Ein unglaublich bewegliches Kammerorchester Basel und die noble Virtuosin Angela Hewitt spielten in der Martinskirche. Bei allem Feingeist behielt ihr Klavierspiel etwas Kühles.
Man nennt Ensembles Klangkörper. Dabei ist es etwas Besonderes, wenn viele Instrumentalisten einen Körper bilden, wenn aus vielem Eines wird. Zwar erreichen nicht wenige Ensembles dieses Zusammenwachsen, doch der Körper des Kammerorchesters Basel lässt sich mit den Worten beschreiben, mit denen das Konzert vom 27. Mai übertitelt war: tastend bis tänzerisch.
Yuki Kasai wurde 1979 in Basel geboren und tanzt auf allen Hochzeiten: Sie ist neben zahlreichen Gasttätigkeiten Konzertmeisterin bei der Kammerakademie Potsdam, beim Ensemble Oriol Berlin und seit 2011 beim Kammerorchester Basel.
(Bild: Lucian Hunziker)
Wie bieder liest sich das im Programmheft. Doch auf der Bühne findet genau dies statt: ein Körper wie ein springendes Kind, biegsam, federnd im Auftreten, schlank. Viel Verdienst daran hat die Konzertmeisterin Yuki Kasai (siehe Box). Nicht in einem Dirigenten hat die Sprungkraft ihr Zentrum – das Kammerorchester kommt häufig ohne aus – sondern in der Konzertmeisterin, die da wirbelt und tanzt. Einzig die Bläser sind ihrer Führung manchmal einen Tick hinterher, obwohl sie über ein reich beseeltes Klangspektrum verfügen.
Der «Jeunehomme» und seine Helena
Im Zentrum des Abends: die kanadische Pianistin Angela Hewitt, die vom Kammerorchester in zwei frühen Klavierkonzerten von Mozart begleitet wurde; darunter auch das Schlüsselwerk KV 271, bekannt unter dem Namen «Jeunehomme». Forscher haben 2004 gezeigt, das die Bezeichnung falsch und eine Erfindung von Biographen ist: Die Pianistin, der das Stück gewidmet ist, heisst keineswegs «Jeunehomme». Doch was wäre diese Korrektheit für ein Raub am sprechenden Titel. Die Komposition des 21-jährigen Mozart ist ein Markstein für den Eintritt in seine erwachsene Schaffensphase.
Und überhaupt: Ist nicht Mozart zu jeder Zeit ein «Jeunehomme»? Jung, von Beginn an ernst, zart und dreist, eine einzige Potenz? Zu ihm gesellt sich Angela Hewitt, in einem lodernden, untaillierten Kleid, die braunen Locken zurückgesteckt; die Klassik ist ihr auf den Leib geschneidert. Ihr Spiel ist hell, völlig ungeschönt, nobel vorandrängend – dem «Jeunehomme» eine schöne Helena!
Und ein Rätsel umgibt sie. Auch wenn sie bisweilen herb phrasiert und ihre Verzierungen nicht ohne den letzten Widerstand sind: Sie kann alles und hat freie Wahl für ihr Vokabular. Man sitzt in den Bänken der Martinskirche und hört diesen hochpräsenten Feingeist, doch etwas bleibt kühl. Wahrscheinlich will sie das sogar. Sie hält sich bewusst bedeckt und setzt sich selbst nicht aufs Spiel. Sie verzichtet darauf, ihr Publikum zu verzaubern und mitzureissen. Ihre Kunst bleibt beherrscht.
Mozartcollage von Lukas Langlotz
Zwischen den Klavierkonzerten spielte das Kammerorchester eine Komposition des Basler Komponisten Lukas Langlotz (*1971), eine Collage aus Entwurfsfragmenten von Mozart und Beigaben aus Langlotz’ Hand. Unveränderte Mozartpassagen wechseln mit atonalen Klangstücken, die Langlotz, der im Publikum anwesend war, ebenfalls aus Mozartzitaten zusammensetzte. Man hört es sehr gern, und sei es als Suchspiel.
Am Schluss gab es langen Applaus für Angela Hewitt, lang aber nicht jubelnd, und damit ist ihr Spiel schon wieder passend beschrieben. Sie bedankte sich mit einer fast mathematisch akkuraten Gigue aus Bachs erster Partita.
Zehn Sekunden Mozart mit Angela Hewitt: