«Lasso», «Wandering» und «Belles Lettres»: Drei junge Basler Magazine präsentieren eine Werkschau des lokalen Kulturnachwuchses. Die TagesWoche zeigt, was drin und wer dahinter steckt.
Die Zeiten, als man unter «Literatur-» und «Kulturmagazin» bloss die gebundenen Ergüsse älterer Elfenbeinturmbewohner verstand, sind vorbei. Auch die junge Generation hat ein Wörtchen mitzuschreiben – und sorgt damit für frischen Wind im Blätterwald. Als Reaktion auf die unüberschaubar wuchernde Ansammlung literarischer Texte in der Blogosphäre, feiern liebevoll gestaltete Magazine junger Kulturschaffender nämlich seit einigen Jahren ein Comeback.
Ähnlich den «Fanzines», jener oft in Kleinstauflagen gedruckten und im Selbstverlag herausgegebenen Experimentierfelder junger Kulturschaffender, die in den 80er- und 90er-Jahren manchem Autor und Künstler einen Einstieg ins Business ermöglichten, richten sich die frisch und frech daherkommenden Druckerzeugnisse in erster Linie an die jugendliche bis junggebliebene, oft subkulturell orientierte Peer Group ihrer Macher, nicht ans Medien- und Kultur-«Establishment».
Reflektierten die «Zines» früher allerdings oft kurzlebige Trends und Hypes der Jugendkultur, die in etablierten Editionen keinen Platz bekamen, ist die Motivation hinter den neuen Magazinen das genaue Gegenteil: Mit den gedruckten Themenheften versuchen die jungen «Kreativen», der Schnelllebigkeit des «Web 2.0» ein Schnippchen zu schlagen – und somit nachhaltig auf die darin versammelten Jungtalente aufmerksam zu machen.
Auch in der Region Basel buhlen aktuell mehrere Publikationen junger Kleinstverleger um Publikum: Die TagesWoche stellt hier mit «Belles Lettres», «Lasso» und «Wandering» drei jener lokalen Talentschmieden vor, deren in hunderten von ehrenamtlichen Arbeitsstunden entstandenen Produkte das Prädikat «besonders wertvoll» verdienen.
Disturbans «Belles Lettres»: Illustration von Typograph Mikka Stampa
Von Glanz und Grenzen schöner Lettern
«Belles Lettres» ist mit bald vier Jahren bereits der älteste Herausgeber junger Literatur. Als Gegenpol und Kontrapunkt zu ihrer Arbeit beim Event- und Kulturmanagement-Startup «Disturban» gründeten Dominic Stämpfli (24), Céline Arnold (25) und Luca Studer (23) 2008 ihren Kleinstverlag. Der Versuch, nicht nur jungen Musikern, sondern auch talentierten Nachwuchschreibern eine Plattform zu bieten, stiess 2008 auf ein grosses Echo: Auf ihren Aufruf, Kurzgeschichten zum Thema «Träume» zu verfassen, erhielten die drei «Disturban»-Macher auf Anhieb über 30 Texte: «Darunter waren sehr gute, gute und na ja… eher nicht so gute», resümiert Luca Studer, betont aber im gleichen Atemzug: «Wir waren in der Tat überrascht, welche Qualität und Bandbreite die Texte insgesamt hatten.»
Die erste Ausgabe von «Belles Lettres», erschienen 2009 mit einer Auflage von 300 Exemplaren, war innert Kürze ausverkauft. Erfreut machte sich das Trio an die Folgeausgabe «Schiffbruch», welche auf nicht mehr gar so viel, aber «doch erfreulich viel Resonanz» stiess. Die dritte Ausgabe «Grenzen» erschien dagegen erst mit einiger Verspätung letzten November, mit 16 Texten junger Autoren zwischen 17 und 27. Es war «die nahezu perfekte Verwirklichung unserer Anfangsidee, mit Illustrationen und einem unverwechselbaren Artwork», wie die Macher sagen. Doch blieb der Nachteil, dass die aufwändige Produktionsarbeit trotz finanzieller Unterstützung der Jacqueline-Spengler-Stiftung ehrenamtlich bleiben musste.
