Diese Jungdesigner geben nichts aus der Hand

Kaum wurden Tobias Dettwiler und Denis Bernet für ihre Design-Abschlussarbeit prämiert, wollen sie diese auch schon unter die Leute bringen. Sie sind voller unternehmerischem Tatendrang und übernehmen dabei gleich alles selbst: Design, Herstellung und Verkauf.

(Bild: © 2014 FEINFRACHT
/Denis Bernet und Tobias Dettwiler)

Kaum wurden Tobias Dettwiler und Denis Bernet für ihre Design-Abschlussarbeit prämiert, wollen sie diese auch schon unter die Leute bringen – sie sind voller unternehmerischem Tatendrang. Wir sprachen mit ihnen über designerische Selbstbestimmung, die dreidimensionale Schönheit von Stühlen und das zweite Leben nutzloser Dichtungskugeln.

Wenn man sich auf dem grossen neuen Campus der Hochschule für Gestaltung und Kunst (HGK) auf dem Dreispitz nicht auskennt, kann man sich leicht verlaufen. Den herumirrenden Reporter sprechen aber bald zwei junge Männer an, die sich als die beiden gesuchten Industrie-Designer erweisen.

Tobias Dettwiler und Denis Bernet werden nichts mehr haben von den neuen Räumen auf dem ehemaligen Industrieareal: Sie haben beide dieses Jahr ihr Studium an der Fachhochschule Nordwestschweiz abgeschlossen. Doch dem werden sie kaum nachtrauern, schliesslich haben sie eine Bachelor-Arbeit hingelegt, die gleich einen Preis absahnte: Von der Swiss Design Association wurden die beiden für die beste Abschlussarbeit ihrer Schule prämiert und erhielten damit 500 Franken Preisgeld sowie eine zweijährige Mitgliedschaft im Berufsverband. Solch prämiertes Design will genauer betrachtet werden.

Die lange Suche nach der Kugel

Im Büro des Institutsleiters zeigen sie ihre Arbeit: Auf einem grossen Tisch liegt ein Klemmbrett, ein kleiner blecherner Zeiger an einem Metallstab samt Sockel, und in einer hinteren Ecke steht ein hölzerner Stuhl mit Ledersitzfläche. Jeweils daneben liegen fein säuberlich aufgereiht die Einzelteile der Gegenstände. «Fast alle diese Teile konnten wir in der Schweiz produzieren», erklärt Tobias Dettwiler stolz. Einzig bei dem Gummiball des Klemmbretts, der das Papier am Brett hält, machten sie eine Ausnahme. Sie beziehen ihn aus Deutschland, weil es so etwas in der Schweiz schlicht nicht gibt. Die ersten Bällchen, die sie dafür verwenden wollten, waren schwarz und färbten auf das Papier ab. «Die, die wir jetzt verwenden, sind eigentlich Dichtungskugeln für Ventile», erzählt Denis Bernet. Sie fanden die weissen Gummikugeln in einem Lager in Deutschland, wo sie schon seit Jahren als Restposten ungenutzt herum lagen.

Die Anekdote mit den Kugeln erläutert gut, wie die beiden Jungdesigner bei ihrer Arbeit vorgehen: «Wir entwerfen nicht und suchen dann, was passt. Sondern schauen schon bei den Entwürfen, welche Teile wir verwenden können.» Natürlich geht dieser Plan nicht immer beim ersten Entwurf auf, dann wird nachgebessert. Aber alles extra zu produzieren ist oft nur in grossen Stückzahlen möglich. Stattdessen könnten die beiden auch Unikate entwerfen – doch diese hätten ihren Preis. Sie verfolgen mit ihren Produkten ein anderes Modell.

(Bild: © 2014 FEINFRACHT
/Denis Bernet und Tobias Dettwiler)

Bernet und Dettwiler möchten weder teure Einzelstücke designen noch reine Dienstleister grosser Unternehmen sein. Vielmehr wollen sie alles selber in der Hand haben – das heisst Design, Herstellung und Verkauf. Mit unternehmerischem Elan erzählen die beiden davon, wie sie nun ihre eigene Marke Feinfracht gegründet haben und fortan zusammen mit vier anderen Designern in Bern die Produkte in einem Atelier und Verkaufsraum entwerfen und an die Kunden bringen wollen.

