Die Einschaltung der Finanzkontrolle war ein «normaler Vorgang»

Wer trägt die Verantwortung? Wurde zu spät reagiert? Hat das Controlling versagt? Und vor allem: Wie geht es nun weiter? Kulturchef Philippe Bischof nimmt Stellung zum Finanzfiasko im Historischen Museum.

Das Museumsgesetz erschwert ein besseres Controlling – deshalb will Kulturchef Philippe Bischof nicht zwingend daran festhalten.

(Bild: Montage: Hans-Jörg Walter)

Wer trägt die Verantwortung? Wurde zu spät reagiert? Hat das Controlling versagt? Und vor allem: Wie geht es nun weiter? Kulturchef Philippe Bischof nimmt Stellung zum Finanzfiasko im Historischen Museum.

Im Zusammenhang mit dem Finanzfiasko im Historischen Museum Basel (HMB) durch die ehemalige Direktorin Marie-Paule Jungblut sind bislang einige Fragen offen geblieben – vorgängig jene nach den Kontrollmechanismen und der Verantwortlichkeit. Wir haben nach Antworten geforscht und Philippe Bischof, Leiter der Abteilung Kultur im Präsidialdepartement, mit den drängendsten Fragen konfrontiert. Die Antworten klingen technisch, sind aber auch aufschlussreich.

1. Auf welcher rechtlichen Grundlage werden die Basler Museen betrieben?

Die Basler Museen sind Dienststellen des Kantons, deren Betrieb durch das Museumsgesetz geregelt wird. Dieses garantiert ihnen ein Globalbudget und die «inhaltliche, organisatorische, personelle und finanzielle Selbstständigkeit» innerhalb der kantonalen Gesetze (§6). Ebenfalls im Museumsgesetz (§11) festgeschrieben ist die Möglichkeit der Kreditübertragung beziehungsweise das sogenannte Bonus-Malus-System (siehe Box).

2. Welche Kontrollmechanismen existieren im finanziellen Bereich?

Ausgehend vom Jahresbudget, das vom Departement geprüft und vom Grossen Rat bewilligt wird, erstellen alle Dienststellen dreimal jährlich einen sogenannten Tertialbericht, den die Museumsdirektion und die kaufmännische Direktion verantworten. Die museumsinterne Budgetkontrolle untersteht ebenfalls diesen beiden Funktionen. Am Ende eines Jahres gibt es den Jahresbericht, der vom Departement, der Regierung und vom Grossen Rat abgenommen wird.

3. Haben diese Zwischenberichte des HMB beim Departement nicht die Alarmglocken schrillen lassen?

Nein, nicht bis zu jenem Zwischenbericht von Ende November 2015, sagt Philippe Bischof. «Und selbst wenn diese Berichte Schwankungen aufweisen, muss dies nicht zwingend ein Zeichen für Missstände sein, weil es eben dieses Bonus-Malus-System und ausstehende Drittmittelzahlungen gibt.» Das Historische Museum Basel verfügte laut Finanzkontrollbericht am 31. August 2015 über Rücklagen für Sonderausstellungen in Höhe von 568’000 Franken. Das Defizit von 742’400 Franken Ende 2015 (darin ist auch die Abgangsentschädigung für Marie-Paule Jungblut enthalten) wird dadurch weitgehend aufgefangen, es gibt also heute kein bestehendes Budgetloch in dieser Höhe und auch keine zusätzliche Beanspruchung von Steuergeldern. Fakt ist aber, dass das Museum deshalb ohne Mittel für Sonderausstellungen dasteht, weil alle Rückstellungen aufgebraucht sind. Das Museum schloss also 2015 mit einem Defizit, dessen grösster Teil durch die Auflösung von Rücklagen abgefangen werden konnte, hat aber für 2016 nur noch einen begrenzten Spielraum im bestehenden Budgetrahmen.

