Ursula Andress, unser Bond-Girl aus Ostermundigen, wird am 19. März 80 Jahre alt. Aber sie bleibt immer die Muscheljägerin Honey Ryder, die in «Dr. No» im weissen Bikini aus dem Meer steigt.
Kleider machen Leute und manchmal ganze Filmkarrieren: Wäre Ursula Andress 1962 im vorgesehenen einteiligen züchtigen Badeanzug mit Palmenmuster an den Strand der Karibikinsel Crab Key getreten, wäre ihre Rolle als Honey Ryder derart in Erinnerung geblieben? Kaum.
Andress ahnte, da ist mehr aus der Szene zu holen, wenn sie wie Aphrodite aus dem Wasser steigt: Mit dem Einverständnis von Regisseur Terence Young entwarf sie einen zweiteiligen Bikini, einen mit Gürtel um die Hüfte, fürs Muschelmesser. Damit und mit einer sommerlichen Melodie auf den Lippen zog sie James Bond sofort in den Bann.
In ihren weiteren Auftritten im ersten Bond-Film «Dr. No» lässt sie sich folgsam von Sean Connery aus manch unangenehmer Situation retten und erfüllt damit die konventionelle Rolle: Frau an der Seite des Helden. Ihre Einführungsszene aber war stilbildend. Das «Bond-Girl» war fortan fester Bestandteil der Serie.
Die Persönlichkeiten wandelten sich durch die Zeiten. Aus schreckhaften Püppchen wurden sexuell dienstbare Assistentinnen und später emanzipierte, gleichberechtigte Gefährtinnen. Eine Spur von Honey Ryder tragen sie alle in sich, bis in die Gegenwart hinein: Sie sind vorzugsweise knapp bekleidet. Und weil jeder Bond-Film die Wiederholung zelebriert, wurde auch Andress‘ Auftritt kopiert – mit der Figur Jinx Johnson, besser bekannt als Halle Berry, in «Die Another Day», dem letzten Film mit Pierce Brosnan als Bond.
Mit ihrer Bikini-Szene hatte sich Ursula Andress ein Rollenstigma eingebrockt, das sie fortan kaum mehr loswurde: In ihrer weiteren Karriere blieb sie «Ursula Undressed», die blonde Schönheit aus dem bernischen Ostermundigen (siehe Box) – für Anhänger der Bond-Serie hingegen erlangte sie Kultstatus. Wenn irgendwo das beste Bond-Girl erkoren wird, wird sie trotz bedeutender Konkurrenz regelmässig auf den Spitzenplatz gewählt, und der britische Sender Channel 4 kürte ihre Einführungsszene als «most sexy scene» der Filmgeschichte.
Der weisse Bikini hat seinen Teil dazu beigetragen. Damals, in den frühen Sixties, galt das freizügige Kleidungsstück noch als verpönt. Nach Andress‘ Auftritt liess es plötzlich die Kassen klingeln. Der Bikini wurde zu einem ikonischen Stück Kleidung der sexuellen Revolution. So wie die Figur Honey Ryder mit ihrem Bikini aus dem Meer stieg, selbstbewusst und als Frau, die (zumindest in der Romanvorlage von Ian Fleming) ihr Leben gegen jede männliche Bedrängnis selbst in die Hand nimmt, implodierte die Prüderie der 1950er-Jahre.
Danach kam «68», die sexuelle Revolution, die Neubesetzung des weiblichen Körpers. Kein anderes Accessoire hat diese Zeitenwende vergleichbar ikonisiert wie dieses knappe Stöffchen, und mit niemand anderem wurde der Bikini so sehr Attribut wie mit Ursula Andress. «Ich verdanke dem Bikini meine Karriere», sagte sie.
Jahrelang lag das Stück in ihrem Estrich, 2001 wurde es bei Christie’s in London für 60’000 Dollar verkauft. Nie war Bademode teurer.
80 Jahre wird die Ostermundigerin Ursula Andress am 19. März, aber die Rolle der Honey Ryder blieb bis ins reife Alter an ihr hängen. Was auch mit ihrer ansonsten eher bescheidenen Filmkarriere zusammenhängt: Einmal noch trat sie an der Seite von James Bond auf, in der Parodie «Casino Royale» aus dem Jahr 1967. Dabei hatte Andress von Anfang an gute Verbindungen: Mitte der 1950er-Jahre war sie mit Marlon Brando befreundet, James Dean soll sie gemäss ihren Erinnerungen geliebt haben, und mit Schauspieler und Regisseur John Derek war sie verheiratet. Nach «Dr. No» stand sie mit Elvis, Frank Sinatra und Charles Bronson vor der Kamera. Jedoch sollte keine andere Rolle annähernd ihre Karriere prägen wie die Bond-Premiere. Titel wie «Lollipops und heisse Höschen» oder «Die weisse Göttin der Kannibalen» liessen erahnen, dass ihre Kleider zwar knapp blieben, die Filme jedoch fortlaufend schlechter wurden. In den 1980er- und 1990er-Jahren zog sie sich praktisch komplett aus dem Filmgeschäft zurück. Ihren letzten Auftritt hatte sie 2005 in Clemens Klopfensteins schrägem Roadmovie «Die Vogelprediger» mit Max Gnädinger und Polo Hofer – als Mutter Gottes. Ausgerechnet.