Die sezierten Gesichter von Ata Bozaci

Mit einer Serie von Porträts, die er am Computer schafft, bewegt sich Ata Bozaci von seinen Ursprüngen als Graffiti-Künstler weg. Die Handschrift des Berners, der einst auch die Basler Bahnhofseinfahrt besprayte, bleibt trotzdem erkennbar, wie man aktuell im Artstübli sehen kann.

Auch Babys lassen sich am Computer künstlerisch sezieren. (Bild: ©Ata Bozaci)

Mit einer Serie von Porträts, die er am Computer schafft, bewegt sich Ata Bozaci von seinen Ursprüngen als Graffiti-Künstler weg. Die Handschrift des Berners, der einst auch die Basler Bahnhofseinfahrt besprayte, bleibt trotzdem erkennbar, wie man aktuell im Artstübli sehen kann.

Wahnwitzige Monster, verrückte Insekten oder frivole Fräuleins – in Basel wurden während der 90er-Jahre viele der berüchtigsten Graffiti-Figuren von einem Berner an die Wände gesprayt. Ohne den Pfeffer von Toast, so der Künstlername des Ausnahmekünstlers, wären die Buchstabensuppen an Bahnhofseinfahrt oder Bachgrabenwand um einiges fader gewesen. Die Maltechnik von Toast war so filigran, dass die Bilder der Konkurrenz daneben aussahen, als hätte man sie mit einem Besen gemalt. Brechstange gegen Skalpell. 

«Diese Arbeit hat schon etwas Chirurgenhaftes», sagt jener Berner heute, zwei Dekaden später, nachdem er (nicht nur) Basel erobert hat. Allerdings redet er nicht über seine damaligen Wandbilder, sondern über die Werke seiner aktuellen Solo-Show «Beautiful Facebook – 15 Seconds of Fame», zu sehen im Basler Artstübli. Das Herz der Ausstellung bildet eine Serie von rund 120 Porträts. Für diese hat Ata Bozaci – das Pseudonym Toast hat der gelernte Grafiker inzwischen abgestreift – die Gesichter seiner Freunde digital seziert, in Kreise zerlegt und neu zusammengesetzt. Die Resultate entfalten in ihrer Schlichtheit und Symmetrie eine fast schon gespenstische Ästhetik. «Das Konzept der Bildserie orientiert sich am allgegenwärtigen Schönheitswahn im Netz – deshalb der Name Beautiful Facebook», erklärt Bozaci. «Durch den symmetrischen Aufbau der Gesichter wirken diese halt immer etwas hübscher als in Wirklichkeit.»

Ein, zwei Seitenblicke

Unter den symmetrischen Frontal-Porträts tanzen zwei Gesichter mit ihrem kecken Seitenblick aus der Reihe. Während Ata Bozaci auf dem Trottoir vor dem Artstübli über Kunst und Kreise philosophiert, kommt eine der beiden Original-Vorlagen auf einer mattschwarzen Harley Davidson angedonnert. Der Graffiti-Kumpel von damals wird lachend begrüsst. Vereinte Gegensätze, denkt sich der geneigte Beobachter, denn die Bilder des Harley-Fahrers waren damals das krasse Gegenteil von Toasts messerscharfen Charakter-Köpfen: dicke, plakative Blockbuchstaben, wie man sie von den Pionieren aus New York kannte.

Sigi von Koeding alias Dare.

Sigi von Koeding alias Dare. (Bild: ©Ata Bozaci)

Bozacis zweiter Seitenblick gilt dem bis dato wohl berühmtesten Schweizer Graffiti-Sprayer, einer Legende, die mit einer unvergleichbaren Eleganz die Klarheit des Alphabets mit der Präzision von Bozacis Porträts kombiniert hat. Die Rede ist vom Basler Graffiti-Künstler Sigi von Koeding alias Dare, dessen Todestag sich am 6. März zum fünften Mal gejährt hat. Als Dare 2007 zusammen mit seinem Freund und Crew-Kumpel Toast ein Apartment in Gunter Sachs‚ Schloss am Wörthersee bemalte, gingen die Bilder davon um die Welt.

Ata Bozaci erinnert sich: «Als wir das Projekt für Gunter Sachs beendeten, war ich so übernächtigt, dass ich während des Malens in einem der Zimmer eingeschlafen bin. Sigi, der ja sehr gerne Cola trank, stand so im Türrahmen, dass das Gegenlicht nur seine Silhouette erscheinen liess. Mit einem unendlich langen Rülpser hat er mich dermassen aus meinem Tiefschlaf gerissen, dass ich dachte, ich werde von Aliens entführt. Ich rannte komplett orientierungslos im Zimmer herum, bis ich realisiert habe, wo ich war. Das muss ziemlich bescheuert ausgesehen haben – Sigi konnte sich kaum von seinem Lachkrampf erholen.»

Dare sprengt den Rahmen

Klar hat Bozaci auch Dare für seine aktuelle Ausstellung verewigt. Das in Schwarzweiss gehaltene Bild tanzt nicht nur durch die seitliche Ausrichtung des Porträtierten aus der Reihe, es will sich auch partout nicht einsperren lassen: Bei den Vorbereitungen in Basel passte Dares digitales Abbild als Einziges nicht in den Rahmen. «Sein Porträt in einem Rahmen, das ist wohl zu einengend für Sigi – immer noch hartnäckig, der Bursche», sagt Bozaci mit einem Lächeln.

Die Werke zur Serie «Beautiful Facebook – 15 Seconds of Fame» sind komplett am Computer entstanden. Bozaci nennt das «digitale Handarbeit». Trotzdem ist die Handschrift des Berners auch in seinen neusten Werken deutlich erkennbar: zu geometrischen Formen abstrahierte Flächen, klare Linienführung, kombiniert mit messerscharfen Details, die den Bildern subtil Tiefe verleihen.

Klar zu erkennen: H.R. Giger.

Klar zu erkennen: H.R. Giger. (Bild: ©Ata Bozaci)

Insofern haben Bozacis digitale Porträts weit mehr mit seinen Frühwerken auf Beton zu tun, als man das auf den ersten Blick annehmen könnte. «Natürlich ist es schwierig, bei einem Künstler wie mir den roten Faden sofort zu erkennen: Ich habe mehrere Stile entwickelt und kombiniere diese untereinander immer wieder neu. Die Technik entwickelt sich, es wäre unklug, sich da nicht auch weiterzubilden», findet Ata Bozaci.

Seine Bilder sind noch bis zum 29. Mai im Artstübli am Steinentorberg zu sehen. Es ist Bozacis zweites Gastspiel im Mantelbau der Markthalle: 2012 hinterliess der Berner auf der 20-Meter-Wand im damaligen Projektraum Fakt das überdimensionale Gesicht eines liegenden Boxers, freihändig gemalt mit Pinsel und Spraydose mit krakeliger Linienführung, zerstäubten Linien und unzähligen Farbspritzern. Auch wenn die Technik im Vergleich zu Bozacis Facebook-Serie unterschiedlicher kaum sein könnte – die Handschrift bleibt deutlich erkennbar. Das macht einen guten Künstler aus.

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Ata Bozaci: 
«Beautiful Facebook – 15 Seconds of Fame»
, 8. bis 29. Mai 2015, Artstübli, Steinentorberg 28, Basel.

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