Die Initiative Kreativwirtschaft sorgt für Unmut

Seit anderthalb Jahren fördert die Initiative Kreativwirtschaft Basel (IKB) junge regionale Kreativunternehmen. Theoretisch zumindest – denn spüren tut man davon zuwenig, und die Kritik wird immer lauter. SP-Grossrat Tobit Schäfer fordert nun in einer Interpellation vom Regierungsrat Antworten.

Wer blickt da noch durch? (Bild: Artwork Nils Fisch)

Seit anderthalb Jahren fördert die Initiative Kreativwirtschaft Basel (IKB) junge regionale Kreativunternehmen. Theoretisch zumindest – denn spüren tut man davon zuwenig, und die Kritik wird immer lauter. SP-Grossrat Tobit Schäfer fordert nun in einer Interpellation vom Regierungsrat Antworten.

Der Enthusiasmus war gross im Jahr 2010. Endlich hatte die Regierung erkannt, dass in Bezug auf die Kreativwirtschaft in Basel Handlungsbedarf besteht. Im Mai stellte Wirtschaftsminister Christoph Brutschin die «Studie zur Basler Kreativwirtschaft» vor, erstellt von Raphael Rossel. Ein dickes, umfangreiches Werk, das wohl nur wenige wirklich zu Ende lasen.

Nichtsdestotrotz resultierte daraus die «Initiative Kreativwirtschaft Basel», kurz IKB – bestehend aus einem siebenköpfigen «Board» unter der Leitung des ehemaligen künstlerischen Leiters der Expo02 Martin Heller und mit Rossel als Geschäftsführer. Die IKB sollte, so ihr Auftrag, «als Dienstleistungs-, Netzwerk- und Impulsplattform» funktionieren und «sowohl die Kreativwirtschaft insgesamt als auch Design und Architektur als in Basel besonders starke Sparten» fördern. Dadurch sollten die Bedingungen für die Kreativwirtschaftsszene wie «auch ihre öffentliche Wahrnehmung und ihre Marktchancen verbessert werden». Das Projekt IKB wurde vorerst auf drei Jahre angelegt. Dafür bewilligt wurde vom Regierungsrat eine knappe Million Franken.

Resultate?

Die Hälfte dieser Zeit ist nun um, und die Bilanz der IKB erscheint mager. In der Szene wird Kritik immer lauter. Dies und zwei Abgänge aus dem Board haben nun Grossrat Tobit Schäfer zu einer Interpellation veranlasst, die er am Montag eingereicht hat (siehe Rückseite dieses Artikels). Darin stellt der SP-Politiker jene Fragen, die auch in der Szene immer wieder gestellt werden: Sie betreffen die Förderziele der IKB ebenso wie die Kosten.

Vor allem, was das Geld betraf, gab es bereits zum Start der IKB Anfang 2011 Kritik. So waren offenbar, noch bevor das Board seine erste Sitzung abhielt, bereits zwei Drittel der Gelder vergeben, gefressen durch Infrastruktur und Löhne. Für die konkrete Förderung verblieben rund 300’000 Franken – für drei Jahre. Wohin diese jedoch in den letzten anderthalb Jahren flossen, ist unklar. Auch bemängelte man damals, dass die Regierung es verpasst hatte, die Stelle des Geschäftsführers öffentlich auszuschreiben.

Intransparenz

Wer sich heute bei jenen Leuten umhört, denen die IKB als Anlaufstelle dienen sollte – den Neulingen in der Kreativwirtschaft –, dem kommt immer wieder Ähnliches zu Ohren. Mit seinem Namen hinstehen mag zwar niemand, weil keiner sich Chancen verbauen will. Hinter vorgehaltener Hand jedoch ist die Rede von bereits zugesprochenen Geldern, die wieder zurückgezogen wurden. Von eingereichten Projekten, die abgelehnt wurden, weil sie zu wenig wirtschaftlich seien. Anträge auf Geld würden damit abgegolten, dass Geschäftsführer Rossel seine und die Arbeitskraft seiner Praktikantin anbieten würde. Es herrsche Willkür in der Vergabe von Projektbeträgen, und die Entscheidungsfindung sei sehr träge. Geld würde nur gesprochen, wenn ein Projekt exakt den Vorstellungen der IKB entspreche. Überhaupt sei unklar, für welche Art von Projekten man überhaupt Geld beantragen könne. Statt Startups zu fördern, werden namhaften Architekturbüros Flüge nach Shanghai oder Miami gesponsert, wie auf der IKB-Website nachzulesen ist. Und zusammenfassend: Die Arbeit der IKB sei intransparent, und das grossmundig versprochene Lobbying finde nicht statt.

Auf der Website der IKB erhält man auch keinen Durchblick. Schon die Einstiegsseite bietet ein unübersichtliches Wirrwarr von Daten, viele davon veraltet. Die Agenda, die zur Netzwerkbildung beitragen soll, bietet gerade fünf Veranstaltungen an – drei davon sind bereits seit Wochen vorbei.

