«War on Everyone»: Dieser Film bricht das grösste Tabu überhaupt

«Man wird ja wohl noch was sagen dürfen»: Einen fadenscheinigeren Vorwand für einen Angriff auf die Political Correctness gibt es nicht. Ein ranzigeres Rezept für einen Film allerdings auch nicht.

Filmregisseur John Michael McDonagh nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Qualität der ihm zugesandten Drehbücher geht: «Gewöhnlich bekommt man diese Scripts mit einer Vergewaltigung schon auf Seite zwei oder so einen Shit, und die Dialoge sind immer fucking awful (…) Manchmal lese ich auch nur die erste Seite und weiss, dass der Rest Scheisse ist.» 

Ein Glück also, dass der Brite irischer Abstammung auf seine eigenen schreiberischen Fähigkeiten vertraut und in seinem Bad-Cop-Buddy-Movie «War on Everyone» schon in der ersten Szene einen Pantomimen von der Polizei über den Haufen fähren lässt. Nicht nur weil der weissgeschminkte Clown per se nervt, sondern weil er ein Dealer ist.

Vor allem aber wollten die beiden US-Cops schon immer einmal wissen, wie es sich anhört, wenn ein stummer Mime unter die Räder kommt.

Fertig gelacht?

Und so lustig geht der Film weiter, denn die beiden bösen Bullen Terry (Alexander Skarsgård) und Bob (Michael Peña) haben ein volles Programm: Hier einem Dyslexiker (sofort nachlesen, wer den Begriff nicht kennt!) zwischen die Beine getreten, dort einen Kleinwüchsigen in die Pferdetränke getunkt, und ein Spässchen über Frauen, Behinderte und Muslime darf auch nicht fehlen – jeder hat das Recht, beleidigt zu werden.

Die politische Korrektheit habe dermassen Überhand genommen, lässt sich McDonagh zitieren, dass die Gefahr der Selbstzensur zu einem echten Problem geworden sei – der Mann hat seinen Trump studiert. Dabei wolle er, McDonagh, doch zuallererst einmal eine Geschichte erzählen, und im Fall von «War on Everyone» geht die so (im Kopf bitte den passenden Soundtrack dazu abspielen – Mariachi, Hip-Hop und Country): 

Die Cops Terry und Bob sind schlimme Finger im Bundesstaat New Mexico in den US of A. Ihre Spezialität ist das Erpressen von Kleinkriminellen, denen sie schon mal sichergestelltes Kokain unterjubeln, um sie gefügig zu machen. So ergaunern sie sich Bares und Informationen zu einem millionenschweren krummen Ding, an dem sie mitverdienen wollen. Wie das genau funktionieren soll, ist nebensächlich, aber hey, es gibt schnöselige, pädophile Brits, denen der Piephahn weggeballert wird!

Fertig gelacht!

Das wirklich Traurige daran ist, dass John Michael McDonagh das alles schon viel, viel besser gemacht hat. In «The Guard» (2011) liessen ein irischer Provinzpolizist (Brendan Gleeson) und ein amerikanischer FBI-Agent (Don Cheadle) als ungleiches Ermittlerpaar einen internationalen Schmuggelring auffliegen. Torfig, urchig und überraschend frisch war das. Und in «Calvary» (2014), wiederum mit Gleeson in der Hauptrolle, ging ein irischer Pater den Weg alles Irdischen, weil sich ein ehemaliges Missbrauchsopfer an der katholischen Kirche rächen wollte.

Aus «Calvary» stammt auch der Satz, es gebe einen Zynismus, der legitim sei, weil er als Folge physischer und psychischer Folter «hart erarbeitet» wurde. Dieses Recht auf Zynismus hat sich «War on Everyone», dieser billige Rundumschlag gegen den guten Geschmack, definitiv nicht verdient. Alles an diesem Möchtegern-Tarantino-Verschnitt wirkt fabriziert und in seinem hysterischen #OhmeinGotthabensiedaswirklichgeradegesagt?-Gehabe ermüdend.

«War on Everyone» verstösst damit gegen das einzige Tabu, das im Kino wirklich gilt: niemals zu langweilen.

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