«Die Reaktionen auf die Ausstellung sind zu 99.8 % positiv»

Die bislang grösste Sonderausstellung im Museum für Musik geht in die Verlängerung: Aufgrund des grossen Interesses wird die Geschichte der Basler Pop- und Jugendkultur noch bis Ende August 2014 ausgestellt. Prägende Musiker reden in den nächsten Wochen vor Ort über ihr Schaffen, ihre Szene, ihre Vergangenheit.

Der Kurator ist am Lenker: Martin Kirnbauer kann sich freuen, pop@basel geht in die Verlängerung. (Bild: Marc Krebs)

Die bislang grösste Sonderschau im Museum für Musik geht in die Verlängerung: Die Geschichte der Basler Pop- und Jugendkultur wird noch bis Ende August 2014 ausgestellt.

Nichts gegen die Renaissance, nichts gegen mittelalterliche Blasinstrumente oder Trommeln. Aber das Museum für Musik, das im alten Lohnhof untergebracht ist, schien lange Jahre gefangen zu sein in einer Vergangenheit, die nur sehr spezifisch interessierte Menschen abzuholen vermochte. Anders verhält es sich mit «pop@basel», der neusten Sonderausstellung. Bereits zur Vernissage im September 2013 fanden sich rund 400 Interessierte ein: ein rekordverdächtiger Ansturm.

Eigentlich war die Ausstellung, die diverse Aspekte der Basler Pop- und Rockgeschichte in Tönen, Bildern und Objekten veranschaulicht, bis zu den Sommerferien vorgesehen. Jetzt wird sie verlängert. Warum? Das haben wir den Museumsleiter und Ausstellungskurator Martin Kirnbauer gefragt.

Herr Kirnbauer, die Ausstellung pop@basel geht in die Verlängerung. Was heisst das? Dass sie bisher zu wenig besucht wurde – oder dass sie ganz im Gegenteil sehr beliebt ist?

Letzteres! Die Ausstellung läuft sehr gut. Die Besucherzahlen sind erfreulich. Wir stellen sehr deutlich fest, dass viele Leute unser Haus zum ersten Mal überhaupt besuchen, das heisst, unser Haus wird von Menschen aus allen Altersgruppen erstmals überhaupt entdeckt. Das freut mich natürlich besonders. Hinzu kommt, dass die Reaktionen zu 99.8 Prozent positiv sind. Das klingt jetzt ein bisschen DDR-mässig, ist aber wirklich eine Tatsache. Das zeigen alleine die Einträge im Gästebuch, die fast ausnahmslos positiv sind. Negative Feedbacks sind äusserst selten, ich erinnere mich an eine Dame, die kurz nach der Vernissage bei uns war und sagte: «Ich komme wieder, wenn diese Ausstellung vorbei ist.» Sie war offensichtlich nicht angetan – aber eine grosse Ausnahme. Wichtig für mich ist dabei die Bemerkung, dass sie wiederkommen wird.

pop@basel Dialoge – im Basler Museum für Musik:


So, 23. März, 15h
Marc Krebs, Kulturredaktor TagesWoche und Roli Frei, Circus, Lazy Poker, Soulful Desert 

So, 30. März, 15h
Tara Hill, Musikjournalistin, und Fränzi Madörin, Les Reines Prochaines

So, 6. April, 15h
Danielle Bürgin, Head of Musik Radio Basilisk, und Adrian Sieber, Sänger und Songwriter, Lovebugs

So, 13. April, 15h
Christoph Alispach, Musikredaktor DRS 3, und Elia Rediger, The bianca story

Erreichen Sie mit der Ausstellung, in der die Geschichte von Rock’n’Roll bis Rap in Basel visualisiert wird, vor allem ein junges Publikum?

Nicht nur. Wir haben auch viele Besucher über 30 und bis ins Rentenalter, die bei uns reinschauen. Doch stimmt es schon, dass die Ausstellung bei Lehrern sehr beliebt ist – und die suchen sich ja aus, welche der zahlreichen Ausstellungen in den Basler Museen sie mit ihren Klassen besuchen wollen. Das Thema ist attraktiver als zum Beispiel Renaissancemusik. Zahlenmässig übertreffen wir daher andere Sonderschauen klar.

Aber, man sieht es Ihnen an: Die gesteigerten Besucherzahlen sind nicht der einzige Grund für Ihre Freude.

Richtig. Für mich ist das Feedback der Führungspersonen sehr interessant und bereichernd. Rockgeschichte ist für Jugendliche eigentlich ein fremdes Gebiet, das sie allgemein historisch nicht reinzieht. Über einzelne Aspekte der Ausstellung werden sie aber offenbar sehr gepackt: Sei das der Wandel der Medien, vom Plattenspieler zum mp3-Player, oder die Unterschiede der Frauenbilder und Männerbilder in der Popmusik. Solche Punkte interessieren sie. Was auch sehr gut ankommt: Dass sie viel selber machen können in dieser Ausstellung: Songs hören, Filme abspielen, Gitarre spielen – und sogar einen Pop-Song neu abmischen. Letzteres kommt enorm gut an und sorgt für  Aha-Erlebnisse. Ich wuchs in meiner Jugend noch mit 4-Spur-Geräten auf, für mich ist das nichts Neues. Die Jungen von heute aber kriegen ihre Musik pfannenfertig geliefert, konfektioniert. In dieser Ausstellung erfahren viele erstmals, wie ein Song zusammengestellt wird, was es heisst, mit mehreren Spuren zu arbeiten.

