Dieses Theater erschüttert bis ins Mark

Der chilenische Schauspieler Roberto Farías überwältigte das Publikum in Theater Roxy mit seinem Monolog «Acceso». Ein Höhepunkt am diesjährigen Theaterfestival Basel.

Ein erschütterndes Schicksal: Der Schauspieler Roberto Farías als Opfer einer gnadenlosen Gesellschaft von Priestern und anderen «guten Onkels».

(Bild: Hugo Glendinning)

Der chilenische Schauspieler Roberto Farías überwältigte das Publikum in Theater Roxy mit seinem Monolog «Acceso». Ein Höhepunkt am diesjährigen Theaterfestival Basel.

Dieser Mann ist unheimlich. Ein Randständiger mit fettigen Haarstränen, die ihm ins Gericht fallen, erscheint. Wenn er den Zuschauerinnen und Zuschauern nahe kommt – was an diesem Abend des öftern geschieht – ist ein unangenehmes Gemisch von Alkoholfahne und Schweissausdünstung zu riechen. Wenn man solchen Typen auf der Strasse begegnet, wechselt man das Trottoir, im Tram würde man vielleicht an der nächsten Haltestelle aussteigen.

Im Theaterraum des Roxy in Birsfelden geht das nicht. Zu Beginn hat er noch originelle Momente, wenn er wie ein überdrehter billiger Jakob seine zerschlissenen Büchlein mit Gesundheitstipps, Ratschlägen zum Schulalltag etc. feilbietet. Wenn nur nicht der beklemmende Eindruck wäre, dass der Mann auf dem schmalen Grat zum Wahnsinn herumtorkelt. Ein Randständiger der verzweifelt nach Zugang («Acceso») zur Gesellschaft fleht, die wir im Zuschauerraum verkörpern.

Die Bibel als Bombe

Endgültig Schluss mit der Balance ist es, wenn er eine Bilder-Bibel aus seiner Umhängetasche zieht. Das zündet die entsicherte Bombe in dieser zerrissenen Gestalt. Wie aus einem Maschinengewehrt rattert die Geschichte von Sandokan, so der Name, mit dem er sich vorgestellt hat, aus ihm raus. Es ist eine schauderbare Geschichte, geprägt vom sexuellen Missbrauch durch Priester und andere «guten Onkels» der besseren Gesellschaft. Zerstört durch Drogen. Aber immerhin gab es Pizza von morgend bis abends.

Der chilenische Schauspieler Roberto Farías, der den szenischen Monolog «Acceso» zusammen mit Regisseur Pablo Larraín geschrieben hat, verkörpert diese Figur mit Leib und Seele. Er hat sie so sehr verinnerlicht, dass es einem auf den Zuschauersitzen Angst und Bang wird. Man möchte das Elend in dieser realistischen Erzählweise und intensiven Darstellung eigentlich nicht sehen. Man möchte den erschütternden Text nicht hören (bzw. von den Übertiteln ablesen). Und doch kommt man nicht darum herum. Eine quälende Stunde lang.

Unerhört intensiv und brutal

«Acceso» ist ein Bühnen-Folgeprojekt von Pablo Larraíns Film «El Club», der 2015 an der Berlinale mit dem Grossen Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Der Film beschrieb das Leben von vier Padres, die des Missbrauchs von Minderjährigen beschuldig wurden und deshalb in ein abgelegenes Anwesen verbannt wurden.

«Acceso» erzählt nun auf der Bühne diese Geschichte aus der Sicht eines Missbrauchsopfers neu. Und dies so überwältigend direkt, intensiv und brutal, das einem der Abend lange Zeit nicht aus dem Kopf geht. Wie er von den grässlichen Taten der «Onkels» erzählt. Und wie sich er am Schluss, von der Polizei «gerettet», doch an die früheren Zeiten zurücksehnt, wo er zumindest so etwas wie Liebe habe erfahren können.

Am Schluss wendet sich Sandokan direkt ans Publikum: «Wieviel habt Ihr dafür bezahlt, um euch am Elend anderer Menschen aufgeilen zu können.

Eines der grossen Höhepunkte des Theaterfestival Basel, das noch bis am 11. September dauert. Das Stück ist leider bereits abgespielt. Das Stadtkino Basel zeigt aber den Film «El Club» diesen Montag und Donnerstag.

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