Der neue Basler Theaterdirektor Andreas Beck und sein mit vielen herausragenden Köpfen besetztes Team starten in die neue Ära. Mit einem Programm, das auf starke Inhalte und grosse Stoffe setzt. Damit setzt sich das Theater Basel klar ab vom verbreiteten Trend zur effekthascherischen Beliebigkeit.
Die Neugierde auf die Neuen und das Neue ist gross: So war das Foyer der Grossen Bühne bei der Medienorientierung über den Spielplan 2015/16 bis über den letzten Platz hinaus voll. Zu den Medienleuten hatten sich viele Kolleginnen und Kollegen aus anderen Basler Theaterhäusern gesellt.
Sie erlebten ein neues Leitungsteam, das viel Selbstbewusstsein ausstrahlt und Aufbruchstimmung vermittelt.
Für ihren ersten Spielplan haben der neue Basler Theaterdirektor Andreas Beck und seine Crew erst einmal ganz schön tief in die Klassikerkiste gegriffen: Sophokles (gleich zweimal), Euripides, Molière, August Strindberg, Dürrenmatt, Henrik Ibsen, Christopher Marlowe, Mozart, Verdi …
Alte Geschichten radikal neu gedacht
Alles grosse Klassiker, darunter gleich eine ganze Antikenreihe. Dies zumindest auf den ersten Blick. Denn dass unter dem Stück «Edward II.» des Shakespeare-Zeitgenossen Marlowe «Uraufführung» steht, ist bezeichnend für die erste Spielzeit des neuen Theaterdirektors Andreas Beck (der Dramaturg und Autor Ewald Palmetshofer wird das Königsdrama neu schreiben). Ebenso, dass Molières «Menschenfeind» nicht in den originalen Alexandrinern, sondern in einer sprachlich frischen Neudichtung durch Peter Licht zur Aufführung kommen und Euripides‘ Rächertragödie «Die Bacchen» in einer Bearbeitung von Roland Schimmelpfennig, dem wohl erfolgreichsten Gegenwartsdramatiker des deutschsprachigen Raums, zu sehen sein wird.
Dabei geht es dem neuen Theater Basel – so zumindest der Eindruck, bevor man etwas konkret gesehen hat – nicht darum, Klassiker zu zertrümmern. Im Vordergrund steht vielmehr das Bestreben, «alte und bekannte Geschichten oder Mythen, Ereignisse oder Taten wieder neu zu denken, neu zu dichten, neu zu dramatisieren, damit uns die alten wie die neuen Geschichten weiterhin erreichen», wie Beck im Vorwort zur Saisonvorschau schreibt.
Beck hat hierfür Leute beauftragt oder sich an sein Haus geholt, die das können: Autorinnen und Autoren sowie Regisseure, die diese Art der Aktualisierung beherrschen: Zum Beispiel den Hausregisseur Simon Stone. Er wird sich unter anderem an Ibsens Geschichte des gegroundeten Bankers «John Gabriel Borkmann» machen. Der in Basel geborene Australier Simon Stone ist mit seinen Neuinterpretationan alter (und zeitloser) Stoffe offensichtlich so erfolgreich, dass ihn die Zeitung «Die Welt» kürzlich erst als «das Talent, um das sich alle Intendanten reissen», feierte.
Rückbesinnung auf eine «Basler Dramaturgie»
Eine Neuerfindung des Theaters ist das alles nicht. Ziel scheint vielmehr zu sein, eine dramatische Sprache zu finden, die nicht künstlerischer Selbstzweck oder Theatermuseum ist, sondern etwas zu erzählen hat, das inhaltlich relevant ist. Beck nimmt in seinem Vorwort Bezug auf eine «Basler Dramaturgie», welche die Ära Düggelin mit dem herausragenden Chefdramaturgen Hermann Beil einst geprägt hatte: «Wir wollen wie damals den Schnittwert der Klassiker neu überprüfen und die alten Stoffe überschreiben», sagte Beck an der Spielplanpräsentation.
Mit «Play Strindberg» steht denn auch ein Stück auf dem Spielplan, das 1969 in Basel uraufgeführt wurde und diesen Weg versinnbildlicht. Friedrich Dürrenmatt, der für kurze Zeit Mitglied der Basler Direktion war, hatte Strindbergs bürgerliche Ehetragödie «Totentanz» in eine anti-strindbergsche Komödie über bürgerliche Ehetragödien umgewandelt und damit viel Erfolg gehabt.
Übernahmen aus Wien
Auf dem Spielplan stehen aber nicht nur alte Stoffe, die neu gedacht werden. Es gibt auch eine ganze Reihe an neuen Stücken, die Beck zum Teil aus seinem Wiener Schauspielhaus nach Basel mitnimmt, wie etwa Nick Paynes klug gestrickte Beziehungskomödie «Konstellationen». Oder die Dramatisierung von Jonathan Littells Skandalroman «Die Wohlgesinnten» durch Antonio Latella, die in Wien für Furore gesorgt hat.
