Die gute Seele des Houses

Das Karlsruher Duo Âme macht zeitlose Musik im Geiste der spirituell-meditativen Anfänge des Deep House. Und liefert gerade damit immer wieder die Clubhits des Jahres. Heute Samstag Abend gastieren Kristian Beyer und Frank Wiedemann im Basler Nordstern. Die TagesWoche hat eine Hörprobe.

Unnach-âme-lich unbeirrt: das Karlsruher Duo Âme (Bild: Franck Eickhoff)

Das Karlsruher Duo Âme macht zeitlose Musik im Geiste der spirituell-meditativen Anfänge des Deep House. Und lieferte gerade damit einen der Clubhits des Jahres. Am Samstag gastieren Kristian Beyer und Frank Wiedemann im Basler Nordstern.

Karlsruhe, das klingt im ersten Moment nicht gerade nach Party. Und schon gar nicht würde man die bedächtige süddeutsche Stadt mit zukunftsweisenden Entwürfen elektronischer Musik in Verbindung bringen. Doch der zweite Blick straft das Vorurteil Lügen: Denn sucht man nach den wichtigsten, prägenden Produzenten von «Deep House», dieser gemächlicheren, entspannteren Schwester des Techno, findet man sie im deutschsprachigen Raum nicht in den Techno-Hochburgen Frankfurt, Köln oder Berlin, sondern fast ausschliesslich in mittelgrossen, süddeutschen Universitätsstädten wie Heidelberg (Move D), Stuttgart (Jackmate) – oder eben Karlsruhe.

Letztere bildet Heimstatt von Âme, einem der profiliertesten und hochgelobtesten deutschen Deep-House-Projekte. Vor ungefähr zehn Jahren aus dem Umfeld des Nu-Jazz- und Chill-Out-Labels Sonar Kollektiv entstanden, mutierte das Duo Kristian Beyer und Frank Wiedemann mit seinen zeitlupenhaften Tracks rasch zu den Darlings des Genres. Es sind ruhige, meditative, orchestrale Klangentwürfe, die das frühe Schaffen von Âme kennzeichnen, und die gerade durch ihre ureigene, reduzierte Sprache des Understatements grosse Gefühle auslösen – auf dem Club-Dancefloor genauso wie in der heimischen Stube. So wurden die (wenigen) Platten des Duos zu Lieblingswerkzeugen unzähliger DJs im elektronischen Bereich, und Âme zeitweise zum wohl bestgehüteten Geheimtipp der Szene.

Damit war spätestens 2005 Schluss: Mit «Rej» (Hörprobe unten) übertrafen sich Âme selber, und lieferten eine hypnotische Hymne ab, die am Strand von Ibiza genauso abgefeiert wurde wie in den Technobunkern Berlins. Seither gelten die beiden Karlsruher als Könige des deutschen Deep House, denen bei ihren Releases wie kaum einem anderen Projekt ein Merkmal zugeschrieben wird: Zeitlosigkeit. Darauf angesprochen, reagiert Kristian Beyer zurückhaltend: «Ich denke, wenn man so etwas wie Zeitlosigkeit erreicht in den bildenden Künsten, der Architektur oder auch in der Musik, kann man sich glücklich schätzen. Zu einem grossen Teil liegt es sicherlich auch an unserer Arbeitsweise, die nicht wirklich einem Fliessband gleichkommt. Bei uns wird ziemlich lange an einzelnen Stücken gearbeitet.»

Kaum ein Dutzend Releases

Ein wahres Wort, umfasst die Diskographie des Duos doch bis heute kaum mehr als ein Dutzend Releases – was mittlerweile dem Quartalsoutput vieler Produzenten im House-Bereich entspricht. Genauso ruhig und unbeirrt wie Beyer und Wiedemann dem Druck standhalten, genauso zuverlässig liefern sie aber Mal für Mal Meisterwerke ab, die in punkto produktionstechnischer Eleganz ihresgleichen suchen. So rein und erhaben, so spirituell und geistreich klingt eben nur die gute Seele des Deep House. «Schön zu hören, aber so etwas müssen immer andere beurteilen», lässt Beyer die Superlative wiederum ins Leere laufen, und fügt hinzu: «Ich sehe uns auch nicht zwangsläufig als Teil einer bestimmten Szene, da für uns alle eigentlich der Übergang zwischen House und Techno immer fliessend war.»

