Der Baselbieter V.O. Pulver wurde mit «Carrion und «Poltergeist vor 25 Jahren eine Referenzgrösse im Thrash-Metal. Zwei Jahrzehnte nach ihrem Abtritt kehren Poltergeist zurück – vorerst nur auf die Bühne: Am 3. Januar spielen sie zusammen mit Erotic Jesus im Z7 in Pratteln.
Vorsätze fürs neue Jahr? Alte Kultband reformieren! So war das vor zwei Jahren in der Silvesternacht, bei V.O. Pulver zu Hause in Gelterkinden. Zu Gast waren frühere Bandkollegen, holten zu später Stunde die alten Platten aus dem Schrank, stellten die Rockposen nach, jemand fotografierte und lud die Bilder hoch auf Facebook. Ein Scherz, nichts weiter. Aber soziale Netzwerke folgen eigenen Dynamiken, die Fans von früher sahen die Bilder, und frohlockten: Reunion! «So trafen wir uns für eine Probe, die war gut, und wir dachten: Probieren wir es», erzählt Pulver.
Die Anfänge des Schweizer Thrash-Metal
Vor 30 Jahren erhielt der Thrash-Metal, dieses rohe, schnelle und brutale Stiefkind des Genres, wichtige Impulse aus der Schweiz – vor allem aus Zürich: Celtic Frost definierten mit «Into The Pandemonium» die Grenzen des Thrash-Metal neu, Coroner schufen mit Alben wie «Mental Vortex» einen Metal, der innovativ blieb und dennoch zu eingängigen Songs fand. Und aus der Region kamen die Bands um V.O. Pulver: Carrion und, später, Poltergeist.
Pulver war ein Teenager, als er mit ein paar Gleichaltrigen 1985 Carrion gründete, und weil sie ihre Instrumente noch nicht richtig beherrschten, spielten sie die Gitarren umso härter, schneller, fieser. Carrion orientierten sich an den damaligen Pionieren des Thrash-Metal, suchten auf der Rückseite ihrer Lieblingsalben nach den Adressen von Plattenfirmen, schickten ihre ersten Demos nach Deutschland – und erhielten ihren ersten Vertrag. «Wir waren jung und wurden gnadenlos über den Tisch gezogen», erinnert sich Pulver heute. «Wir unterschrieben Verträge, für die wir als Minderjährige gar nicht autorisiert gewesen wären und verloren so alle Rechte an den Alben.»
Fanpost aus Skandinavien
Aber bis heute erhält Pulver Fanpost aus Skandinavien, in denen Metalfans ihm kundtun, wie wichtig das einzige Album von Carrion, «Evil Is There», für ihre musikalische Sozialisation gewesen sei. Carrion hielten zwei Jahre durch, danach kam Poltergeist. Hier entwickelte Pulver seine druckvollen, charakteristischen Metal-Riffs, und hier lockte das Ausland noch intensiver: Poltergeist kamen bei der deutschen Firma «Century Media Records» unter, damals ein neuer Akteur, heute eines der führenden Häuser für dunklen Metal. Drei Alben veröffentlichten Poltergeist bis in die frühen 90er-Jahre und erspielten sich vor allem mit ihrem zweiten Album «Behind My Mask» einen respektablen Namen in Metal-Kreisen.
Was davon noch übrig ist, darauf ist auch Pulver gespannt. «Metal hat sich weiterentwickelt, vom Thrash-Metal sind nur die grossen Namen übrig geblieben», weiss er. Pulver selbst ist mittlerweile in einem anderen Genre zuhause. Nach dem Ende von Poltergeist, 1993, gründete er mit Gurd seine langlebigste Formation, mehr im Hardcore und Crossover zuhause als im Metal.
Auf Metal-Kreuzfahrt in der Karibik
Gurd wird auch weiterhin seine Hauptband bleiben, aber die Wiederauferstehung von Poltergeist hat erste Spuren hinterlassen: Anfang 2014 waren Poltergeist Teil der Metal-Kreuzfahrt «70’000 Tons of Metal», die während vier Tagen ein paar Dutzend Bands und ein Schiff voller Fans von Miami aus durch die Karibik gondeln liess, danach folgten ein paar Festivalauftritte, vor allem in Deutschland. Das Comeback sei gelungen, sagt Pulver, vorläufig zumindest. «Ob es noch ein neues Album von Poltergeist geben wird, steht in den Sternen.»
Jeder der Musiker – neben Pulver sind auch die beiden anderen Gründungsmitglieder André Grieder und Marek Felis wieder dabei – hat noch andere Projekte oder Jobs am Laufen, hinzu kommen familiäre Verpflichtungen. Und auch die Musik hat sich gewandelt.
Als «Nostalgiefahrten» bezeichnet Pulver die Festivals, an denen Poltergeist 2014 gespielt haben, «natürlich waren da auch junge Leute darunter, ein guter Teil des Publikums hört diese Musik jedoch schon seit über 20 Jahren.» Daher ist Pulver auch vorsichtig, den Markt für ein neues Album abzuschätzen. Für die drei Platten von Poltergeist, die zwischen 1987 und 1993 erschienen sind, hält er noch immer die Digitalrechte und hat somit den Online-Verkauf im Blick: es seien «überschaubare» Zahlen.
«Wir werden ein paar Sachen ausprobieren und schauen, was dabei rauskommt. Erzwingen lässt sich das jedoch nicht, und finanziell lohnt sich das sowieso nicht. Wenn die neuen Ideen nicht taugen, bleiben wir beim alten Material.» Pulver kann sich die Freiheit nehmen, offen für Versuche zu sein: als Betreiber des Tonstudios «Little Creek» in Gelterkinden verfügt er über das Know-How sowie das Equipment dazu.
Auch Erotic Jesus feiern ein Comeback
Aropos Nostalgie – für das Konzert im Z7, dem ersten Heimspiel seit dem Comeback, wird neben Poltergeist noch eine zweite Basler Metal-Band Wiederkunft feiern: Erotic Jesus.
Die waren in den frühen 90er-Jahren, der Hitzezeit des Crossover, während zwei Platten und drei Jahren kometenartig dabei, tourten mit den Manic Street Preachers oder Ice-T’s Body Count, begeisterten die Kritiker – und lösten sich erschöpft wieder auf. Zwanzig Jahre herrschte Stille um dieses ehemals legendäre Quartett, deren Mitglieder nun andere Bands wie Blackberry Brandies (Gitarrist Thomas Baumgartner) oder Zlang Zlut (Schlagzeuger Fran Lorkovic) führen. Nun kommen sie wieder zusammen, um das Comeback von Poltergeist zu feiern. Einmalig, wie es heisst. Aber man weiss ja nie, bei solch spontanen Aktionen.
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Poltergeist: Z7, Pratteln. Sa, 3. Januar 2015, 18 Uhr.