Dass der Verlag selber mit steigendem Qualitätsanspruch an seine Grenzen stiess, das mussten auch die motivierten Macher einsehen: «Wie es mit Belles Lettres weitergeht, steht grösstenteils in den Sternen», gibt Luca Studer zu: Natürlich möchte man das Projekt weiterführen und soviele Bücher herausbringen wie nur möglich. Aber angesichts des Aufwands für die kleine Gruppe steht noch nicht fest, ob das anspruchsvolle Projekt einer Förderung von Jung- und Jüngsttalenten unbefristet weitergeführt werden kann.
Nicht so schlimm, findet Studer: «Dadurch, dass wir eine kleine Gruppe sind, können wir flexibel bleiben. Wir können uns auf das Fokussieren, was wir wirklich wollen, und müssen unsere Projekte nicht um jeden Preis weiterführen. Wieso nicht mal ein innovatives Modelabel lancieren? Oder mit Belles Lettres mal einen Comic veröffentlichen? Oder mit Disturban einen eigenen Kindergarten eröffnen?» Zumindest eine weitere Ausgabe von «Belles Lettres» wird es auf jeden Fall geben, die Ausschreibung zum vierten Band läuft bereits: Bis zum 31. März kann man sich mit Texten zum Thema «Spiegelbild» bewerben.
- «Belles Lettres» erhältlich via www.disturban.ch
«Lasso No. 3»: Cover von der Pariser Fotokünstlerin Philomène Hoël
Von Lassos und Leinen für kreative Köpfe
Etwas breiter als «Belles Lettres, ist das Kulturmagazin «Lasso» angelegt. Entstanden 2009 als «Forum für junge Kunst und Kultur», ist die «Lasso»-Redaktion bereit, «alles zu publizieren, was sich abdrucken lässt» – sofern es dem Qualitätsstandard von Herausgebern und Gastjury entspricht. Hinter «Lasso» stecken Alain Gloor, Bettina Jahn, Ariane und Damian Koch, vier Basler Medien- und Kulturschaffende, alle Mitte bis Ende 20, die sich in ihren Arbeitsfeldern bereits ein gewisses Renommée erarbeitet haben und auf ein breites Kreativnetzwerk zurückgreifen können.
Dass die erste Ausgabe aus «reiner Lust und Langeweile» entstanden sei, wie Alain Gloor behauptet, mag man angesichts des hochprofessionellen Auftritts fast nicht ganz glauben. «Es war uns wichtig, dass wir nicht einfach ein weiterer Blog sind», präzisiert Gloor: «Das Produkt musste für uns ansprechend gestaltet, gut aufgemacht und glaubwürdig sein – und gedruckt. Etwas, das man in den Händen halten konnte.» Daher schafften es aus über 100 Eingaben für die dritte Ausgabe nur ein Drittel ins Heft, «eine Auswahl, die zu treffen für uns lange nicht immer locker und lustig war», wie Alain Gloor freimütig gesteht.
Das Resultat dieses strikten Kuratierungskonzepts lässt sich dafür wahrlich sehen: Grafisch besticht «Lasso No. 3» zum Thema «Kopf» (Auflage: 350 Exemplare, erschienen im Dezember) mit einer eigenständigen Bildsprache, inhaltlich sind die Beiträge – unter anderem von der Pariser Fotografin Philomène Hoël, vom Basler Künstler Fabian Chiquet und Autor Max Küng – auf durchgehend hohem Niveau. «Wir sind zum ersten Mal sehr zufrieden mit dem Heft», bilanziert auch Alain Gloor erfreut.
Dennoch steht «Lasso», das durch die Förderstelle «Kulturkick» und Anzeigen teilfinanziert wird, vor ähnlichen Schwierigkeiten wie «Belles Lettres»: «Der Aufwand für solche Magazine ist einfach sehr gross – schliesslich ist es eine Zeit- und Geldfrage, ob man ein derart umfangreiches Projekt weiterführen kann – und will.»
