Die Geschichten hinter dem berühmtesten Plattencover der Welt

1969 liessen sich die Beatles auf dem Zebrastreifen vor den Abbey Road Studios fotografieren. 45 Jahre später kommen die Bilder unter den Hammer. Wilde Verschwörungstheorien haben dazu beigetragen, dass das Albumcover berühmter wurde als die Platte selber.

Reproduction, © Bloomsbury Auctions (Bild: © Bloomsbury Auctions)

1969 liessen sich die Beatles auf dem Zebrastreifen vor den Abbey Road Studios fotografieren. 45 Jahre später, am 21. November 2014, kommt eine seltene Fotoserie mit Outtakes unter den Hammer. Schätzwert: 100’000 Franken. Wilde Verschwörungstheorien haben dazu beigetragen, dass das Albumcover berühmter wurde als die Platte selber.

Auch die grösste Band der Welt muss sich an die Verkehrsregeln halten. Die Beatles waren am 8. August 1969 in den Abbey Road Studios mit Aufnahmen beschäftigt, ihren letzten gemeinsamen Sessions überhaupt, als sie rasch raushuschten, in die Sommerhitze Londons, um dringend gefragte Fotoaufnahmen zu machen.

Ursprünglich hatten sie überlegt, ihre nächste Platte «Everest» zu nennen und für das Cover ins Himalaya-Gebirge zu fliegen. Doch die vier Superstars waren sich zunehmend fremd geworden, die Lust auf gemeinsame Reisen war vergangen. Sie hatten sich auseinandergelebt.

Eine einfache Notlösung für die Ewigkeit

Eine einfache Lösung für das nächste Album musste her, rasch, ehe die Aufnahmen im Kasten und die Platten in der Presse waren. Die Band gab Iain MacMillan, Freund von John Lennon und Yoko Ono, zehn Minuten Zeit. Er hatte seine Hasselblad und eine Leiter, die vier Beatles lange Haare und wenig Geduld. «Wir sagten uns: Raus aus dem Studio und über den Zebrastreifen», erinnert sich Paul McCartney in der «Anthology».

Von den sechs Fotos, die MacMillan schoss, während das Quartett über den Fussgängerstreifen schritt, gefiel Paul McCartney der fünfte Schnappschuss am besten. Diesen wählte er aus für das Cover des Albums, das schlicht «Abbey Road» betitelt wurde.

Ein Zebrastreifen unter Denkmalschutz

Das Plattencover wurde selber zu einer Ikone, der Zebrastreifen dermassen berühmt, dass der Verkehr heute noch ins Stocken gerät, weil sich hier täglich Touristen einfinden (via Webcam zu beobachten) und für ein Erinnerungsfoto stehen bleiben. Ja, der Zebrastreifen hat sogar eine eigene Website!

Seine Bedeutung wurde auch von der Politik erkannt. 2010 stellte ihn der britische Minister John Penrose unter Denkmalschutz. Was nicht heisst, dass der touristische Effekt, die Magnetwirkung frei wären von negativen Begleiterscheinungen. So hat die Stadtverwaltung von London im vergangenen August auf Beschwerden von Anwohnern und Geschäftsleuten reagiert und versprochen, die Fussgänger besser zu lotsen, um den Verkehrsfluss zu garantieren. 

Und jetzt macht der Zebrastreifen wieder von sich reden: Weil er unter den Hammer kommt. Respektive die Fotos, die MacMillan an diesem Sommertag 1969 schoss und signierte. «Sie sind unglaublich selten», sagt Sarah Wheeler, verantwortlich für Fotokunst bei Bloomsbury Auctions. «Ich habe mit anderen Musikhändlern gesprochen, und keiner hat in den letzten zehn Jahren auf dem Markt ein komplettes Set gefunden.» Denn MacMillan verkaufte den Grossteil seiner signierten Edition einst als Einzelstücke.

(Bild: © Bloomsbury Auctions)

Zu den sechs Fotografien gehört zudem die Fotografie der Albumrückseite, die MacMillan ursprünglich nicht mochte. Ihn störte, dass just in dem Moment, als er abdrückte, ein Mädchen in einem blauen Kleid vor die Linse trat.

Die Sammlung kommt am 21. November unter den Hammer. Bloomsbury schätzt den Wert auf 70’000 britische Pfund, was einem Preis von rund 100’000 Franken entspricht. Wer mitbieten will, sollte also über das nötige Grossgeld verfügen.

Sicher, der Wert dieser Fotografien wird so hoch vermutet, weil die Beatles nicht nur die berühmteste Band ihrer Zeit waren, sondern auch – man kann darüber streiten – die bedeutendste Rockband aller Zeiten sind.

