Die neue Saison verspricht viel Kampf & Selbstbestimmung

Das Theater Basel will nach dem vielbeachteten Neubeginn vor einem halben Jahr auf dem erfolgreichen Fundament weiterbauen. In der Spielzeitbroschüre 2016/2017 finden sich viele grosse Klassiker und illustre, altbekannte Namen, die hier erneut ihre Spuren hinterlassen möchten.

Intendant Andreas Beck, umringt von seiner Leitungscrew: Ballettchef Richard Wherlock, Musikdirektor Erik Nielsen, Chordirektor Henryk Polus und Kommunikationschefin Ingrid Trobitz (hintere Reihe) sowie Operndirektorin Laura Berman und Geschäftsführende Schauspieldramaturgin Almut Wagner.

(Bild: Dominique Spirgi)

Das Theater Basel will nach dem vielbeachteten Neubeginn vor einem halben Jahr auf dem erfolgreichen Fundament weiterbauen. In der Spielzeitbroschüre 2016/2017 finden sich viele grosse Klassiker und illustre, altbekannte Namen, die hier erneut ihre Spuren hinterlassen möchten.

«Wenn die Musik die Nahrung für die Liebe ist, füttert mich weiter, dass ich mich ganz überfress und mir der Appetit vergeht daran.»
Aus «Was ihr wollt» von William Shakespeare

Was hat der FC Liverpool, der am 18. Mai in Basel zum Europa-League-Final antreten wird, mit dem Musiktheater-Spielplan des Theater Basel zu tun? Mehr, als man im ersten Moment denkt. Denn die legendäre Hymne der Fans, «You’ll Never Walk Alone», wird auf der Grossen Bühne zu hören sein. Nicht als Fangesang im Zuschauerraum, sondern als herzzerreissende Arie im Musical «Carousel» von Rodgers und Hammerstein. Von dort stammt das oft gecoverte Original, was wohl auch die wenigsten Liverpool-Anhänger wissen.

Denn mit Fussball hat die Story des Musicals aus den 1940er-Jahren nichts zu tun. Wie auch der restliche Spielplan, der mit 36 Premieren viel und vor allem viel Spannendes zu bieten hat. Direktor Andreas Beck stellt seine zweite Basler Spielzeit unter das Motto «Vom Mythos der Möglichkeiten» und meint damit die jahrhundertealte Sehnsucht nach und den Kampf um Freiheit und Selbstbestimmung, für die das Theater stets eine wichtige Rolle gespielt habe.

Klassiker- und Uraufführungsparade

Auf den ersten Blick liest sich der Spielplan 2016/2017 des Theater Basel wie die Hitparade der klassischen Theater- und Opernliteratur: «Was ihr wollt» von Shakespeare, «Urfaust» von Goethe, «Wilhelm Tell» von Schiller, «Drei Schwestern» von Tschechow, «Don Giovanni» von Mozart, «Die Macht des Schicksals» von Verdi und «Alcina» von Händel. Ein wahres Fest für alle Deutsch- und Musiklehrer, könnte man meinen – zumal mit den Dramatisierungen von Blaise Cendrars‘ Biografie von General Sutter und Charles Ferdinand Ramuz‘ «Farinet» auch noch zwei Schweizer Klassiker vorkommen.

Dieses Bild gilt aber nur auf den ersten Blick. Denn bereits die Dramatisierungen von Cendrars‘ und Ramuz‘ Romanen sind eigentliche Uraufführungen. Insgesamt finden sich im Schauspiel- und Opernspielplan nicht weniger als 13 Uraufführungen und Schweizer Erstaufführungen (die Uraufführungen des Balletts nicht mitgerechnet). Darunter gleich mehrere Auftragswerke wie zum Beispiel «Im Turm zu Basel», mit dem die Autorin Theresia Walser einen komödiantischen Blick hinter die undurchdringbare Fassade des BIZ-Turms beim Bahnhof wirft. Oder «Retten, was zu retten ist» des Hausautors Philipp Heule.

Alte Texte, neu überschrieben

Das Theater Basel wird darüber hinaus auch in der zweiten Spielzeit der Ära Beck dem Prinzip des Überschreibens oder Neu-Denkens alter Stoffe treu bleiben – ein Vorgehen, das sich im Auftaktjahr bewährt hat. Hausregisseur Simon Stone hat in der auslaufenden Saison mit der Übertragung von Ibsens «John Gabriel Borkman» bewiesen, dass dies zu hervorragenden Resultaten führen kann. Kommende Spielzeit wird er sich mit Tschechows «Drei Schwestern» auseinandersetzen.

