Diese Musik ist zu schwarz für diese Stadt

Basel ist das neue Black-Metal-Mekka: Mit Schammasch und Zeal & Ardor werden gleich zwei Regio-Bands vom einflussreichsten Metal Festival Europas hofiert, und «Rolling Stone» kürt Klänge aus Basel zur wichtigsten musikalischen Erscheinung 2016. Nur hat das hier noch keiner wahrgenommen.

(Bild: Ester Segarra)

Basel ist das neue Black-Metal-Mekka: Mit Schammasch und Zeal & Ardor werden gleich zwei Regio-Bands vom einflussreichsten Metal Festival Europas hofiert, und «Rolling Stone» kürt Klänge aus Basel zur wichtigsten musikalischen Erscheinung 2016. Nur hat das hier noch keiner wahrgenommen.

In der Stadt Basel hält man Metal für ein musikalisches Randphänomen Rückständiger, das nur die Nacken im Z7 oder noch weiter auf dem Land beschwingt. Dass sich die Szene längst vom Klischee kreischender Gitarren und Stimmen gelöst hat, davon nimmt man kaum Notiz. Schwarz gilt hier nur salonfähig als Grundfarbe neuer Technotempel und Trendbars.




Wen auch immer sie hier beschwören: in Basel finden C.S.R (in Weiss) und seine Schammasch-Mitmusiker kaum Bühnen. (Bild: Ester Segarra)

Für Schwarzkutten aber ist kaum Platz auf Basels Bühnen. So verschmähte das diesjährige BScene Festival im Frühling Schammasch, obwohl die Band zeitgleich ihre opulente «Triangle»-Trilogy herausbrachte und sich für das Basler Szenefestival bewarb. Umso freudiger brüstet sich nun im holländischen Tilburg Roadburn, das grösste Festival für Doom, Avantgarde und anderen düsteren Metal: Schammasch wird dort erstmals sein 100 Minuten dauerndes Opus in voller Länge auf der Bühne präsentieren. «Bisher haben wir solche Anfragen kategorisch abgelehnt, da der dritte Teil von ‹Triangle› nicht für Live-Zwecke geschrieben wurde. Doch wenn das Roadburn anfragt, sagst du zu und überlegst erst nachher, wie das zu verwirklichen ist», so Schammasch-Bandleader C.S.R. Das Roadburn weiss den Effort zu schätzen und räumt für das Ambiente dieser Weltpremiere eine katholische Kirche.

Doch Schammasch ist nicht die einzige Basler Band, welche das Festival im kommenden April auf den Metalaltar hievt. In der Het Patronaat Kirche wird auch das Basler Internet-Phänomen Zeal & Ardor endlich in Fleisch und Blut zu sehen sein. Vom revolutionären Black Black Metal schwärmte bereits das kultige Trendmagazin «Arte Tracks», und der amerikanische «Rolling Stone» überschlägt sich vor Begeisterung: «Keine Erscheinung dieses Jahr ist so eigen, unergründlich und wunderbar wie das ‹Devil is Fine›-Album.»

 

Die so betörende wie verstörende Musik ist eine Mischung aus Südstaaten-Sklaven-Spirituals und Black Metal – der Gott negierenden Gräuelvariante des Genres, die vor allem in Norwegen grosse Popularität geniesst. Baumwollfeld trifft auf Birkenwald, Mississippi-Delta auf Fjord – eine wahrlich krude Mischung, die von der Idee ausgeht: Was, hätten die leidgeplagten Sklaven nicht länger auf Gott vertraut, sondern sich von ihm abgewendet?

Thematisch dreht sich das Album um entsprechend satanisch blutige Grausamkeiten. Musikalisch mäandert Zeal & Ardor jedoch von Soul und Synthiesounds zu Gitarrengeraffel mit Sperrfeuer-Bassdrum.


Nicht New York, nicht Norwegen

Dies aus Basel? Kaum zu glauben. Darum verortete «Rolling Stone» Zeal and Ardor wohl auch in New York. Dort wirkte Manuel Gagneux – der Kopf dahinter – zwar auch, doch lebt er in Basel.
 Der Big Apple als Ursprung dieses neuen Black Metal Phänomens macht insofern Sinn, als hier die Avantgarde des Genres spielt. Mit Wolves In The Throne Room oder Deafheaven geben in den USA heute Bands mit aufgeklärtem Black Metal, Black Gaze oder Neo Black Metal den Ton an. Die akademisch intellektuellen Liturgy aus Brooklyn verachten denn auch den klassischen, europäischen Stil, der Anfang der 90er-Jahre von norwegischen Nationalsatanisten definiert wurde. Die Aufmerksamkeit der Medien und Massen erhielten die bösen Skandinavier weniger wegen der Musik denn wegen brennender Kirchen und Meuchelmorden.

