Die Hölle ist auch nicht mehr das, was sie mal war

Thom Luz führt mit seiner theatralen Jenseitswanderung durch Dantes «Inferno» in höchst nebulöse Gefilde.

Alles, was war, verblasst im Nebel: Carina Braunschmidt in der Jenseitswanderung von Thom Luz nach Dantes «Göttlicher Komödie».

(Bild: Sandra Then)

Thom Luz führt mit seiner theatralen Jenseitswanderung durch Dantes «Inferno» in höchst nebulöse Gefilde.

Dante Alighieri liess sich in seiner «Göttlichen Komödie durch eine furchterregende Hölle führen, die sich trichterförmig bis zum Erdmittelpunkt herunterschraubte. Thom Luz führt bei seiner Bearbeitung des berühmten Stoffes in nebulöse Gefilde, die wenig bis gar keine Schrecken bereiten. Dafür aber umso mehr Fragen offen lassen.

Luz offenbart sich damit einmal mehr ganz und gar als Spezialist für künstlerische und zuweilen etwas gekünstelte Zwischenwelten. Als «Jenseitswanderung auf den Spuren von Dantes ‹Göttlicher Komödie›» deklariert er sein Projekt, das im Schauspielhaus des Theater Basel Premiere hatte.

Unhöllisches Kulissenlager

Der Titel «Inferno» deutet zwar darauf hin, dass wir uns zusammen mit der Kunst- oder Bühnenfigur Dante und Vergil in die Hölle und ins Fegefeuer begeben. Von alleine wären wir nicht unbedingt darauf gekommen. Die Bühne (Wolfgang Menardi und Thom Luz) ist ein leicht chaotisch zusammengestelltes und eigentlich wenig höllisches Kulissenlager.

Und in diesem Lager befinden sich vier verlorene Seelen gefangen, die macht- und kraftlos zusehen müssen, wie Requisiteure nach und nach alle Möbel, Scheinwerfer, Wasserspender, Tiger und Löwen rausfahren, um alles in einem Ofen nebenan zu verbrennen. Die Figuren geben sich mehr oder weniger genau als die Geister von Odysseus (Martin Hug), Cleopatra (Carina Braunschmidt), eine Art Sisyphus (Simon Zagermann) und einer nicht genau zuzuordneten verschmähten Geliebten (Lisa Stiegler) zu erkennen.

Durch diese seltsame Hölle also wandert nun Dante (Elias Eilinghoff), der mit Vergil (Steffen Höld) einen relativ unzuverlässigen Führer mit einer offensichtlich ungenauen Karte hat. Denn die beiden wandern im Kreis herum, so dass sie immer wieder an denselben Ort gelangen.

Nebulöse Gefilde

Wenn diese Zeilen hier nun ein mehr oder weniger klares Bild zu vermitteln versuchen, dann täuscht dies etwas. Denn nichts ist wirklich klar und greifbar in dieser Hölle. Es ist eine Hölle, die nicht mit physischen Qualen aufwartet. Es ist vielmehr eine, welche nach und nach die Erinnerungen der Insassen auslöscht, ihnen die eigene Geschichte nimmt. Bis sie nur noch gesichts- und geschichtslose Wesen im dichten Nebel sind, die auf der Stelle treten.

Das ist eines der eindrücklichen und beklemmenden Bilder, die der anderthalbstündige Abend schafft. Allzu viele sind es nicht, denn in dieser Hölle passiert vordergründig sehr, sehr wenig, ausser dass sie eben leergeräumt wird. Und dass ein Musikerquartett (Emanuele Forni, Mara Miribung, Daniele Pintaudi unter der Leitung von Mathias Weibel) mit wunderbar gespielten barocken Klageliedern wenigstens für etwas Abwechslung in dieser trostlosen Szenerie sorgt.

Luz präsentiert sich mit diesem Projekt einmal mehr als Mann des Nebulösen, der sich gerne in Sphären zwischen dem Dies- und Jenseits begibt, um sich darin zu verlieren. Das hat in früheren Projekten sehr gut funktioniert. Dieses Mal wird man als Theaterbesucher aber doch etwas arg verloren gelassen.
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Theater Basel: «Jenseitswanderung auf den Spuren von Dantes ‹Göttlicher Komödie›». Die weiteren Vorstellungen: 26. und 27. Januar sowie  im Februar.

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