Diese Rechnung geht nicht auf

Die Museen sollen sich aktiver um Besucher bemühen, verlangt die Politik. Doch das Geld dafür fehlt – und eine Lösung ist nicht in Sicht.

Auge in Auge mit der Natur: Kinder sind für Museen eine wichtige Zielgruppe. (Bild: Andreas Zimmermann)

Die Museen sollen sich aktiver um Besucher bemühen, verlangt die Politik. Doch das Geld dafür fehlt – und eine Lösung ist nicht in Sicht.

Führungen, Workshops, Konzerte, Blicke hinter die Kulissen und vieles mehr: Das alles bietet die Basler Museumsnacht seit zwölf Jahren. Ein Event, der Zehntausende in die Museen lockt, und der deshalb fürs Personal einen grossen Mehraufwand bedeutet. Vor allem die Vermittlungsabteilungen sind gefordert, denn die Programmation und Koordination des Anlasses liegt grösstenteils in ihren Händen.

Dabei sind es gerade diese Teams, die in der Regel mit wenig Personal und Geld auskommen müssen. Meist in Teilzeitpensen angestellt, sind es selten mehr als zwei Personen, die sich als Festangestellte darum kümmern, dem Publikum das Ausstellungsprogramm durch besondere Angebote näherzubringen. Dazu kommen freie Mitarbeitende, auf Honorarbasis im Stundenlohn angestellt.
Die Ansprüche an die Zuständigen für «Bildung und Vermittlung», wie die früher Museumspädagogik genannten Abteilungen heute heissen, wachsen jedoch ständig – im Gegensatz zum Geld, das dafür zur Verfügung steht. Dass das Basler Kulturleitbild vor einem Jahr die Vermittlung zu einem Schwerpunkt der Kulturpolitik erhob, hat in der Praxis nichts verändert. «Wenn wir wirklich etwas ändern sollten, bräuchten wir mehr Mittel», sagt etwa Stefan Charles, der kaufmännische Direktor des Kunstmuseums. Ein Problem, das Philippe Bischof, Leiter der Abteilung Kultur, nachvollziehen kann: «Vermittlung kostet, das ist uns bewusst. Und es wäre wünschenswert, dass es mehr Geld gäbe – für mehr Angebote und mehr Personal. Aber Vermittlung ist auch eine Einstellungsfrage.»

So wie sich die Situation präsentiert, müssen die staatlichen Museen allerdings mit den vorhandenen Mitteln zurechtkommen. Oder sich auf die Suche nach Drittmitteln machen, Stiftungen anfragen, und auf externe Vermittlungsangebote hoffen.

Unverzichtbare Vermittlung

Denn ohne Vermittlung geht es nicht. Das musste man beim Kunstmuseum feststellen, nachdem man für kurze Zeit geglaubt hatte, wenigstens auf die zuständige Abteilungsleitung verzichten zu können: Vor zwei Jahren, als der Kanton das Budget des Museums kürzte, strich man unter anderem 125 Stellenprozente für die Vermittlung weg. Nach einer Umstrukturierung wurde das verbliebene 80-Prozent-Pensum neu verteilt. Mehr lag im Budget nicht mehr drin. Seit bald einem Jahr teilen sich Andrea Saladin und Simone Moser dieses Pensum.

Seit gut zehn Monaten sind die beiden dabei, Wege zu finden, mit den beschränkten Ressourcen die beste Lösung zu erarbeiten. «Wir sind froh, wenn wir den Status quo halten können», sagt Andrea Saladin. Das heisst, die konventionellen Formate zu festigen, die Führungen, Werkbetrachtungen oder die Schulklassenbesuche zu organisieren und durchzuführen. Natürlich habe man Visionen, sagt Simone Moser. Doch das Ressourcenkorsett sei schlicht zu eng im Moment.

Stefan Charles ist sich dessen bewusst, und er versucht, der Vermittlungsabteilung den Rücken zu stärken, indem er auf die Eröffnung des Erweiterungsbaus in drei Jahren verweist, die Optimierungen und Umstrukturierung spätestens dann möglich und nötig machen müsse. Angedacht ist zum Beispiel, die Vermittlung sichtbarer im Haupthaus unterzubringen.

Saladin und Moser träumen zudem von einer Begegnungszone im Eingangsbereich, die auch kosten- und ressourcenarm umgesetzt werden könnte. Doch ihnen ist bewusst, dass dies Zukunftsmusik ist. «Bis 2016 werden wir den Ist-Zustand beibehalten müssen, was die Quantität der Vermittlungsleistung betrifft», sagt auch Charles. Will das Museum aber international auch in diesem Bereich mitspielen, so sind Anpassungen unumgänglich, das weiss er auch: «Wir fungieren international sicher nicht als Impulsgeber. Was aber nicht am fehlenden Anspruch liegt.»

Kein befriedigender Zustand

Das Problem der fehlenden finanziellen Mittel kennt man bei allen fünf staatlichen Museen. Auch Christian Meyer, der Direktor des Naturhistorischen Museums, würde die Vermittlung gerne längerfristig stärken. Auch hier teilen sich zwei Personen 80 Stellenprozente, die das Vermittlungsangebot zusammen mit Kuratoren, Präparatoren oder Ausstellungsverantwortlichen gestalten. Kein befriedigender Zustand, so Meyer, doch mehr liege im Moment einfach nicht drin. «Wir profitieren immerhin davon, dass wir durch unsere Zusammenarbeit mit der Universität auf qualifizierte freie Mitarbeitende für Führungen zählen können», sagt er.