Und er wird erstmals in seiner grossen, aber noch relativ jungen Karriere eine Oper inszenieren: «Die tote Stadt» von Erich Wolfgang Korngold, ein Werk, das nach seiner Uraufführung 1920 ein grosser Hit gewesen sein soll, dann aber etwas in Vergessenheit geriet. Mit dieser Produktion des «Vaters der Filmmusik», wie Operndirektorin Laura Berman sagt, wird am 17. September die Opernsaison eröffnet.

Raus (und rein) in die Arena

Das Schauspiel beginnt bereits über einen Monat früher, nämlich am 13. August. Dann, wenn sich der Sommer hoffentlich noch von seiner besten, das heisst trockenen Seite zeigen wird. Denn die drei ersten Vorstellungen von Shakespeares Komödie «Was ihr wollt» in der Inszenierung von Hausregisseurin Julia Hölscher wird das Theater im Römertheater in Augusta Raurica, also unter freiem Himmel spielen. Dann gehts ins Foyer der Grossen Bühne, wo eine Indoor-Arena aufgebaut werde, wie Beck ankündigt.



Im Römertheater von Augusta Raurica gibts «Was ihr wollt».

Im Römertheater von Augusta Raurica gibts «Was ihr wollt».

Stone und Hölscher sind nur zwei von vielen Regisseuren, auf deren Inszenierungen man sich nach guten Erfahrungen in der ersten, auch in der  zweiten Beck-Spielzeit freuen kann. Die Hausregisseure Thom Luz und Nora Schlocker gehören dazu oder Daniela Kranz, die nach der Hunkeler-Reihe nun mit einem Erasmus-Projekt Aussenstationen abklappern wird.

Zwei illustre Rückkehrer

Freuen kann man sich darüber hinaus auch auf zwei illustre Rückkehrer aus früheren Zeiten: Zum Ersten auf den Katalanen Calixto Bieito, der in der vergangenen Delnon-Ära für zum Teil schrille Farbtupfer in der Oper gesorgt hatte. Er wird «Oresteia», ein Musiktheater von Iannis Xenakis, inszenieren – ein spartenübergreifendes Projekt nach Aischylos‘ «Orestie» mit Schauspielern und Sängern.

Und dann kommt mit dem einstigen Schauspielchef Stefan Bachmann ein zweiter guter alter Bekannter nach Basel zurück. Als Koproduktion mit dem Schauspiel Köln, das er heute leitet, wird er Schillers «Wilhelm Tell» inszenieren. Mit einem weiteren guten alten Bekannten im Schlepptau: dem Schauspieler Bruno Cathomas. Auf die Frage, ob Cathomas den Tell spielen werde, antwortet Beck mit einem verschmitzten Lächeln: «Das entzieht sich meiner Kenntnis.» Also im übertragenen Sinne – Ja.

Mehrere Koproduktionen

«Wilhelm Tell» ist nur eine von mehreren Koproduktionen, die auf dem Spielplan 2016/2017 stehen. Für Mozarts «Don Giovanni» hat sich das Theater Basel mit der English National Opera in London zusammengetan. Und die Schweizer Erstaufführung von «Satyagraha», des Meisters der Minimal Music, Philip Glass, ist eine Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin und der Vlaamse Opera Antwerpen.

Ein Wort schliesslich noch zum Ballett: Tanzchef Richard Wherlock hat seine Spielzeit ganz unter das Motto Helden und Antihelden gestellt. Das zumindest geht hervor aus den Titeln von drei Produktionen: «Jeanne d’Arc», «Robin Hood» und «Peer Gynt».

Schwangere können sich freuen

Und schliesslich können sich Schwangere bereits jetzt auf die nächste Spielzeit freuen: Am 12. Januar wird eine Produktion mit dem Titel «Murmeli» Premiere haben – ein Musiktheater für Babys bis zum Alter von 18 Monaten. «Wickelkommoden und ausreichend Kinderwagenabstellplätze sind vorhanden», heisst es.

Erfolgreicher Einstand

«Es sieht ziemlich gut aus», sagt Theaterdirektor Andreas Beck zur Auslastungs-Zwischenbilanz seiner ersten Spielzeit. Und dies trotz der störenden Bauarbeiten, die im Herbst 2015 den Saisonstart für über fünf Wochen hinausgezögert hatten.
In Zahlen ausgedrückt heisst dies, dass das Theater Basel per Ende April zwar 8000 Zuschauer weniger zu verzeichnen hat als im Jahr zuvor. Dies aber mit 35 Spieltagen weniger und dem Abbau von 150 Plätzen auf der Grossen Bühne, die der Umbau des Zuschauerraums zur Folge hatte. Insgesamt waren es bis jetzt rund 131’000 Zuschauer.
Sehr gut sieht es beim Schauspiel aus: Hier verzeichnet die Statistik bis Ende April ein Plus von über 8000 Zuschauern.

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