Dominik Muheim ist der neue Schweizer Meister im Poetry Slam. Ist so ein Mensch besonders witzig? Ein Besuch.
Im Schreibatelier von Dominik Muheim liegt ein Buch von Franz Hohler, «Der Rand von Ostermundigen» heisst es. Auf dem hinteren Buchumschlag ist eine Kritik abgedruckt, eine positive, natürlich: «Die meisten Geschichten beginnen im Einfachen, Wirklichen, oder zumindest Möglichen. Mit aberwitziger Folgerichtigkeit, hirnwütiger Hartnäckigkeit werden sie zunehmend bis zum Unfassbaren hochgetrieben. Sie gehorchen dabei einer surrealen Motorik, wie sie im allgemeinen der Groteske eignet.»
Das ist «Tages-Anzeiger»-Gesumms für: Hohler ist subtil crazy, und es fägt. Subtil crazy, weil er Dinge aus dem Alltag nimmt und sie so erzählt, dass nichts Triviales mehr an ihnen hängt. Sie bekommen etwas Magisches, etwas Einzigartiges, Wumms, Glanz, Chuzpe. Und fägen tut es, weil der Mensch es mag, ertappt zu werden. Weil er sich nämlich eigentlich mehr wünscht als ein Leben aus «Haben Sie eine Cumulus-Karte?» und Geraniumkästen und Selbstfindungstrips auf Bali. Aber wenn genau diese Dinge zu etwas Besonderem gemacht werden, dann ist auch der Mensch etwas Besonderes. Und kann sich wieder getrost seinen Geranien widmen.
Dazu braucht es aber jemanden, der die ganzen Cumulus-Karten und Selbstfindungstrips so drehen kann, dass sie vom stupiden Allerweltsverhalten zur sympathischen Verschrobenheit werden. Jemand, der unsere langweiligen Neurosen glorifiziert und auf eine Bühne holt. Jemand wie Franz Hohler. Und jemand wie Dominik Muheim.
Kein beknacktes Schenkelklopfertum
Dominik Muheim ist vor Kurzem Schweizer Meister im Poetry Slam geworden. Poetry Slam kennt man, diese Jungen, die auf Bühnen Dinge aus ihrem Privatleben rausbrüllen, immer mit Dringlichkeit, immer mit einer Affinität zur etwas zu grossen Geste. Im schlimmsten Fall. Im besten Fall sind sie wie Hohler: aberwitzig, einzigartig, ruhig, präzis. Und dabei eben lustig. Nicht diese In-die-Fresse-Lustigkeit, dieses beknackte Schenkelklopfertum, sondern richtig lustig.
Apropos Selbstfindungstrip auf Bali:
Bei der Poetry-Slam-Schweizer-Meisterschaft weiss die Jury, was lustig ist. Gabriel Vetter hat sie schon gewonnen, und Lara Stoll und zuletzt Remo Zumstein, der alles andere als eine bühnengeile Rampensau ist, aber eben: Es fägt einfach mit ihm.
Und es fägt auch mit Dominik Muheim. Jetzt gerade sitzt er in dem Schreibatelier mit Rheinblick und Franz-Hohler-Buch und klimpert auf der Gitarre rum. Kann er nämlich auch, Gitarre spielen. Ziemlich gut sogar, Muheim hat bereits in diversen Bands gespielt. Aber darum soll es jetzt nicht gehen, auch wenn der Fotograf geradezu versessen auf diese Gitarre ist. Es soll um Muheim gehen. Ein Blick ins Bücherregal, während der Fotograf weiter Gitarren-Posen befiehlt.
Das Baselbieter Wörterbuch steht da – hat Muheim ein Lieblingswort? Er neigt den Kopf. (Der Fotograf rebelliert: «Die Gitarre, konzentrier dich auf die Gitarre.») «Batted» findet er ganz witzig, das habe seine Grossmutter immer gesagt. Baselbieter Deutsch für «funktioniert».
Ja diese Gitarre. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Oder Halt – das Wörterbuch sagt was Anderes: «nützt, reicht aus». Er lacht und zuckt die Schultern («Die Gitarre!»). Die Grossmutter sage es so, dann wird es schon stimmen.
Material aus dem Schulzimmer
Das ist nicht aufsehenerregend, aber bezeichnend: Was Muheim kann, wovon er Gebrauch macht, steckt nicht im Wörterbuch, sondern in Schweizer Grossmüttern, Stuben, Kneipen – und Schulzimmern: Muheim ist in Reigoldswil aufgewachsen und unterrichtet heute als Primarlehrer (klingelt da was?) an einer kleinen Schule im Baselbiet.
Er nutzt die Gunst seines Berufes: Seine Schüler würden sich hervorragend für Geschichten eignen, besonders der eine, ein kleiner Junge, der kürzlich im Spiderman-Kostüm in die Schule kam. Muheim erzählt die Geschichte, er lacht, man lacht auch, sehr sogar. Weil sie wirklich lustig ist, diese Geschichte, aber auch, weil man sie zu kennen glaubt. Diese kleine Geschichte fühlt sich gross an, wie Teil eines grossen Ganzen, Bekannten, Heimat. Das ist es, was die Schenkelklopfer von den Geschichtenerzählern unterscheidet: Die Erzähler klopfen nicht nur, sie kommen herein.
Und im Laufe des Gespräches wird auch klar, was eigentlich eh schon klar war: Muheim kann reinkommen. Er hört zu, es geht nicht nur um ihn, sondern um uns, um den Fotografen, um Unfälle, um Lehrer, um Bücher, um generische Emmi-Produkte. Hat alles Platz. Muheim sagt, er wolle keine Comedy machen, da brauche es Höhepunkte, das müsse witzig sein, immer witzig, und er wolle gar nicht immer witzig sein müssen. Er wolle auch mal was erzählen dürfen, das nicht per se einfach nur lustig ist. Darin liegt er auch, der Unterschied.
Irgendwo auf Youtube gibt es ein Video, in dem Dominik Muheim sagt: «Plötzlich bisch doch ke Rockstar worde. Plötzlich bisch doch kei Schauspieler worde, plötzlich bisch doch kei Astronaut worde. Aber plötzlich – bisch am Lehrer Wärde.» Alle lachen. Er schmunzelt. Story of his life. Und trotzdem: Irgendwie ist er alles andere eben doch auch. Nur etwas anders. Bescheidener, zugänglicher. Das ist gut so. Sehr gut sogar. In Reigoldswil würde man stolz sagen: Es «batted».
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Dominik Muheim tritt am 1. Mai im Teufelhof und am 18. und 19. Mai im Palazzo Liestal auf.