Dem 33-jährigen Dettwiler liegt das Praktische: Schon vor dem Studium absolvierte er die Metallbauerlehre und arbeitet insgesamt sieben Jahre auf dem Beruf. Der 26-jährige Bernet hingegen begann an der ETH Architektur zu studieren, doch er sehnte sich nach kleineren Dimensionen und wechselte aufs Industriedesign. Das unternehmerische Fachwissen eigneten sich die beiden sowohl im Studium wie auch an ausserschulischen Kursen an. Man spürt, wie es den beiden in den Fingern kribbelt, ihre Produkte endlich unter die Leute zu bringen.

Schweizer Ahorn und Emmentaler Leder

Bei der Herstellung ihrer Stücke setzen sie auf lokales Handwerk. Das Leder des Stuhls, das die Sitzfläche bespannt, wurde auf traditionelle Art in Langnau gegerbt. «Es stammt aus einer der letzten Ledergerbereien der Schweiz», erzählt Bernet. Das Holz ist Schweizer Ahorn und wurde im Emmental verarbeitet. So auch das Messing des kleinen Zeigers auf dem Sockel, der sich als metallene Windfahne entpuppt. Doch bei der Frage nach der Herkunft des Messings müssen Dettwiler und Bernet passen: Hier endet ihre Kontrolle des Produktionsvorgangs. Das unterscheidet ihr Design von sogenanntem «Green Design», bei welchem die Herstellung jedes Einzelteils bis zur Quelle der Ausgangsmaterialien nachhaltig sein sollte. Das ist nicht ihr oberstes Anliegen.

(Bild: © 2014 FEINFRACHT
/Denis Bernet und Tobias Dettwiler)

Vielmehr möchten die beiden, dass ihre Kunden eine emotionale Bindung zum Produkt aufbauen können, damit sie es möglichst lange behalten und verwenden. Das mache Produkte nachhaltig. Bernet verweist auf die «Uhr des Grossvaters»: «Die wird auch von Generation zu Generation weitergegeben.» Für den langjährigen Gebrauch müssen die Produkte auch von entsprechender Qualität sein. In ihrer Marke kontrollieren Bernet und Dettwiler die Produkte, bevor sie verkauft werden, immer selbst. «Wenn man uns in Bern besucht, kann es auch mal sein, dass überall Schachteln und Teile der Windfähnchen zu sehen sind, die wir gerade verkaufsfertig machen.»

Wer drin sitzt, wünscht sich nur noch ein Buch und einen Tee.

Anders als bei den grossen Möbelhäusern kauft man ihren Stuhl schon zusammengebaut. Das Leder der Lehne muss zünftig gespannt werden, und das benötigt spezielles Werkzeug. Es sei eine Art Ur-Instinkt von Designern, Stühle zu entwerfen, und damit wohl auch etwas vom Schwierigsten. «Ein Stuhl ist kein Schrank, den man an die Wand stellt. Er muss von allen Seiten schön aussehen», sagt Bernet, und Dettwiler doppelt nach: «Ausserdem funktioniert er auch ohne etwas. Ein Bücherregal braucht Bücher, sonst sieht es leer aus.»

Ungeachtet der solitären Ästhetik des Designobjekts möchte der Reporter dieses nun auch ausprobieren und setzt sich drauf. Die Rückenlehne ist vielleicht eine wenig zu weit unten angesetzt, doch schon steigt einem der Geruch des Emmentaler Leders und des Schweizer Ahorns in die Nase, und man wünscht sich einzig ein Buch in die eine und einen warmen Tee in die andere Hand – die schwirrende Betriebsamkeit des neuen Dreispitz-Campus ist plötzlich ganz weit weg.

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Am 7. November 2014 eröffnen Denis Bernet und Tobias Dettwiler in der Berner Gerechtigkeitsgasse 13 ihren Verkaufs- und Atelierraum der Marke Feinfracht.

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