Gerne hätte er aber zum Beispiel vermehrt die Möglichkeit, neue Angebote zu realisieren und entsprechend zu kommunizieren, etwa über die sozialen Medien, um neue Personengruppen anzulocken. Doch dafür müsste er anderswo abbauen, und das komme für ihn nicht in Frage, denn: «Was wollen wir denn vermitteln, wenn wir kein Geld mehr haben fürs Bewahren?» Die Kernaufgabe eines Museums sehe er immer noch in diesem Bereich. Der Aufwand, Sammlungen zu pflegen, werde oft unterschätzt. «Ein Globalbudget lässt zwar Freiheiten, die Gelder frei einzusetzen. Gleichzeitig lässt der gesetzliche Auftrag der staatlichen Museen aber wenig Spielraum zu.» Mehr in die Vermittlung zu investieren sei zwar in seinem Sinn. Aber woher die Mittel dafür kommen sollen, bleibt für Meyer eine offene Frage.

Mehr Marketing

Beim Historischen Museum Basel (HMB) hingegen tendiert man, seit die neue Direktorin Marie-Paule Jungblut am Ruder sitzt, stärker zu einer marktorientierten Vermittlung und hat nun eine Verschiebung der Ressourcen bereits vorgenommen: Neu arbeitet im Haus ein Marketingspezialist, der sich auch auf soziale Medien versteht. Das Resultat ist auf Facebook oder Twitter sichtbar: Das Historische Museum hat seine Präsenz dort merklich ausgebaut.

Was die Social-Media-Präsenz den Museen konkret bringt, das weiss aber (noch) niemand. «Wir sind vieles am Ausprobieren und gespannt, ob wir eine Veränderung beim Publikum wahrnehmen werden», sagt Gudrun Piller, Vizedirektorin des HMB und Leiterin Bildung und Vermittlung. Der Trend, im Bereich der sozialen Medien mitzumachen, ist ein internationaler. Allerdings ist diese Form der Vermittlung in der Regel zurecht bei den Marketingabteilungen angesiedelt. «Da verschieben sich die Akzente, Vermittlung wird breiter gefasst. Ein Post auf Facebook ist somit klar auch Vermittlung», merkt Piller an.

Die Vermittlung von Museums­inhalten war zwar noch nie alleine die Aufgabe der Museumspädagogen, sondern sie setzt ganz am Anfang ein: Bei der Konzeption eines Museums, bei den Ausstellungstiteln, bei deren Gestaltung etc. Idealerweise arbeitet deshalb das Vermittlungspersonal bereits bei der Konzeption von Ausstellungen mit den Kuratoren und Gestaltern zusammen, wie das etwa im HMB der Fall ist. Denn überall muss darauf geachtet werden, dass man die Menschen anspricht und erreicht. Dass dies nun vermehrt auch über die Kanäle der neuen Medien versucht wird, liegt nahe. «Da stellen sich neue Fragen», sagt Andrea Saladin vom Kunstmuseum. «Zum Beispiel: Wie bringe ich einen Facebook-Nutzer dazu, sich ein von uns gepostetes Gemälde auch im Original ansehen zu wollen?»

Neue Formate gesucht

«Gute Vermittlung beginnt bei der Kommunikation», sagt auch Philippe Bischof. Im Kulturleitbild ist dieser Punkt so formuliert: «Wirksame Vermittlungsangebote informieren die Bevölkerung und senken die Zugangsschwelle zu einer Institution oder einem Projekt. Idealerweise hilft sie, die Besucherorientierung zu optimieren und neues Publikum zu gewinnen.»  Gewisse Bevölkerungsschichten jedoch sind schwer zu erreichen, wie Eva Keller, Leiterin der Museumsdienste, feststellt: «Es bräuchte zwingend neue Formate, wenn man Leute ansprechen will, die man heute noch nicht erreicht.» Beispiele dafür gibt es bereits, dazu zählen das von den Museumsdiensten konzipierte Format «Deutsch lernen im Museum», Führungen in Gebärdensprache oder auch für Blinde, wie sie das Museum der Kulturen beziehungesweise das HMB in ihre Programme aufgenommen haben.

Eine der wichtigsten Zielgruppen bleiben die Kinder. «Es bewährt sich, wenn man ihr Interesse für Museen früh weckt», sagt Keller. Die Angebote für Schulen zählen denn auch zu den erfolgreichsten Formaten: 1047 Schulklassen besuchten im Jahr 2012 alleine das Kunstmuseum, im Naturhistorischen Museum waren 1290.

Dass sich diese Besuche später auch wirklich auszahlen, kann man bei den Museen trotzdem nur hoffen: Denn weil die Schulangebote zwar zum Bildungsauftrag gehören, der Besuch dieser für die Schulen jedoch gratis und sehr begehrt ist, gehört genau dieses Format bei den Museen zu den teuersten und zeitaufwendigsten.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 18.01.13

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