«Do they know it’s Christmas?» – gut gemeint und gescheitert

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Und die Weihnachtssongs sind wieder da, darunter der Klassiker «Do they know it’s Christmas?» von Band Aid aus dem Jahr 1984 – ein Lied, das auch Kritik aushalten musste.

Da stehen sie und singen, in der ersten Reihe: Simon Le Bon, Bob Geldof, Paul Weller und Phil Collins hinter Bono, Sting, Keren Woodward und Sara Dallin von Bananarama sowie Jody Watley.

(Bild: INTERTOPICS)

Advent, Advent, ein Lichtlein brennt. Und die Weihnachtssongs sind wieder da, darunter der Klassiker «Do they know it’s Christmas?» von Band Aid aus dem Jahr 1984 – ein Lied, das auch Kritik aushalten musste.

Es gibt diese unverwüstlichen Weihnachtssongs. Die, kaum ist der erste Advent da, auf allen Radiostationen rauf und runter gespielt werden. «Last Christmas» von Wham! ist einer davon – «Do they know it’s Christmas?» von Band Aid der andere, am liebsten gehört in der Ur-Version aus den Achtzigerjahren mit dem wunderbaren Synthesizer-Xylophon. Der einzigen von inzwischen zahlreichen Versionen, die ich noch ertrage – wenn schon Kitsch, dann richtig. 

Am 24. November 1984 versammelte sich dafür die damalige Crème de la Crème der britischen Popmusik in einem Aufnahmestudio. Heute fällt zunächst mal auf, wie männlich diese Crème de la Crème offenbar war (wenn man von den Frisuren absieht): Ausser den drei Girls von Bananarama oder Jody Watley, die immerhin im Chor mitsingen durften, sucht man Frauen vergeblich.

Woran immer das lag, auch die Idee stammte von einem Mann: Bob Geldof begann, nachdem er zehn Tage zuvor auf BBC eine Reportage über die Hungersnot in Äthiopien gesehen hatte, den Song zu schreiben und holte Midge Ure von Ultravox an Bord. Es folgten Sting, Gary Kemp (Spandau Ballet) und Simon Le Bon (Duran Duran). Phil Collins sass hinter die Drums, George Michael, Boy George, Bono und Paul Young durften solo ans Mikro.

Es galt, möglichst viel Geld einzunehmen, das man in Hilfsgüter umwandeln wollte. «Feed the World» lautete das Motto. Weltweit wurde ein Gewinn von 24 Millionen US-Dollar erzielt. Doch nur ein kleiner Teil dessen erreichte die Menschen, die es zu erreichen galt: Die Entourage des äthiopischen Diktators Mengistu Haile Mariam, der die Hungersnot mitverursacht hatte, fing einen Grossteil der Gelder ab.

Nicht nur deswegen wurde auch Kritik gegen das Projekt laut. Bevormundend und herablassend wurde es genannt, dem Kolonialismus nicht unähnlich. Kritisiert wurde auch der Text: Da Afrika über zahlreiche wichtige Flüsse und auch Berge verfüge, auf denen Schnee falle, zeige das Lied mit Songzeilen wie «Where the only water flowing is the bitter sting of tears» oder «And there won’t be snow in Africa this Christmastime» ein völlig falsches Bild des Kontinenten. Bei 40 Prozent Christen in der Bevölkerung Äthiopiens käme zudem die Frage, ob diese überhaupt wissen, was Weihnachten ist, einer Beleidigung gleich.

Gott sei dank!

Nun, vielleicht dachte Texter Geldof dabei auch eher an den Geist von Weihnachten, der fehlte, an die Grosszügigkeit und das, was die Festtage mit sich bringen: Essen, Wärme und Geschenke. Halten wir ihm das in weihnächtlicher Stimmung zugute.

Allerdings lagen Missverständnisse auf der Hand, auch bei der von U2-Bono inbrünstig vorgetragenen Songzeile «Well tonight thank God it’s them instead of you!» Wir können nur hoffen, dass diese ironisch gemeint war. Trotz der Kritik sang Bono exakt das Gleiche noch mal 20 Jahre später – erst für Band Aid 30 änderte er im Jahr 2014 die Songzeile in «Well tonight we’re reaching out and touching you».

Wie auch immer, wenigstens etwas erreichte der Song: Er brachte Aufmerksamkeit. In einer Zeit, als soziale Medien noch nicht existierten, vermochte er den Blick auf die Hungerkrise von Äthiopien zu lenken, auf die «world outside your window». Teenager, die sich sonst keinen Deut darum scherten, was auf der südlichen Erdhalbkugel abging, waren plötzlich zu Hunderttausenden ergriffen.

Und doch bleibt am Ende davon nicht viel übrig. Am Schluss war das, was «Do they know it’s Christmas?» erreichte, nicht viel mehr als ein Pflästerchen auf eine zu grosse Wunde – immerhin war der Bandname dementsprechend treffend gewählt. *

* «Band Aid» bedeutet neben «Hilfe einer Band» auch schlicht Pflaster.

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