Auch Basler Stoffe werden vorkommen. Der Schweizer Hausregisseur Thom Luz befasst sich in «LSD – mein Sorgenkind» mit einer der berühmtesten Velofahrten der Geschichte. Und Hausregisseurin Julia Hölscher dramatisiert den in Basel spielenden Roman «Schlafgänger» von Dorothee Elminger.
Stadttheater, Stadt-Theater
Dieser Spielplan wirkt radikal, so radikal, dass er vielleicht viele auf den ersten Blick etwas zu erschrecken vermag. Aber das war ja auch bereits in der legendären Düggelin-Zeit der Fall. Vieles deutet allerdings darauf hin, dass dem Theater Basel ein – wohltuender und nötiger – radikaler Schritt in eine neue und vor allem richtige Richtung bevorsteht: Weg von der verbreiteten Beliebigkeit vieler Bühnen, die an der Form mehr interessiert sind als an Inhalten, und hin zu einem Theater, welches das Schauspiel wieder als Leitsparte begreift – auch wenn Beck und seine Crew viel Wert auf das «Spartenübergreifende» des Programms legen.
Beck weiss aber auch, dass ein «Stadt-Theater», wie er schreibt, nicht nur mit radikalen Positionen aufwarten kann. Auf dem Spielplan finden sich so auch Produktionen, die den anfänglichen Schrecken etwas zu mindern vermögen. Mozarts «Zauberflöte» etwa. Ebenso Verdis «Macbeth», das vom Leiter des renommierten Festival d’Avignon, Olivier Py, in Szene gesetzt wird. Diesen beiden populären Positionen steht unter anderem Karlheinz Stockhausens Oper «Donnerstag aus ‹Licht›» gegenüber.
Mit Andrew Lloyd Webbers «Jesus Christ Superstar» wird der bewährte Basler Musical-Spezialist Tom Ryser sogar eine Rock-Oper auf die Grosse Bühne bringen. Und das mit dem Sieger der ersten Staffel von «Deutschland sucht den Superstar», Alexander Klaws, in der Titelrolle.
Auftritt der Kommissare und der Rückkehrer
Und neben vielen weiteren Projekten wird auch der von Hansjörg Schneider erschaffene Basler Kommissär Hunkeler zu Ehren kommen – und zwar in einer Krimitheaterserie, die an den Originalschauplätzen spielen und die Zuschauerinnen und Zuschauer zu Mitwirkenden erheben wird.
Apropos Kommissare: Auf der Liste der Schauspielerinnen und Schauspieler finden sich als Gäste gleich zwei ehemalige Tatort-Kommissare: Martin Wuttke (Tatort Leipzig) und Roland Koch (Tatort Konstanz). Beide reisen als aktuelle Ensemblemitglieder des Burgtheaters Wien nach Basel. Und das nicht nur so nebenbei. So hat Koch, wie er gegenüber dem «Blick» kundtat, in Basel bereits eine schöne Altbauwohnung am Rhein bezogen.
Gleich in seine alte Wohnung, die es vor Jahren verlassen hatte, wieder eingezogen ist ein Schauspielerpaar, das nach seinem Abstecher nach Wien nun nach Basel zurückkehren wird, was viele hiesige Theatergängerinnen und -gänger erfreuen dürfte: Es handelt sich um Katja Jung und Thomas Reisinger, die Andreas Beck einst ans Wiener Schauspielhaus gefolgt waren und nun mit ihrem Chef wieder in Basel Fuss fassen werden.
Viele neue und einige altbekannte Ensemblemitglieder
Vieles, sehr vieles wird also neu am Theater Basel. Aber nicht alles. Wie ein Fels in der Brandung halten zum Beispiel Ballettchef Richard Wherlock und seine Compagnie die Stellung. In der Spielzeit 2015/16 werden sie ihr 15-Jahr-Jubiläum in Basel feiern können.
Noch einige Jahre länger hier am Theater tätig ist der Leiter der Theaterpädagogik, Martin Frank, der zusammen mit seinem bewährten Team die Abteilung weiterführen wird, die sich neu «Junges Haus» nennen wird. Auch im Schauspielensemble, das auf 26 Köpfe aufgestockt wird, wird man nicht ganz auf bekannte Namen verzichten müssen: So hat Beck die Verträge von Andrea Bettini, Carina Braunschmidt, Inga Eickemeier, Martin Hug, Vincent Leittersdorf und Cathrin Störmer verlängert. Im festen Opernensemble bleiben sogar fünf der insgesamt acht Mitglieder von heute in Basel.
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