 18. Juni, auf dem Münsterhügel zwischen St. Alban-Vorstadt und Schifflände. Am Samstag, 17. Juni, ist Parcours Night mit verschiedenen Performances. Die Parcours-Führer mit Plan liegen bei allen Werken auf.