Erzwungene Rücktritte

Nach einigem Klicken lesen wir unter Punkt 5 der «Förderstrategie»: «Die Förderarbeit der IKB wird durch ein Board verantwortet und durch eine Geschäftsstelle umgesetzt. Beide bemühen sich um schlanke, effiziente Abläufe und grösstmögliche Transparenz. Die Resultate werden regelmässig offen gelegt und überprüft – durch ein Reporting an den Auftraggeber wie auch gegenüber der Kreativwirtschaft selbst.» Bislang jedoch hapert es damit – ebenso mit einer eigentlichen Strategie, wie Kunstkuratorin Annina Zimmermann auf Nachfrage bestätigt. Ihr Beharren darauf, dass diese nun endlich erarbeitet werde, führte dazu, dass sie im Frühling 2012 gegen ihren Wunsch aus dem IKB-Board ausgeschlossen wurde, ebenso wie Modedesignerin Claudia Güdel. Die beiden seien zurückgetreten, heisst es offiziell. Laut Zimmermann jedoch ist ihnen der Rücktritt «sehr hartnäckig nahegelegt worden».

Zimmermann wie Güdel waren ursprünglich als lokale Exponentinnen ins Board geholt worden, zusammen mit Ascan Mergenthaler von Herzog & DeMeuron. Weitere Mitglieder sind Leiter Martin Heller, Samuel Hess vom Amt für Wirtschaft und Arbeit, Michael Bornhäusser  von der 5 Continents Consulting Group sowie Tanja Mühlhans von der Kulturwirtschaftsinitiative bei der Senatsverwaltung in Berlin. Güdel und Zimmermann wurden nicht ersetzt, das Board somit von sieben auf fünf Mitglieder verkleinert. Die Anbindung an die lokale Szene fehlt in dieser Konstellation.

Sie sei grundsätzlich nicht einverstanden mit der Anlage des Projektes, sagt Zimmermann, die Anfang 2011 mit viel Enthusiasmus gestartet war, heute enttäuscht. Immer wieder seien Kriterien geändert worden, die Strategie sei in der Tat völlig intransparent. Anstatt zuerst ein Konzept zu erarbeiten, haben man sofort damit angefangen, auf Gesuche zu reagieren und laufend die Kriterien passend gemacht. «Dabei müsste man sich zuerst konkrete Fördermassnahmen überlegen, bevor man Geld spricht», sagt sie und bestätigt damit Vorwürfe aus der Szene. Weiter findet sie, private Initiativen müssten als Partner auf Augenhöhe begrüsst und nicht mit öffentlichen Geldern konkurrenziert werden. «Basel könnte im Bereich der Kreativwirtschaft einiges zulegen, wenn es wollte. Gerade mit der Fachhochschule Nordwestschweiz bietet sich eine grosse Chance», meint sie weiter. Diese aber werde auf diese Weise verpasst.

Interesse an Weiterführung

Dies finden auch Exponenten der Kreativwirtschaft. Es wäre doch schade, sagt einer von ihnen, wenn man mitansehen müsste, dass am Ende der Testphase Ende 2013 die Regierung sagen müsste, dass man nun ja eine Million Franken eingesetzt habe für die Kreativwirtschaft, und herausgekommen dabei sei: Nichts. Dabei sei der Bedarf gross, und die Verlängerung des Projektes IKB läge im Interesse aller. Stattdessen habe die IKB zur Folge, dass Privatinstitutionen abgeschreckt würden – so bereits 2010 geschehen, als «Dynamo Basel», eine Initiative der Christoph-Merian-Stiftung zusammen mit dem Gewerbeverband und Kulturstadt Jetzt, ein bereits konkretes Elf-Punkte-Programm für die Kreativwirtschaft wieder stornierte, weil ja nun der Kanton diese Aufgabe wahrzunehmen gedachte.

Wolle man die IKB weiterführen, so sagt ein weiterer Exponent der Szene, so müsse man anfangen, konkrete Fragen zu stellen, etwa: Braucht es Geld? Oder doch eher Raum? Wie soll eine sinnvolle Strategie aussehen? Zudem müsse die IKB künftig auch wirklich als Anlaufstelle für Einsteiger dienen und beim Aufbau eines Netzwerkes helfen. Als Voraussetzung dafür fordern einige auch, dass der Posten des Geschäftsleiters der IKB nach Ablauf der drei Jahre ausgeschrieben wird – wie das bereits 2010 hätte geschehen müssen.

Erste Antworten soll nun die Regierung auf Schäfers Interpellation hin liefern. «Die Kreativwirtschaft ist eine wichtige Branche für Basel», erklärt Schäfer sein Anliegen. Das Komitee Kulturstadt Jetzt und er begrüssen es, dass der Regierungsrat die Kreativwirtschaft fördern will: «Am besten tut er dies, indem er ihr Freiräume lässt. Andere Förderinstrumente sind genau zu prüfen: Die Gefahr, dass die innovative Kreativwirtschaft von einzelnen Interessengruppen oder von der Politik vereinnahmt wird, ist gross.» Deshalb müsse auch bei der IKB nach ihrem effektiven Nutzen gefragt werden. Vor allem unter dem Aspekt, dass deren bisherige Arbeit in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werde. Von der Kritik vieler Basler Kultur- und Kreativunternehmen, dass die IKB ihrem Auftrag nicht gerecht werde, ganz abgesehen.

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