«Die Wunderübung»: Kampfszenen einer Ehe

Bestseller-Autor Daniel Glattauer schafft es, aus einer Ansammlung von Klischees ein hintersinniges Kammerspiel über den Höllenritt einer zerrütteteten Ehe zu schreiben. Die Theaterfalle Basel hat das Stück «Die Wunderübung» in einer dichten und vergnüglichen Inszenierung zur schweizerischen Erstaufführung gebracht.

Da helfen selbst Wunderübungen (fast) nichts: Das therapieresistente Paar (Marie-Louise Hauser und Martin M. Hahnemann) und der verzweifelte Therapeut (Heinz Margot, Bildmitte). (Bild: Theaterfalle)

Bestseller-Autor Daniel Glattauer schafft es, aus einer Ansammlung von Klischees ein hintersinniges Kammerspiel über den Höllenritt einer zerrütteteten Ehe zu schreiben. Die Theaterfalle Basel hat das Stück «Die Wunderübung» in einer dichten und vergnüglichen Inszenierung zur schweizerischen Erstaufführung gebracht.

Wie ein Schiedsrichter in einem Boxkampf tänzelt der Therapeut um das Paar herum, das zu ihm gekommen ist, um… Ja, um was eigentlich zu erreichen? Bei Herrn und Frau Dorek, beide um die 40 Jahre alt, seit 18 Jahren verheiratet, zwei Kinder, scheinen Hopfen und Malz verloren zu sein. Jedes Wort, das sie wechseln, ist ein Dolchstoss. Sie wirft ihm auf höchst schnippische Art gefülsmässigen Autismus vor, er suhlt sich larmoyant in der Opferrolle.

Das Stück heisst «Die Wunderübung» und ist der jüngste Streich des österreichischen Bestsellerautors Daniel Glattauer («Gut gegen Nordwind»). In der Basler Theaterfalle erlebt das Stück nun seine Schweizer Erstaufführung.

Schauplatz ist die Praxis eines Paartherapeuten. Im Raum der Theaterfalle ist diese sehr spartanisch eingerichtet (Szenografie: Martina Ehleiter). Ein an Schnüren aufgehängtes Metallrechteck grenzt der Raum ab. Am anderen Ende der Schnüre hängen als Gegengewicht vier Boxbirnen, über die sich der Rahmen je nach Stimmungslage nach oben und unten oder in Schieflage bringen lässt.

Schlachtfeld Beziehung

Damit schafft die Inszenierung eine stimmige Form für das, was sich hier abspielt. Wir befinden uns auf dem Schlachtfeld der Paarbeziehung. Steif und verkrampft ist die Körperhaltung des Paars (Marie-Louise Hauser und Martin M. Hahnemann), gleich ob sie nun – wie Boxkämpfer zwischen den Runden weit voneinander entfernt – auf den kleinen weissen Hockern sitzen oder stehen.

Der Paartherapeut (Heinz Margot) dagegen ist die pure Lockerheit, was durch den Schlabberlook (Kostüme: Melanie Meyer) und die zerzausten Haare unterstützt wird. Seine warme Bassstimme und seine unverkrampfte, aber einfühlssame Routine könnten Eis zum schmelzen bringen, nicht aber bei Herrn und Frau Dorek.

Süffig und leicht plätschernd

Das könnte nach einem schwereren Stoff klingen, Autor Daniel Glattauer aber bezeichnet sein Stück als Komödie – und das ist es denn auch. Süffig und leicht plätschert die Handlung wie in einer Screwball Comedy aus Hollywood vor sich hin. Dies obschon der Text nur so strotzt vor scharfen Bösartigkeiten, die sich das Ehepaar an den Kopf wirft.

Die Inszenierung von Sarah Gärtner bewegt sich nahe entlang des Textes, ohne der Gefahr zu erliegen, die zahlreichen Bonmots und Pointen zu stark zu betonen. Die Choreografie der Gänge und das Spiel mit dem schwebenden Rahmen sind sehr sorgfältig und exakt ausgearbeitet.

Überraschende Wende am Schluss

Das Publikum wohnt der Therapiesitzung, die in Echtzeit zu erleben ist, von zwei Seiten aufgereiht bei. Aus einem Kärtchen, das man beim Einlass überreicht bekommt, erfährt man, dass man in der Pause die Seite wechseln muss. Das hat durchaus etwas mit dem Stückinhalt zu tun, der nach der Pause mit einer überraschenden Wende aufwartet.

Im ersten Teil sind die Rollen des Therapeuten und des zu therapierenden Paars noch klar verteilt – auch wenn sich beim routinierten Paarpsychologen eine wachsende Verzweiflung über die Verbocktheit der Dauerstreithähne bemerkbar macht. Im zweiten Teil aber wirkt der Therapeut wie ein Schatten seiner selbst.

Per Mail, so ist zu erfahren, hat ihm seine Frau, mit der er in dauernder Harmonie zusammenlebte, mitgeteilt, dass sie ihn verlässt. Das weckt die Aufmerksamkeit des Paars, das plötzlich zu vergessen beginnt, sich weiter zu zerfleischen. Es kommt zum Rollentausch, über den das Paar wieder zusammenfindet.

Hintersinnig und vergnüglich

Aber ganz so einfach geht der Abend nicht aus. Und mehr sei hier nicht verraten…

Alles in allem bietet «Die Wunderübung» einen ausgesprochen vergnüglichen Theaterabend, der sich zwar nicht durch sehr viel Tiefgang auszeichnet, der aber mit hintersinnigen und geistreichen Dialogen und einem hochkonzentriert aufspielenden Ensemble zu überzeugen vermag.


Theaterfalle: «Die Wunderübung von Daniel Glattauer (SE). Weitere Vorstellungen bis 9. Mai 2015.

 

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