Nicht unwesentlich ist die Tatsache, dass auch fast alles, was dieses Cover enthält, weltberühmt wurde. Der weisse VW Käfer etwa, den man im Hintergrund erkennt, steht heute im Volkswagen Museum in Wolfsburg. Schon nur sein Nummernschild gab nach der Albumveröffentlichung im Herbst 1969 Anlass zu wilden Gerüchten: «LMW 28 IF». Der amerikanische Radiomoderator Russell Gibb interpretierte diese Autonummer wie folgt; Paul McCartney würde 28 Jahre alt, wenn er denn überhaupt noch leben würde. «28, if …», so seine Lesart. Und auch für die Buchstabenkombination LMW fand sich rasch eine Erklärung: Linda McCartney Widow. Die Gattin als Witwe.

War Paul McCartney gar nicht tot?

Die Spekulation, dass Paul McCartney gestorben sei, kursierte schon früher. Die waghalsige Vermutung wurde durch Details auf dem Cover von «Abbey Road» plötzlich plausibel. So dienten zahlreiche Indizien als Beleg dafür, dass McCartney nicht mehr lebte. Die Tatsache etwa, dass der Bassist auf dem Cover als einziger nicht im linken Gleichschritt ging, war verdächtig. Auffällig auch, dass er keine Schuhe trug. «In Mafiakreisen offensichtlich ein Symbol für den Tod», wurde Paul McCartney von seinem Management informiert. Und in Grossbritannien gab es zudem die Tradition, Leute barfuss zu beerdigen.

McCartney konnte kaum glauben, dass die Gerüchte, wonach er bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei, hartnäckig von Medien aufgegriffen wurden. Er sei durch einen Doppelgänger ersetzt worden, vernahm er.

«Es war purer Wahnsinn», erinnert sich Schlagzeuger Ringo Starr in der Beatles-Anthology, «aber es gab keinen Weg für uns, das Gegenteil zu beweisen. Denn mit jedem Versuch, etwa einem Bandfoto, hätte man uns entgegnet, dass das ein Fake sei.»

Tatsächlich konnten sich die Beatles nicht mehr länger gegen die Verschwörungstheorie wehren. Zu verdächtig schien, dass McCartney auf dem Bild die Zigarette in der rechten Hand hielt. Dabei war er doch Linkshänder. Hinzu kam, dass Ringo Starr schwarze Kleidung trug – genau so wie ein Bestatter. Und John Lennon schritt ganz in Weiss voran, wie der Anführer eines Hindu-Trauerzugs – hatten die Beatles nicht einige Zeit in Indien verbracht, wurden sie nicht geprägt von der indischen Kultur? Eben! All das konnte doch kein Zufall sein.

Das Beatles-Büro konterte Verschwörungstheorien mit einem Mark-Twain-Zitat: «Die Gerüchte über meinen Tod sind stark übertrieben.»

«Am Ende sagte ich: Lassen wirs laufen», so McCartney. «Schliesslich war es ja auch Werbung für das Album.» Er wies das Beatles-Büro an, die Presseanfragen – es sollen Tausende gewesen sein! – mit einem bekannten Mark-Twain-Zitat zu kontern: «Die Gerüchte über meinen Tod sind stark übertrieben.»

Verschwörungstheorien, die das Cover umrankten, wurden wenige Monate später noch befeuert, als das Ende der Beatles bekannt wurde. Und es soll Leute geben, die heute noch glauben, Paul McCartney werde seit Jahrzehnten durch ein Double verkörpert.

Was den grossartigen, leider viel zu früh verstorbenen US-Komiker Chris Farley in den 1990er-Jahren auf die Idee einer Interview-Satire brachte: Er lud Paul McCartney in die Comedy-Sendung «Saturday Night Live» ein, mimte den Beatles-Bewunderer, der sich nicht zu doof vorkam, noch einmal all die alten Gerüchte aufzuwärmen. Unsicher fragte er den leibhaftigen McCartney: «Erinnern Sie sich daran, als es hiess, Paul sei tot?» – «Ja, ich erinnere mich.» – «Ähm, das war eine Ente, oder?» Worauf McCartney geduldig antwortete: «Ja, denn ich war nicht wirklich tot.» Herrlich.

Herrlich auch, dass es das mal gab: eine riesige Aufregung wegen eines Albumcovers. So steht «Abbey Road» bis heute nicht nur für ein vielseitiges und mitreissendes Beatles-Album, auf dem Songs wie «Come Together», «Here Comes the Sun» oder das epische Finale mit «Carry That Weight» und «The End» versammelt sind, sondern auch für eine Verpackung, die um die Welt ging. Und oft zitiert wurde, von Snoopy bis zu den Red Hot Chili Peppers.

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