Diesen Film hätte man sich besser gespart

Wenn eine Ölpest Tausende Kilometer der US-Küste verseucht, dann macht Hollywood daraus – ein Heldenepos. Im Ernst? Im Ernst.

Die brennende Ölplattform im Film «Deepwater Horizon» – von (noch) blauem Wasser umgeben.

(Bild: ©Ascot Elite)

Wenn eine Ölpest Tausende Kilometer der US-Küste verseucht, dann macht Hollywood daraus – ein Heldenepos. Im Ernst? Im Ernst.

Hollywood liebt Helden. Echten Helden – solchen, die Menschenleben retten – gebührt in Amerika die Ehre eines Films. Die Katastrophen aber, in denen sie zu Helden werden, die interessieren nicht. Es sind ja auch keine Geschichten, die man erzählt haben und an die man sich erinnert fühlen möchte.

Dazu gehört (offenbar) diese Geschichte.

2010 kam es im Golf von Mexiko zu einer der schwersten Ölkatastrophen aller Zeiten. Eine Umweltverschmutzung, verursacht von Millionen Tonnen Öl, die in 1500 Metern Tiefe ins Meer strömten, nachdem die Ölplattform Deepwater Horizon in Flammen aufgegangen war. Fünf Tage nach dem Blowout erreichte der Ölteppich die US-Küste Louisianas und das Flussdelta des Mississippi, erst drei Monate danach konnte der Ölausfluss gestoppt werden.

Ein Küstenabschnitt von über 1000 Kilometern Länge war am Schluss verseucht. Millionen Tiere verendeten, Pflanzen starben ab oder trugen schwere Schäden davon. Jahre danach sind noch Nachwirkungen spürbar.



Trotz malerischem Aussehen: Für Tiere ist der Ölteppich tödlich.

Trotz malerischem Aussehen: Für Tiere war der reale Ölteppich tödlich. (Bild: Keystone/Greenpeace/Daniel Beltra)

Dem Blowout der von der britischen Ölfirma BP geleasten Bohrplattform lag menschliches Versagen zugrunde. Kein Schalter, der falsch umgelegt wurde, nein – sondern Geld, das man nicht ausgeben wollte, weil man Zeit sparen wollte, war der Grund dafür, dass es zu diesem ökologischen Desaster kam. Denn bevor die Ölförderung wie geplant hätte beginnen können, mussten Kontrolltests durchgeführt werden. Doch man war spät dran, und BP entschied, das Geld dafür lieber in der Tasche zu behalten.

«Deepwater Horizon», der Film, der nun ins Kino kommt, zeigt den Weg zu diesem falschen Entscheid minutiös auf. Grossaufnahmen von John Malkovichs Gesicht, in dem sich die Härte des BP-Funktionärs Donald Vidrine spiegelt, wechseln sich ab mit den unsicheren Blickwechseln der Plattform-Techniker, die es doch eigentlich besser wussten – darunter Cheftechniker Mike (Mark Wahlberg). Bis eben zunächst das Gas sprudelt und es dann knallt.

Bis also Mike zum Helden werden kann, der in schönster Hollywood-Manier das einzige Mädchen an Bord und noch ein paar andere Kollegen rettet.



Techniker Mike (m.), der Gute.

Techniker Mike (Mark Wahlberg, m.), der Gute und Held des Films. (Bild: ©Ascot Elite)

Der Showdown in Flammen dauert nicht allzu lange, bald ist gerettet, wer gerettet werden kann, sind Frau und Kinder tränenreich in die Arme geschlossen worden – und wir dürfen im Abspann ausführlich die Fotos jener elf Unglücklichen bewundern, die in diesem Flammeninferno ihr Leben liessen. Und dann noch diesen einen Satz lesen, bevor das Licht im Kinosaal angeht: «Der Unfall auf der Deepwater Horizon führte zu einer der grössten Ölkatastrophen.»

Aha, man hat es doch noch erwähnt.

Dieser Satz und ein einziger ölverklebter Vogel, der einem Schiff gegen die Scheibe knallt, verweisen im Film auf das reale Desaster, das folgte.

Ja, wir wissen’s: Hollywood liebt Helden. Doch nicht jede reale Geschichte eignet sich, zum Heldenepos umformuliert zu werden – diese zum Beispiel.

Zwar wird detailgetreu geschildert, wie es zum Unfall kam. Auch ein Schuldiger wird in BP beziehungsweise Funktionär Vidrine erkennbar. Seine Antithese heisst Mike, Familienvater, charakterfest und ohne Tadel. Eine Figur so langweilig, dass man sich die Explosionen bald herbeiwünscht.

So müssen sie halt sein, die hollywoodschen Helden. «Rolemodels» nennt man sie. Doch darf man darüber eine reale Katastrophe vergessen?

Nein.

Aus einer Geschichte wie jener der Deepwater Horizon ein pathetisches Heldenepos zu basteln, macht schlicht keinen Sinn. Die 110 Millionen darin investierten Dollar hätte man sich tatsächlich sparen können – für den nächsten Kontrolltest zum Beispiel, der eine Katastrophe verhindert. Ganz real.

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«Deepwater Horizon» läuft ab Donnerstag in den Basler Kinos.

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