Zumindest vorerst hat «Lasso» nun aber eine neue Heimat gefunden: Im «Stumpe», einem Gemeinschaftsatelier im «Gundeli», das Ariane Koch und Alain Gloor mit den jungen Basler Künstlern und Kulturschaffenden Johannes Willi, Anna Nitchaeff, Lena Friedli und Micha Hübner teilen, sollen in Zukunft nicht nur Ausstellungen und Konzerte stattfinden, sondern wird auch eine weitere «Lasso»-Ausgabe entstehen. Alles in ehrenamtlicher Arbeit, versteht sich.
- «Lasso» ist erhältlich via «Stumpe» («Stumpe», Güterstrasse 271, 4053 Basel), Das Labyrinth, Kulturbüro, Kulturkick, Nasobem, Infos: www.lassomagazin.ch
Wandering No. 1: Cover von Rui Tenreiro, einem Illustrator und Comic-Zeichner aus Mozambique, der in Stockholm lebt
Vom Wandern und Wundern der jungen Wilden
Nochmals einen gänzlich anderen Ansatz verfolgt die soeben erschienene, erste Ausgabe von «Wandering» – mit zwei Jahren Vorarbeit, 230 Seiten Umfang und einer Auflage von 750 Exemplaren das deutlich umfangreichste der drei Magazine, das durch die Basler Mäzenin Pierrette Schlettwein herausgegeben wird.
Zwar stecken mit dem Verlegerduo Tenzing Barshee («Elaine) und Dan Solbach (vom Offspace «New Jerseyy») auch hier zwei bekannte junge Basler Kunst- und Kulturschaffende hinter dem Projekt. Bei «Wandering» handelt es sich allerdings nicht im engeren Sinne um ein Kulturmagazin, sondern vielmehr um ein mehrsprachiges Journal, das anstelle von literarischen Texten «Gesprächsprotokolle über das Wandern in Stadt und Natur» enthält. Die einzelnen Kapitel bestehen aus so unterschiedlichen Dialogen wie Email-Konversationen, Chats, Skype-Telefonaten und live aufgenommenen Gesprächen von bekannten und unbekannten Schriftstellern, Künstlern und Kuratoren aus aller Welt. Diese wurden im Anschluss vom Schweizer Schriftsteller Pippin Wigglesworth («Viertel ab Handgelenk») lektoriert.
«Das Projekt war für uns spannend, weil wir die vielen verschiedenen Gespräche, die wir erhielten, unter einen Hut bringen mussten», erklärt Tenzing Barshee, der selber zurzeit in Sibirien auf Wanderschaft weilt. «Wandering» befasse sich daher mit der «vielfältigen Weise und den unterschiedlichen Kanälen mit denen wir heutzutage miteinander sprechen.»
Die einzelnen Gespräche sollen dabei als verschiedene Teile einer Collage aus Sprachen und Stimmen funktionieren, die «journalistische Qualtitätsnormen eines guten oder schlechten, interessanten oder langweiligen Gesprächs durchbricht und nebeneinander ausstellt» – und damit auch die Idee einzelner Autoren auflösen und zu einem sich verwebenden Text oder intertextuellen Gerüst vermischt: «Für mich bekommt die Assemblage an unterschiedlichen Unterhaltungen abwechselnd literarische bis theatralische Qualität, ohne dabei die Leichtigkeit einer freundschaftlichen Plauderei zu verlieren.»
Entstanden ist so ein facettenreiches Sammelsurium, das vom belanglosen Smalltalk bis zum hochintellektuellen Austausch alles beinhaltet – ein durchaus reizvoller Ansatz, der hoffentlich in der geplanten Fortsetzung des Projekts weiterverfolgt und vertieft wird.
- «Wandering» ist erhältlich via Kunsthalle Basel, Museum für Gegenwartskunst Basel, Plattfon & Stampa, Infos: http://wanderingmagazine.tumblr.com