Silvia Boss hantiert mit Mäuseknochen und Elefantenhaut – und macht daraus einzigartige Bilderrahmen. Kommenden Freitag stellt sie ihren neusten Streich aus: Spiegelrahmen aus chinesischen Materialien.
In der Werkstatt von Silvia Boss steht die Zeit still. Computer und Smartphones sucht man hier vergebens. Stattdessen erwartet den Besucher ein Raum so faszinierend wie ein barockes Kuriositätenkabinett: Geheimnisvolle Tinkturen stehen auf wackeligen Regalen, an den dunkelgelb gekachelten Wänden baumeln merkwürdige Werkzeuge neben farbigen Drucken, vergoldete Schweineköpfe aus Pappmaché liegen auf dem Werktisch und aus der oberen Zimmerecke lacht ein Totenkopf von der Wand. «Ach, der ist doch bloss aus Plastik!» lacht Silvia Boss und fast ist man ein wenig enttäuscht.
Silvia Boss ist Rahmenmacherin. Seit 16 Jahren hat sie ihr Atelier am Blumenrain, ein kleiner Laden mit Werkstatt im Untergeschoss. Im Schaufenster halten zwei ausgestopfte Hermeline ihr Namensschild, im Regal stehen exzentrische Glasfiguren und neben den zahlreichen kunstvollen Rahmen hängt ein Gorilla mit versilberter Schnauze. Sofort ist klar: Hier ist keine gewöhnliche Rahmenmacherin zu Hause.
Knochen, Haut und alte Tapeten
Da kann Silvia Boss nur zustimmen. Sie hantiert nicht allein mit Holz und Winkel, sondern ebenso mit Materialien, die man nicht unbedingt in einem Rahmen erwarten würde. Dazu gehören Mäuseknochen, Elefantenhaut oder die alte Tapete des Seidenhofs nebenan, die die quirlige Baslerin eigenhändig runterriss, um sie in einem Rahmen zu verarbeiten. «Ich arbeite mit allem, was mir in die Finger kommt», meint sie und die dunkeln Augen blitzen vergnügt. «Ich habe so viele Ideen, dass ich mir manchmal auf die Finger klopfen und sagen muss: Fertig jetzt!» Die Bilder- und Spiegelrahmen, die so entstehen, sind Unikate, nicht umsonst steht über dem Laden «Rahmenkunst».
Dabei ist Silvia Boss eher durch Zufall zum Rahmenmachen gekommen: Mit Dreissig beschloss sie, einen «richtigen Beruf» zu erlernen und hörte sich nach Lehrstellen um. Sie war viel gereist, hatte auf der Alp und in Taxizentralen gearbeitet, Kinos geputzt und eine Familie gegründet. «Auf der Gasse» erfuhr sie, dass «Altmeister» Christoph Jäggi im Gellert Lehrlinge ausbildete. Boss ging hin, stellte sich vor und wurde sofort zur Lehre angestellt.
Es folgten zehn Jahre Wohnen und Arbeiten in der Alemannengasse, bis sie am Blumenrain ein leerstehendes Lokal mit der Anschrift «Boss» sah. «Da war klar, dass ich umziehen musste», lacht sie. Sie zügelte ihre Arbeitsutensilien an den Blumenrain und arbeitet seither hier, zurzeit zusammen mit ihrer elften Lehrtochter, eine von insgesamt 18 Jugendlichen, die in der Schweiz eine Ausbildung zum Rahmenmacher (offizielle Bezeichnung: «Vergolder») machen. Zu Hause ist Boss jedoch auf dem Land, in Lauwil, wo sie nach der Alemannengasse hinzog. «Da habe ich ein lichtdurchflutetes Atelier mit Katzen, die zu Besuch kommen, Obstbäumen und sternenreichen Nächten – das macht mich wahnsinnig glücklich.»
Ost und West im Rahmen vereint
Ebenso glücklich macht Silvia Boss das Reisen: Zweimal war sie mit einer Freundin für längere Zeit in China und deckte sich auf den zahlreichen Märkten mit Material ein. Zweimal schickte sie ein Paket nach Hause, den Rest brachte sie selber zurück nach Basel: Alte Schriftrollen, Tierfiguren, Reispapier, Münzen und vieles mehr. Die Materialien vereinte sie mit ihren üblichen Werkstoffen. Daraus entstanden 60 eindrucksvolle Unikate, 60 Spiegelrahmen, die Ost und West vereinen, wie die Rahmenkünstlerin meint.
Ab heute Abend sind die Rahmen in der Jugendstil-Art Deco Galerie in der Spalenvorstadt ausgestellt. Auf der Einladung zur Vernissage steht gross: «Der kreative Geist spielt mit den Objekten, die er liebt.» Nach diesem Besuch in Silvia Boss‘ Kuriositätenkabinett steht fest: Die Worte von C.G. Jung sind der perfekte Rahmen für diese ausserordentliche Künstlerin.
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Vernissage am Freitag, 7. November von 16 bis 20 Uhr in der Jugendstil Art Deco Galerie. Die Ausstellung dauert bis zum 7. Dezember. Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag von 16 bis 20 Uhr, am Wochenende von 10 bis 14 Uhr.