Die vielen Gesichter Beethovens

Brodelnd, zart, beredsam: So vielseitig präsentierte das Kammerorchester Basel mit dem Dirigenten Giovanni Antonini und den Solisten Isabelle Faust, Miklós Perényi und Kristian Bezuidenhout die Musik Beethovens im nahezu ausverkauften Basler Musiksaal.

Der italienische Dirigent Giovanni Antonini spornte das Basler Kammerorchester zu starken Leistungen an. (Bild: Michael Würtenberg)

Brodelnd, zart, beredsam: So vielseitig präsentierte das Kammerorchester Basel mit dem Dirigenten Giovanni Antonini und den Solisten Isabelle Faust, Miklós Perényi und Kristian Bezuidenhout die Musik Beethovens im nahezu ausverkauften Basler Musiksaal.

Es ist ein Sonderling in der Konzertliteratur: Das Tripelkonzert von Ludwig van Beethoven. Nicht ein, sondern gleich drei Solisten gesellen sich zum Orchester. Violine, Violoncello und Klavier sind eine kammermusikalische Keimzelle, musizieren untereinander als Duo oder Trio, treten mit dem Orchester aber in einen konzertanten Austausch. Einzelne virtuose Solopassagen würzen den Ablauf, sind aber sehr ungleich verteilt: Dem Violoncello obliegt der schwierigste Part, das Klavier ist vergleichsweise simpel gehalten – Beethoven schrieb das Werk für seinen damals 16-jährigen Schüler, den österreichischen Erzherzog Rudolf –, und die Violine positioniert sich zwischen diesen beiden.

Reizvolle Interpretation

Will ein Dirigent den kammermusikalischen Aspekt stärker gewichten, so engagiert er meist eine feststehende Trio-Formation; schätzt er Vielfarbigkeit, so kommen drei einzelne Solisten zum Zuge. Letzteres war beim Konzert des Kammerorchesters Basel der Fall: Mit Isabelle Faust, Miklós Perényi und Kristian Bezuidenhout standen drei höchst unterschiedliche Persönlichkeiten auf der Bühne, und so erklang eine über weite Strecken spannungs- und reizvolle, mitunter aber auch in sich widersprüchliche Interpretation.

Das Orchester bestach durch eine ungemein brodelnde, feurige Spielweise, die den Solisten eine charakterstarke, in den Tiefen der Bässe verankerte Bühne bot. Darauf setzten die Solostimmen ein leichtes, fast gläsernes Gebäude. Miklós Perényi zeigte sich mit seinem weichen, vibratosatten, aber unprätentiösen Cellospiel von der alten, am romantischen Repertoire orientierten Schule; Kristian Bezuidenhout antwortete mit trockenem, hochdifferenziertem Anschlag.

Einblick in die Werkstatt

Der Pianist verfügt durch seine Erfahrungen mit historischen Tasteninstrumenten über einen besonders reichen musikalischen Sprachschatz. Denn dies war das eigentliche Ereignis dieser Aufführung: Wie Bezuidenhout den konventionell-modernen Steinway-Flügel zum Sprechen brachte, wie er bei diesem auf Gleichmässigkeit ausgelegten Instrument die Verschiedenheit der Register herausarbeitete, die bei den Instrumenten der Beethoven-Zeit so typisch sind, wie er in kleinsten Passagen eine Tiefenstruktur plastisch werden liess, so dass so manche sonst nie zu hörende Tiefenstruktur der Komposition wie auf einem Relief zum Vorschein trat. Dazwischen suchte Isabelle Faust zu vermitteln, neigte sich mit ihrem filigranen, schlanken Geigenton und dem stets kontrollierten Spiel mal dem einen, mal dem anderen zu – und setzte dadurch nur wenige eigene Akzente.

Der zweite Teil des Abends brachte das mit Spannung erwartete neue Kapitel einer Fortsetzungsgeschichte: Beethovens achte Sinfonie, jene, mit der das Orchester im Sommer seine bisher hochgelobte Gesamteinspielung der Beethoven-Sinfonien ergänzen wird. Und auch wenn Antonini bekannt dafür ist, in jedem Konzert etwas Neues auszuprobieren, bis er sich für eine Variante für die CD-Aufnahme entscheidet, so bieten die Konzerte mit den Sinfonien einen faszinierenden Blick in die Werkstatt.

Von Beethoven zu Rossini

Auch die achte Sinfonie ging Antonini mit zügigem Tempo an, forderte von den Musikern scharfe, pointierte Artikulation, mitunter derbe Klanglichkeit. Herrlich, wie sie im ersten Satz die Crescendi nicht nur als Steigerung der Lautstärke, sondern auch der Intensität verstanden, mit welch transparentem Forte sie in der Durchführung das sonst so selten erkennbare Zusammenspiel der Holzbläser und Streicher hörbar machten. Im dritten Satz entwickelten die dicht gesäten Sforzati eine gewisse Penetranz, doch der Gang durch den vierten Satz war wieder lichter konzipiert, stringent, mitreissend.

Die Zugabe schliesslich setzte dem Konzertabend die Krone auf: Mit Giacomo Rossinis Ouvertüre zu «L’Italiana in Algeri» zeigte sich, wie nah dieser nur wenig jüngere Komponist Beethoven stand. Und Antonini mag damit angedeutet haben, wo es ihn – und das Orchester – hinzieht: zur Oper. So agil und dramatisch, wie hier musiziert wurde, kann man nur wünschen, dass wir solches in Basel erleben werden.

  • Konzerttipp: «Crosslinks» – Martin Jaggi und das Kammerorchester Basel. Ein musikalischer Kommentar zu Ausschnitten aus Beethovens 8. Symphonie für Bläserquintett (Uraufführung). So, 22.04., 11:00–11:50. Gare du Nord, Basel.

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