4. Wird es in den nächsten zwei Jahren im Historischen Museum also keine Sonderausstellungen geben?

Die bereits geplanten Sonderausstellungen werden bis auf Weiteres realisiert, aktuell gerade die Erasmus-Ausstellung. «Das Budget für 2016 wurde seit dem Abgang von Marie-Paule Jungblut bereinigt, weitere Einsparungen zu prüfen und zu realisieren haben wir der interimistischen Direktion in Auftrag gegeben», sagt Bischof. «Allerdings werden dabei jegliche Personalmassnahmen strikte ausgeschlossen. Gestrichen oder gekürzt wurden etwa noch von Frau Jungblut geplante Vorhaben in den Bereichen der Gestaltung von Ausstellungsarchitektur und Werbemitteln. Insgesamt wurde die Vergabe von Aufträgen an Firmen oder Personen im Ausland gestoppt, wodurch Mehrwertsteuerabgaben vermieden werden können. Auch wurden die einzelnen Projekte wo möglich redimensioniert und externalisierte Aufgaben wieder ins Museum zurückgeholt.»

5. Warum wurde im September 2015 die Finanzkontrolle eingeschaltet?

«Die Prüfung der Museumsrechnung von August 2015 durch die Finanzkontrolle war ein Auftrag, den wir erteilt haben, weil es auf Leitungsebene einen Wechsel gab», sagt Bischof. «Wir wollten für die interimistische Direktorin Gudrun Piller klare Verhältnisse schaffen. Dies ist ein ganz normaler Vorgang beim Wechsel der Leitung einer Dienststelle oder einer Museumsdirektion. Wir hatten zu jenem Zeitpunkt keine Verdachtsmomente hinsichtlich der finanziellen Situation, zumal die Rechnungen der Jahre 2013 und 2014 ausgeglichen oder sogar positiv gewesen waren.»

6. Das HMB hat also gar keine Geldprobleme?

«Natürlich hat das HMB ein Problem, da in der Ära Jungblut alle Reserven aufgebraucht wurden und damit auch alle Mittel für Ausstellungen aufgebraucht sind. Aber das Museum kann seinen Tagesbetrieb führen und der Personalbestand ist gesichert», sagt Bischof. Mit Blick nach vorne ging es der Abteilung Kultur beziehungsweise der interimistischen Direktion darum, die Fehler im Projektmanagement der ehemaligen Direktorin, wie sie die Finanzkontrolle moniert hat, vollständig zu beheben: fehlende schriftliche Verträge, Aufträge an befreundete Personen, Mängel bei den Ablaufprozessen und fehlende Budgetkontrollen, fehlende Konkurrenzofferten, keine vollständigen Controlling-Vorlagen für Projekte. Der Bericht der Finanzkontrolle hat diese Mängel im Detail aufgelistet, ebenso die Verantwortlichkeiten dazu und die empfohlenen Massnahmen. «Bis auf eine Massnahme sind inzwischen alle umgesetzt, da hat Frau Piller mit ihrem Team ausgezeichnete Arbeit geleistet», sagt Bischof. Verwaltungsleiter Matthias Gnehm, der das Budget 2015 und 2016 zusammen mit Marie-Paule Jungblut verantwortete, hat auf Ende Juni 2016 gekündigt und verlässt das Museum.

7. War die Abteilung Kultur inhaltlich zufrieden mit der Leistung Marie-Paule Jungbluts?

«Sie hat zweifellos ihre Verdienste, zum Beispiel im Bereich der sozialen Medien. Auch hat sie das Haus für neue Zielgruppen geöffnet und neue Projekte lanciert – zu viele, muss man jetzt leider sagen. Zur Qualität von Ausstellungen und der Arbeit von Museumsdirektoren äussere ich mich aber nicht öffentlich», sagt Bischof.

8. Hat Marie-Paule Jungblut zu wenig Drittmittel erwirtschaftet?

Da die Frequenz der Projekte durch Marie-Paule Jungblut auf eigene Entscheidung mehr als verdreifacht wurde – neben Sonderausstellungen kamen aufwendige Nebenprojekte wie beispielsweise die Ausarbeitung eines Computerspiels dazu –, hätte sie auch die Drittmittel massiv steigern müssen. «Das hat sie aber nicht ausreichend geschafft und offensichtlich zu optimistisch geplant», meint Bischof.

