Gewisse Werke von Gina Folly brauchen fürsorgliche Pflege: In der Kunsthalle Basel und im Kunsthaus Baselland zeigt die junge Künstlerin während der Regionale neben einer Arbeit mit Fotografien auf aufgehängten Badetüchern zwei Installationen mit Pflanzen.
Beim Treffen mit dem Fotografen in der Kunsthalle Basel greift Gina Folly sogleich nach einer der am Boden stehenden Petflaschen, um den Pflänzchen Wasser zu geben. 20 Jungpflanzen sind es – ein Rettich, eine Bohnenart, Bambus, Ingwer, eine Physalis und exotisch wirkende Sukkulenten. Die 30-jährige Künstlerin hat sie für ihre Installation «Untitled (Edamame, Daikon, Bambus, Physalis peruviana, Cactaceae, Lithops, Horenso)» auf zwei filigranen Sockeltischen zusammengestellt.
Wie sie konzentriert aus der grossen Flasche Wasser in die kleinen und ausgesprochen dünnwandigen Gläser giesst, das gibt ein gutes Fotomotiv ab. Es ist aber mehr als ein Posieren vor dem Fotografen. Denn das dreidimensionale Stillleben ist keine Nature morte, wie diese Kunstform auf Französisch bezeichnet wird, sondern eine Installation mit lebenden Pflänzchen, die man hegen und pflegen muss – was die Schöpferin des Werks bei ihren regelmässigen Besuchen der Ausstellung auch tut.
«Auf dem Pflanzentrip»
«Momentan bin ich auf Entdeckungsreise in der Botanik», sagt Gina Folly mit einem sympathischen Lächeln, aus dem auch ein Quäntchen Selbstironie herauszulesen ist. Sie spricht damit die Tatsache an, dass es an der aktuellen Regionale noch eine zweite Pflanzenarbeit von ihr zu entdecken gibt. Ein paar Kilometer südöstlich der Kunsthalle, im Kunsthaus Baselland, steht bzw. hängt nämlich in einem kleinen Tontopf ein weiteres Pflänzchen aus Gina Follys Kunstkosmos: eines mit dem seltsamen Namen Elefantenohr.
«Untitled (Haemathus albifilos, Suite)» heisst das Werk, das im langgezogenen Seitenflügel des Kunsthauses viel Platz hat. Der Begriff «Suite» im Titel weist darauf hin, dass dieses Pflänzchen nicht allein von Luft, Licht und Wasser (das ebenfalls in Petflaschen bereitsteht) leben muss, sondern zusätzlich von leisen Geräuschen und feiner Musik umgeben ist: Dschungelgeräusche berieseln im Wechsel mit afrikanischen Gesängen und zeitgenössischen elektronischen Kompositionen die Pflanze, deren fleischige Blätter sinnigerweise die Form von Ohren haben. Mit der Auswahl der Musik hat Gina Folly den Komponisten Stephen Lumenta beauftragt.
Eindrücke einer Japan-Reise
Die Idee zu diesen beiden Pflanzeninstallationen hat Folly nach eigenen Angaben von einer Japanreise mit nach Hause gebracht. Zuhause ist die Künstlerin in Basel, wo ihr Atelier liegt, und in Zürich, wo sie seit 2011 an der Hochschule der Künste ihren Master of Fine Arts vorbereitet. In Japan seien Pflanzengruppen dieser Art oft anzutreffen, sagt sie – meist eben flankiert mit wassergefüllten Petflaschen, damit man sie jederzeit giessen kann.
Aber nicht nur die Inspiration, auch die Pflanzensamen und die mundgeblasenen, schlichten Gläser, in die sie die Pflänzchen der Installation in der Kunsthalle gesetzt hat, stammen aus Japan. «Der Zöllner staunte, als er in meinem Gepäck die vielen unterschiedlich grossen Gläser sah», erzählt sie. Er habe sie dann aber mit der Bemerkung, dass die ja wahrscheinlich keinen so grossen Wert hätten, durchgewunken. Sagt sie mit einem Schmunzeln, das vermuten lässt, dass der Zöllner mit diesem Eindruck vielleicht nicht ganz so richtig lag.
Domestizierung der Natur
Aus Gina Follys Arbeiten spricht auf der einen Seite eine spürbare Zuneigung zur Natur – «ich habe die Liebe zu Pflanzen von meiner Mutter vererbt bekommen», sagt sie. Auf der anderen Seite sind die Installationen auch Abbilder der Art und Weise, wie der Mensch die Natur im urbanen Umfeld domestiziert, wie er Pflanzen aus ihrer natürlichen Umgebung herausnimmt und sie in einem künstlichen Umfeld neu inszeniert. Es ist aber, wenn überhaupt, eine ausgesprochen feine und hintersinnige Kritik, die aus diesen Werken spricht. Denn für ein gestrenges Plädoyer für die artgerechte Haltung von Pflanzen sind die Installationen viel zu schön und zu harmonisch. «Es ist schliesslich auch nur schwer möglich, mit Pflanzen ein Werk zu kreieren, das nicht schön ist», sagt Folly.