Nicht alle norwegischen Hüter des Black Metals stören sich an der Neuentwicklung. Der ehemalige Gorgoroth-Sänger Gaahl – einst ein furchteinflössender Menschenhasser, der selbst wegen Gewaltverbrechen drei Jahre im Gefängnis sass, danach weniger musikalisch, sondern vor allem mit seinem Schwulen-Outing überraschte – meinte in einem Interview zur neuen US-Szene maliziös lächelnd: «Nun bringen die Wikinger Black Music nach Amerika.»

Wer hat es erfunden?

Doch Gaahl liegt ebenso falsch wie «Rolling Stone». Denn mit Celtic Frost haben natürlich Schweizer das Genre erfunden (… nebst Venom/UK und King Diamond/DK) und nun scheint es Zeal & Ardor mit dem doppelten Black sogar in neue Höhen zu hieven. Live konnte man das aber weder in New York noch Basel erleben. Zeal & Ardor ist ein Phänomen, das bisher nur im Internet und auf Vinyl dreht.
 Derzeit ist der Newcomer gar ein Phantom. Manager David Burger von Reelmusic blockt alle internationalen Interviewanfragen ab – und auch die einzige lokale. Man hat gerade einen Vertrag mit einem englischen Indie Label «mit gehörig viel Power» abgeschlossen und steckt in weiteren wichtigen Verhandlungen. Obwohl Burger vieles auf der Zunge liegt, verbrennt er sich nicht den Mund und will auch seinen Künstler nicht im Höllenfeuer des medialen Interesses verglühen sehen.

Ganz professionell rückt er auf Nachfrage erste (und ziemlich beeindruckende) Live-Daten der kommenden Europa-Tournee raus und dass Zeal & Ardor dann keine One-Man-Band sein wird. Die Proben mit sechs Musikern haben bereits angefangen.

Gesichtslos wie Techno

Auch C.S.R hat Zeal & Ardor noch nie getroffen, obwohl die Szene hier klein ist. Übrigens: Pseudonyme für Bühnenkreaturen, die klar von der bürgerlichen Person abgetrennt sind, sowie das Spiel mit der Anonymität sind ein typischer Bestandteil der Szene – ähnlich dem Faceless Techno, wo man keinen persönlichen Starkult wollte. So kennt C.S.R nur Zeal & Ardors Facebook-Pseudonym, durch das dieser vor einer Weile mit Schammasch Kontakt aufnahm. «Ich fand die Songs sehr cool, und wir wollten uns unbedingt mal persönlich auf ein Bier treffen.»

 

Das sollte wohl noch vor dem Basler Konzertabend nächsten April in Holland klappen. Doch C.S.R befürchtet per Skype aus England, wo er grad an neuen Songs werkelt: «Die Zeit bis dahin ist knapp.» Klingt nach Zweckpessimismus eines Düsterdenkers. Aber Schammasch will bis dahin noch eine EP aufnehmen und veröffentlichen, und nun geht es erstmals auf eine ausgedehnte Tournee. 27 Shows, ohne Pausentag warten, verteilt über ganz Europa. In der Schweiz stoppt die Bloodshed Rituals Tour nur in Lausanne. Dazu juckt ob der spirituell aufgeladenen Musik von Schammasch das Matthäus-Bibel-Zitat: «Ein Prophet gilt nirgends weniger als im Vaterland.»

Zeit, auch in Basel wahrgenommen zu werden

«Im Ausland werden wir wegen Celtic Frost immer auf die Schweiz angesprochen. In Basel nimmt man aber kaum Notiz von unserer Szene,» nervt sich C.S.R. Die Absage der BScene nennt er ein «schwaches Zeugnis eines Szenefestivals, das bei 50 Bands eine wichtige Sparte komplett ignoriert». Umso mehr freute ihn die Tour-Unterstützung durch den RFV Basel, und dass letztes Jahr mit Czar of Crickets das Label von Frederyk Rotter den Business Support erhielt.

Rotters Band Zatokrev wurde übrigens gerade an das Eistnaflug Festival in Island gebucht. Die beiden kennen sich gut. Rotter spielte zeitweise bei Schammasch den Bass, C.S.R gab im Gegenzug dieses Jahr eines der wenigen Basler Konzerte beim Labelfestival von Czar of Crickets in der Kaserne.

Dort müsste die Band eigentlich auch am 12. November stehen. Dann wird dort der Basler Poppreis verliehen, für den Schammasch dieses Jahr nominiert werden müssten. Am Mittwoch werden die fünf nominierten Bands bekannt gegeben. «Die Anerkennung würde mich freuen. Aber sind Popbands dabei, hast du hier als Metaller eh keine Chance», sieht C.S.R schwarz – die derzeit schillerndste Farbe der Basler Musikszene.

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