Genauso fliessend wie ihre Klangskulpturen verläuft auch die Karriere des Duos: Trotz ihres geringen Outputs waren die beiden in den letzten Jahren nie wirklich weg, sondern sorgten mit ihren eindrucksvoll unkonventionellen DJ-Sets immer wieder für Aha-Effekte. Zentral dabei: der Überraschungsmoment. Ob da plötzlich ein meditativer Raga erklingt, eine lange Ambientfläche oder ein knalliges Technobrett: Bei Âme weiss man trotz des steten Laufs der repetitiven Rhythmen nie genau, ob hinter der nächsten Abzweigung nicht eine kleine Stromschnelle lauert. Geht es dabei darum, es dem Publikum nicht allzu einfach zu machen, einen pädagogischen Mehrwert zu generieren, oder schlicht um die Tatsache, sich selber beim Auflegen nicht zu langweilen? «Ich denke, es ist ein bisschen von allem», lautet Beyers Antwort: «Unser Musikgeschmack ist sehr breit und wir versuchen stets, auch genrefremde Stücke in ein Set zu integrieren.» Und schmunzelnd relativiert er: «Aber immer unter der Prämisse, dass wir es schaffen, den Leuten das zu verkaufen.»

Als wäre ihre Musik schon immer dagewesen

Darüber muss sich Beyer allerdings nur wenig Sorgen machen. Denn auch dieses Jahr dürften die Verkaufszahlen des Duos wieder mehr als zufriedenstellend ausfallen. Mit ihrem Remix von Osunlades «Envision» lieferten Âme schon wieder einen der einprägsamsten Clubhits des Jahres. Die Verbindung von klassischem Vocal in der langen Tradition schwarzen House-Priestertums, gerade vorwärts maschierender Kickdrum und fiependen Acid-Riffen: So mühelos, als wäre sie immer schon dagewesen, so allgegenwärtig, dass kaum ein DJ-Set ohne den Track auskommt. Dass daran nicht alle Konkurrenten ihre Freude haben, dass zuweilen über die simple, eingängige Mixtur gelästert wird, damit kann Beyer leben: «Grosse Hits polarisieren immer, sei es im Undergound oder aber auch in der Popmusik. Für uns zumindest ist es toll, mit einem Stück oder Remix so viele Leute zu erreichen, gleichzeitig aber auch selbst noch hundert Prozent dahinter zu stehen.»

Dass sich Âme damit erneut als eines der innovativsten Projekte im Deep House profilieren konnten, zeigen zurzeit nicht nur die aktuellen House-Charts. Soeben wurden die beiden Karlsruher zu den weltweit einflussreichsten Usern des Internetportals «Soundcloud» gekürt – weit vor internationalen Megastars wie 50 Cent oder Richie Hawtin. Dass solche Rankings dem Duo zu Kopf steigen würden, muss man mittlerweile aber nicht mehr befürchten. «Ich denke, dass viele andere genauso wie wir dazu beigetragen haben, dass House wieder salonfähig geworden ist. Aktuelle Trends beobachten wir aufmerksam, doch finden sie selten Eingang in unsere Produktionen. Selbst wenn der Hype irgendwann wieder abebbt, werden wir uns noch immer in irgendeiner Art und Weise mit Dance-Musik auseinandersetzen», lautet die lapidare Antwort Beyers. Darin steckt die Ruhe eines Mannes, der nichts mehr beweisen muss – und ein wenig vielleicht auch die unnach-âme-liche Karlsruher Bedächtigkeit. 

«Bon Voyage presents: Âme vs Dixon», Samstag, 19. Januar 2013, 23 Uhr, Nordstern Basel.

Artikelgeschichte

Dieser Artikel erschien erstmals im Januar 2012, im Hinblick auf Âme’s erneutes Gastspiel im Nordstern nach vorne gestellt.

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