9. Hätte der Abteilungsleiter Kultur früher eingreifen müssen?

«Es gab bis Herbst 2015 wie gesagt keine Anzeichen dafür, dass wir auf finanzieller Ebene hätten eingreifen müssen», sagt Bischof. Als die Hinweise auf Missstände vor allem im personellen Bereich konkret benannt und schriftlich deponiert wurden, habe man die nötigen Massnahmen ergriffen in Form von Coachings, Gesprächen und Verweisen, später kam es dann zur Trennung.

10. Hätte die Museumskommission eingreifen können?

«Die Kommission ist ein rein beratendes Gremium ohne explizite Aufsichtspflicht», sagt Bischof. Sie  kann von der Direktion über finanzielle Belange informiert werden, aber sie steht nicht in der Verantwortung für das Budget.

11. Wird das Controlling im Museumsbereich nun verschärft?

«Wir sind jetzt daran, weitere Massnahmen auszuarbeiten», sagt Bischof. Diese sollen sich primär auf den Bereich der Ausstellungsbudgets und der Projekte konzentrieren, dort, wo Drittmittel eine grosse Rolle spielen und damit auch die grösste planerische Unsicherheit herrscht. Das Augenmerk liegt hier auf einer Überprüfung der Drittmittelakquise und auf der Mehrjahresplanung: «Wir überlegen auch, ob es sinnvoll wäre, dass künftig eine mehrjährige Ausstellungsplanung mit Finanzierungsübersicht vorgelegt werden und regelmässig aktualisiert präsentiert werden muss», sagt Bischof. So geschieht es beispielsweise in Hamburg, wo der Ausstellungsplan der Museen jeweils von der Kultursenatorin abgesegnet wird.

12. Ist eine solche Verschärfung innerhalb des bestehenden Museumsgesetzes möglich?

Das wird laut Bischof zur Zeit abgeklärt. Das Thema Controlling wird auch in der Museumsstrategie aufgegriffen. Darin soll den Museen zwar einerseits mehr unternehmerischer Spielraum zugestanden werden, gleichzeitig muss aber nun das Controlling auch massvoll verschärft werden. – Keine leichte Aufgabe, sagt Bischof, auch weil man noch nicht endgültig geklärt hat, ob das Museumsgesetz in seiner jetzigen Form als Grundlage dafür taugt beziehungsweise welcher Veränderungen es darin bedürfte. Die Strategie wird – nach einiger Verzögerung – im Herbst 2016 dem Regierungsrat vorgelegt.

13. Wann wird die neue Leitung des HMB bekannt gegeben?

«Die Findungskommission steht derzeit im Gespräch mit möglichen Kandidatinnen und Kandidaten. Wichtig war uns, dass vor dem Stellenantritt der neuen Direktion alle Massnahmen aus dem Bericht der Finanzkontrolle erfolgreich umgesetzt sind und das Museum ein ausgeglichenes Budget hat. Unsere Aufgabe ist es, ein bereinigtes Haus zu übergeben», sagt Bischof. Die Anforderungen an die neue Direktion sind nach Auswertung der Zeit von Marie-Paule Jungblut verfeinert worden. «Sicher prüfen und gewichten wir die Führungsqualitäten und die kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Qualifikationen noch stärker als vor drei Jahren», sagt Bischof.

Das Bonus-Malus-System gibt den Museen die Möglichkeit, durch nicht vollständig beanspruchte Globalbudgets oder erwirtschaftete Einnahmen Rücklagen für die Folgejahre zu bilden. Ein allfälliger Gewinn oder nicht beanspruchte Mittel für Sonderausstellungen verfallen also nicht automatisch Ende Jahr zugunsten des Kantons. Es kann aber dank diesem System auch ein negativer Jahresabschluss aufgefangen werden, da ein sogenannter Malusvortrag aus dem Vorjahr in Verrechnung des bestehenden Bonus abgetragen werden kann (Auflösung von Rücklagen). Damit ist einerseits der Anreiz gegeben, ökonomisch zu wirtschaften, andererseits wird den Museen so ermöglicht, mehrjährig zu planen und auftretende Schwankungen oder negative Abschlüsse auszugleichen.

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