Ein spannendes Gipfeltreffen en miniature zwischen Brasilien und der Schweiz: der Jazzfestival-Auftritt des Trios Feigenwinter – Moreira – Schärli im Bird’s Eye.
Minas Gerais – so klangvoll wie der Name des brasilianischen Bundesstaates ist auch seine Geschichte und seine Kultur. Diamantenjäger und Goldgräber tummelten sich hier, der Reichtum des Bodens schlug sich in der Architektur fantastischer barocker Städte nieder. Von barocker Pracht ist auch die Musik: Der Gigant Milton Nascimento schuf hier seine opulent-hymnische Popsprache, zusammen mit dem virtuosen, feinfühligen Gitarristen Toninho Horta.
Das Publikum im Bird’s Eye kam dank Juarez Moreira nun in den Genuss, Einblick in die Klangkultur von Minas mit einem Saitenkollegen von Horta zu bekommen. Doch wie tönt es, wenn diese lyrische Tonsprache Südamerikas auf zwei hiesige Jazzkonstanten, den Basler Pianisten Hans Feigenwinter und den Luzerner Trompeter Peter Schärli trifft?
Bauchige Romantik
Reizvoll zunächst schon die sichtbaren Brüche: Hier die beiden fast hageren Schweizer mit schulterlangem blonden Haar, dort der sanguinische, jovial wirkende Brasilianer. Doch so banal es klingen mag: Gegensätze ziehen sich an, mehr noch, auf musikalischer Ebene schufen sie an diesem Abend gerade den Nährboden für spannende Strukturen. Moreira erweist sich von Beginn an als ein erfindungsreicher und dynamisch fein abgestufter Spieler: Sein Gestus ist fließend, er nutzt vor allem die Mittellagen, gestaltet die Intros mit bauchiger Romantik aus, wie einst der Bossagitarist Luis Bonfá. Begleitet er lediglich, nimmt er sich dynamisch weit zurück, doch selbst in dieser Nebenrolle kreiert er noch feine harmonische Ausarbeitungen.
Feigenwinter hingegen, der schon fast zum Inventar des Jazzfestivals gehört, spielt in einer stets vitalen Lautstärke, packt in seinen Improvisationen beherzt zu, sorgt für überraschende Unterbrüche und Stopps, begleitet sein exaltiertes Tastenspiel mit ebensolcher Mimik. In ihrer Mitte agiert Peter Schärli als konzentriert-ökonomischer, zeitweise versonnener Trompeter, stets der Sanglichkeit verpflichtet, fast zögernd gestaltet er manche Phrase, sein Äußeres beschwört ein wenig Chet Baker-Flair herauf.
Querständige Ostinati
Bei diesen drei unterschiedlichen Persönlichkeiten, die zudem alle auch Kompositionen zum Set beitragen, klappt die Verständigung gleichwohl auf hohem spieltechnischem Niveau: Immer wieder gleitet Feigenwinter geradezu unmerklich in die Gitarrenlinien hinein, spinnt die Thematik kraftvoll weiter. Seine Stücke, etwa das «Kofferwort» oder die «Glocke», sind von verschrobenen, querständigen Ostinati getrieben, über denen Schärli seine sanften Solos mit nachdenklichen Liegetönen einleitet, während Moreira diesem so ganz «unbrasilianischen» Material mit minimalistischer Disziplin zu begegnen vermag. Auf eine delikate Begegnung der Schweizer Mentalität mit brasilianischem Strandleben lässt sich Schärli mit seinen «Lavadeiras» ein, bleibt dabei jedoch stilistisch sehr frei.
Wie überhaupt an diesem Abend die Klangsprache wohltuend unkonkret daher kommt, nur gegen Ende auf klare Zurodnungen des brasiliansichen Kosmos zusteuert. Eine Bossa wird mit etwas wehmütigen, seufzenden Glissandi aus dem Blechtrichter entlassen, Moreira wagt sich dazu mit fast liebkosender Haltung seiner Sechssaitigen bis in die höchsten Lagen. Und im Finale gibt es mit dem «Baião Barocco» eine beredte Umarmung des schiebenden, synkopischen Rhythmus aus dem Nordosten Brasiliens mit den typischen Figurationen des Abendlandes. Dieses ungleiche Trio sorgte für Unterhaltungswert auf hohem Niveau, vereinte zwei Kontinente auf engsten Raum und doch mit weiten kreativen Räumen – und bewies, dass während des Jazzfestivals auch das Bird’s Eye immer ein spannender Anlaufpunkt ist.