Und jetzt ist die Verlängerung bereits beschlossen?

Ja, genau. Das Jahr ist zwar noch jung. Dennoch haben wir bereits entschieden, dass wir pop@basel bis zum 24. August laufen lassen.

So haben Sie diese noch die Sommerferien über im Programm?

Richtig. Die Verlängerung hat zudem den Nebeneffekt, dass wir den Mega-Anlass «Em Bebbi sy Jazz» noch mitnehmen können. Da wird ja immer auch der Innenhof unseres Museums im Lohnhof bespielt. Dadurch ergibt sich für uns in diesem Jahr eine tolle Verknüpfung, vom Jazz im Innenhof zur Ausstellung pop@basel im Museum. Am selben Wochenende, am Sonntag 24. August, werden wir Finissage feiern. Dafür prüfen wir derzeit verschiedene Ideen für einen speziellen, spektakuläreren Abschluss. 

Die Ausstellung übertrifft in Sachen Aufwand und Grösse alle bisherigen im Museum für Musik – und sie ist wirklich toll gestaltet. Ein Wermutstropfen aber bleibt: Interaktionen und Inputs, die man sich gerade online erhofft hatte, halten sich in Grenzen. Dabei ruft das Historische Museum explizit jedermann und -frau dazu auf, eigene Erinnerungen und Videos auf Plattformen wie Pinterest zu posten.  

Ich betreue diesen Teil nicht und kenne mich da auch nicht so aus, kann Ihnen nicht sagen, ob da mehr zu erwarten gewesen wäre. Was aber auffällt: Immer mehr Leute kommen persönlich vorbei und wollen Material zeigen oder abgeben. Ich habe zum Beispiel kürzlich Filmmaterial erhalten, das ich gleich von Beginn weg in die Ausstellung eingebaut hätte: einen wunderbaren Film aus dem Basler Sommercasino etwa, den Jugendliche in den 1960er-Jahren selber gedreht hatten. Dieser erzählt in 30 Minuten eine Geschichte, die den amerikanischen Halbstarken-Filmen nachempfunden ist, aber viel Basler Lokalkolorit enthält und ein wunderbares Zeitdokument darstellt.

Schöne Überraschung, dass Basler Filme auftauchen, die vor 50 Jahren, quasi zur ersten Jugendbewegung, entstanden sind.

Ja, sehr überraschend und eindrücklich! Ein Rock-Musiker, der damals involviert war, hat uns darauf aufmerksam gemacht. Wir haben einige schöne Erfahrungen dieser Art gemacht: So erschien bei einer Führung auch ein Halbstarker, der vor 50 Jahren unter dem Namen Igel in Basel bekannt war. Der Mann ist heute 73-jährig – und voller lebhafter Erinnerungen, wie er mit seinem 3-seitigen Gästebucheintritt verdeutlichte. Ich habe ihn seither nochmals getroffen, er hat mir Poesiealben voller Bilder, Anekdoten und Zeitungsausschnitte gezeigt, unglaublich viel dokumentiert, was die Halbstarken und Rocker der ersten Generation angeht. Inzwischen fotografiert er auch die Gräber ehemaliger Weggefährten – was einen auf traurige Weise daran erinnert, dass seine Generation allmählich ausstirbt. Da ist also ein ungeheurer Schatz, den er selber gesammelt hat, von einer Szene, die man bald nicht mehr persönlich kontaktieren kann. Solche Archive und Begegnungen bildet das Internet leider noch nicht so ab.

Was machen Sie mit solchen privaten Sammlungen, die über die Musik hinausgehen und ein Stück Gesellschaftsgeschichte dieser Region dokumentieren?

Das ist eine gute Frage, eine wichtige auch, die ich aber leider nicht beantworten kann. Keine Stelle, die in Frage kommt, kann es sich leisten, sich um solche privaten Sammlungen zu kümmern – weder unser Museum noch der RFV oder das Staatsarchiv. 

Wäre eine Privatsammlung eines Halbstarken ein Fall für die Uni, weniger für die Musikwissenschaften als für Geschichte oder Soziologie? 

Vielleicht. Doch brauchen solche Projekte an der Uni eine Vorlaufszeit … Vielleicht hätten wir das Sammeln der Materialien während der Ausstellung schon im Vorfeld stärker berücksichtigen und miteinbeziehen sollen. Andererseits ist es ja so, dass das Sammeln alleine noch nicht sehr viel bringt, wäre damit ja noch lange nicht alles getan – eine Sammlung macht nur Sinn, wenn sie erfasst und eingeordnet wird. Auf jeden Fall bin ich froh, dass sich immer wieder Leute melden und uns Einblicke in Ihre Sammlungen geben!

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