Ihren Arbeiten liegen meistens Fotografien zu Grunde. Fotografin ist auch der Beruf, den sie erlernt hatte, bevor sie ihr Kunststudium ergriff, und den sie neben ihrer künstlerischen Tätigkeit noch immer ausübt. Klassische Fotokunstwerke, also Bilder, die gerahmt und an Wände gehängt werden können, findet man in ihrem Œuvre aber nicht. Zumindest noch nicht, denn das sei zu nahe an ihrer kommerziellen fotografischen Arbeit. Aber die Kamera ist stets dabei, wenn sie unterwegs ist. Mit ihr hält sie ihre Eindrücke fest, die später in einem Kunstwerk ihren Ausdruck finden.
Abbild und Raum
Dennoch sind in Gina Follys Werk durchaus auch Fotografien zu finden. Zum Beispiel in der Installation «Imagine the space between your hand and what it holds, #1-#5», die im Oberlichtsaal der Kunsthalle zu sehen ist. Sie besteht aus Schwarzweiss-Fotos von jungen zeichnenden Menschen, die sie von einem Online-Geschenkshop auf Badetücher drucken liess und über unterschiedlich dimensionierte Metallgestelle gehängt hat – Gestelle, die sie übrigens speziell für die Präsentation des Werks in der Kunsthalle selber zusammengeschweisst hat. Die Tücher vermitteln den Eindruck, als hätten sich die Abbilder der Menschen, die sich einst zeichnend auf ihnen niederlassen hatten, in ihnen eingebrannt.
Blick in den Oberlichtsaal der Kunsthalle Basel mit Gina Follys Werk im Vordergrund. Foto: Gunnar Meier (Bild: Gunnar Meier)
Gefunden hat Gina Folly die Bilder in einem Fotoband des grossen Schweizer Fotografen Gotthard Schuh. Ein Zufallsfund, wie sie erklärt. Denn eigentlich sei sie auf der Suche nach Abbildern von Tieren gewesen, weshalb sie zu Schuhs Fotoband «Tiermütter im Zoo» gegriffen habe. Auf den ersten und letzten Seiten des Buches, das, wie aus dem Titel klar hervorgeht, in erster Linie Tierbilder enthält, habe sie dann die Bilder der zeichnenden Menschen gefunden, die sie zu diesem Werk inspiriert hätten. Und die Arbeit mit den Tierbildern wurde spontan hintangestellt.
Nicht immer der direkte Weg
Die Geschichte, wie die Installation im Oberlichtsaal der Kunsthalle entstanden ist, sagt einiges über die Arbeitsweise von Gina Folly aus. «Ich gehe nicht streng konzeptionell an meine Werke heran», sagt sie. Sie entwerfe zwar schon Konzepte, könne diese aber auch wieder über Bord werfen. «Es ist nicht selten so, dass das, was ich ursprünglich im Kopf mit mir herumtrage, am Schluss anders herauskommt.» Dies trifft letztlich auch auf ihre Pflanzeninstallationen zu, denn die Schöpferin des Werks konnte ja nicht exakt voraussehen, wie sich die Pflänzchen entwickeln würden.
Umso mehr freut sie sich darüber, dass sie zumindest in der Kunsthalle prächtig gedeihen, während das im Grossen und Ganzen gesund wirkende Elefantenohr im Kunsthaus Baselland an einem seiner Blätter leicht gelbliche Verfärbungen zeigt. «Ich bin keine Botanikerin, ich kann also nicht sagen, was der Grund für diese Verfärbung ist – vielleicht ist es ja eine ganz normale Entwicklung», sagt sie.
Mit dem Elefantenohr wird sich Gina Folly übriges noch etwas beschäftigen müssen. Denn das Werk wurde – völlig unerwartet, wie sie betont – vom Kunstkredit Baselland angekauft. «Mit dem Ankauf dieses Werks ist nun eine Art der Verantwortung dafür verbunden», sagt Gina Folly, «denn man kann die Pflanze ja schliesslich nicht einfach in einen dunklen Lagerraum stellen.» Das bedeutet unter dem Strich, dass die Arbeit an «Untitled (Haemathus albifilos, Suite)» – getreu der Devise, dass es letztlich eben anders herauskommen kann als gedacht – noch nicht ganz beendet ist. «Ich denke, dass ich eine Dokumentation nachliefern muss, die eine Anleitung zur Pflege des Werks beinhaltet.»
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Regionale 14, bis 5. Januar 2014. Diverse Orte, Detailinfos unter www.regionale.org. Gina Folly stellt in der Kunsthalle Basel und im Kunsthaus Baselland aus.
Die TagesWoche porträtiert während der Ausstellungsdauer der Regionale 14 mehrere junge Künstler und Künstlerinnen. Bereits erschienen: Raphael Stucky, Florine Leoni, Clare Kenny, Simon Krebs.