Die Sarasins kehren als «Wachsfiguren» in ihr Museum zurück

Das Museum der Kulturen feiert an der Museumsnacht seinen 125. Geburtstag und gedenkt dabei zweier seiner Urväter, Fritz und Paul Sarasin.

Fritz und Paul Sarasin in den 1880er-Jahren auf einem erlegten Elefanten in Ceylon.

Das Museum der Kulturen erweckt die Forscher und Museumsmitbegründer Fritz (1859–1942) und Paul Sarasin (1856–1929) wieder zum Leben: «Als Wachsfiguren wurden die Sarasins 125 Jahre lang in Balangonong bestaunt», heisst es in einer Medienmitteilung zur Museumsnacht, die zugleich Auftakt zum 125-Jahre-Jubiläum des Hauses ist. «Nun kommen sie als Leihgabe nach Basel zurück und berichten über ihre Erfahrungen als Ausstellungsobjekte.»

Balangonong? Könnte irgendwo in Sri Lanka sein oder auf Sulawesi (Indonesien). An beiden Orten haben die Sarasins emsig Forschung betrieben und Objekte fürs Museum (und den Zolli) gesammelt. Doch dieser Ort existiert nicht. Und man stelle sich einmal Wachsfiguren in einem Dorf in den Tropen vor…

«Das Ganze ist natürlich Fiktion», klärt Museumsdirektorin Anna Schmid auf. Die Wachsfiguren werden von Schauspielern dargestellt. Es ist eine hintersinnige Anspielung auf das Leben und Wirken der beiden Vettern zweiten Grades, die zugleich viel über die frühe Basler Museumspolitik, die Ethnologie des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und den legendären Basler Daig aussagt.

1883 waren die beiden überaus vermögenden Privatgelehrten, die Medizin und später Zoologie studiert hatten, nach Ceylon (heute Sri Lanka) gereist. Mit im Gepäck hatten sie den Auftrag, für das Naturhistorische Museum Tierskelette zu sammeln. Sie interessierten sich offensichtlich aber mehr für die Vedda, in denen sie eine Art Urvolk der Menschheit vermuteten. Sie vermassen diese Leute, fotografierten sie ausgiebig und liessen später für das neue Basler Völkerkundemuseum eine Gruppe mit drei lebensgrossen Reproduktionen herstellen.

Nachbildung einer Vedda-Gruppe im Auftrag von Fritz und Paul Sarasin.

Dies wirft ein vieldeutiges Bild auf die Ursprünge der Ethnologie, die von kolonialem Entdeckergeist, der Faszination des Unbekannten und von einem westlich geprägten Blick auf «primitive», das heisst unzivilisierte Lebensweisen geprägt war. Dass Forscher Menschen vermessen, ihre Schädel mit denen von Schimpansen vergleichen und daraus Schlüsse auf Evolutionsstufen schliessen, ist heute nicht mehr State of the Art in der Ethnologie.

Fritz Sarasin äusserte schon 1917 die Befürchtung:

«Unaufhaltsam legt sich das europäische Maschinenleben wie ein todbringendes Netz über den Erdball und erstickt in seinen unentrinnbaren Maschen alles ursprüngliche Völkerleben.»

Die Sarasins haben als Musterbeispiele für das bürgerliche Engagement im Dienste der Wissenschaft und der Allgemeinheit Basler Museumsgeschichte geschrieben. Fritz wurde Präsident der ethnografischen Kommission, aus der später das eigenständige Museum für Völkerkunde hervorging, dessen erster Direktor er wurde. (Die Kommission war 1893 gegründet worden, was als eigentliche Geburtsstunde des Museums der Kulturen gilt.)

Forscher und Museumsleute ohne Lohn

Die beiden Sarasins forschten und wirkten auf eigene Kosten – auf einen Broterwerb waren sie nicht angewiesen. Privatgelehrte nannte man das oder etwas vornehmer ausgedrückt: «gentlemen scientists». Sie absolvierten auch ihre Forschungsreisen auf eigene Kosten. Als Schweizer Bürger fanden sie in den Kolonien Grossbritanniens (Ceylon) oder der Niederlande (Sulawesi, damals noch unter dem Namen Celebes bekannt) offene Türen vor. Denn die Kolonialmächte hatten von Baslern keinerlei Machtansprüche zu befürchten. Die Königin der Niederlande nahm die beiden sogar als Ritter in den Orden von Oranje-Nassau auf.

Nicht alle Elefanten bezahlten die Begegnung mit den Sarasins mit ihrem Leben: Miss Kumbuk in Basel.

Neben ihren ethnografischen Studien interessierten sich Fritz und Paul Sarasin auch für die Tierwelt. Auf einem Foto posieren die beiden auf einem erlegten Elefanten. Wenige Jahre später schenkten sie dem Basler Zolli ein süsses Elefantenkalb, das als Miss Kumbuk rasch zum Publikumsliebling wurde. Dieser Name blieb mit den Importeuren des Tieres verbunden: Die Architekten Eduard, Ernst und Paul Vischer tauften ihr 1917 realisiertes Neubauprojekt für das Völkerkundemuseum auf den Namen «Cumbuk».

Wenn es in Basel ein Wachsfigurenkabinett gäbe, dann hätten Fritz und Paul Sarasin also einen Platz auf sicher: wegen ihrer international anerkannten Bedeutung als Wissenschafter, als Museumsgründer und womöglich auch wegen den Gerüchten, die ihr Privatleben begleiteten.

Als Dichter weniger begabt

Die Vettern zweiten Grades waren einander ein ganzes Leben lang eng verbunden: Sie hatten zusammen studiert, sie reisten zusammen, arbeiteten und lebten zusammen. Auch wenn es nicht bis ins letzte Detail verbrieft ist, kann man davon ausgehen, dass sie nicht nur die Wohnung, sondern auch das Bett teilten.

Zur Homosexualität konnte man sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert aber natürlich noch nicht bekennen – schon gar nicht als Mitglied des Daigs. Kam dazu, dass Pauls Vater als erzkonservativer Politiker und extrem frommes Kommissionsmitglied der Basler Mission ein Coming-out seines Sohnes niemals verkraftet hätte.

So blieb Paul nichts anderes übrig, als seine Liebe zu Fritz in der Halböffentlichkeit als  – nicht sonderlich begabter – Dichter auszuleben. In einem «an F.S.» gewidmeten Gedicht heisst es unter anderem:

«Du bleibst mir treu in den seligsten Stunden
Ich hab als Glückstern dich gefunden.»

Museum der Kulturen an der Basler Museumsnacht vom 19. Januar: «Happy Birthday» unter anderem mit einer Performance zu den Museumsmitbegründern Fritz und Paul Sarasin.

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