Die Texte waren böse und bissig, und am Schluss gewannen die Studenten: Der Eröffnungsabend der Reihe «Slam Basel» im Kleinbasler Sud legte die Latte hoch. Die Reihe wird alle zwei Monate fortgesetzt.
Am Schluss war es ein Studentenwettbewerb. David Friedrich aus Hamburg zersetzte sein Studienfach Islamwissenschaften mit all den Klischees und Vorurteilen, die in seinen bisherigen Semestern an ihn herangetragen wurden: Von der Oma, die sich freut, dass er dennoch mit ihr Weihnachten feiere, obwohl er doch nun in dieser Moschee diese Religionsausbildung mache. Und davon, dass es am Studien-Ende doch nur einen Bachelor of Arts gebe und keine Jungfrauen. Sein Gegenüber Remo Zumstein aus Burgdorf rekapitulierte in breitem Berndeutsch ein Date, das schlussendlich ins Bett führt, mittels den grammatikalischen und interpunktionellen Begriffen, die ihm als Germanistikstudent zur Verfügung stehen: den immer schnelleren Imperativen, unterbrochen nur durch Kommas, den sich vergrössernden Satzgliedern, und am Schluss, nun ja, kommt ein Punkt.
Die Terminologie der Sprachwissenschaft
Beides also Texte von Studierenden für Studierende, wie eine von Moderator Laurin Buser vor Beginn des Slams durchgeführte Publikumsbefragung ergab. Die Unterschiede gab es hingegen im Stil: Während Friedrich auf den griffen One-Liner setzte, auf das schnelle Wortspiel und die hintergründige Anekdote, baute Zumstein seine Geschichte langsam und in raunendem Ton auf. Das Schema war schnell erkannt und ebenso der Schluss erahnbar, aber wie Zumstein die abstrakte Terminologie der Sprachwissenschaft bildlich verfremdete, war köstlich zu verfolgen. Das Publikum liess sich nicht im Finalapplaus nicht auf einen der beiden festlegen. Doppelsieg also.
Die Dritte im Finale, Hazel Brugger aus Zürich, war da schon ausgeschieden. Ihr Text hiess «Tiere quälen» und beschrieb das missglückte Füttern böser alter Schwäne, der zur Forderung führt, dass man besser die unglücklichen Tiere verspeisen sollte, die Legebatteriesklaven statt der glücklichen Hühner mit Auslauf, Biokörner und Sonnenlicht. Ein köstlich bösartiger Text, der wohl zu drastische No-Gos für Vegetarier und zu viele Seitenhiebe auf Rudolf-Steiner-Schüler beinhaltete, um den Griff nach der Siegesprämie, der obligaten Whiskyflasche, setzen zu können.
Mein Mampf
Höchstens eine Spur dezenter, dafür umso pointierter war indes Bruggers Vorrundentext, in dem sie gegenüber den anderen sieben Teilnehmerinnen und Teilnehmern herausstach: eine ebenfalls grandios missgelaunte Tirade über den Widerstand gegen korrekte wie veraltete Geschlechterbilder und die Frage, was wäre, wenn Männer ihre weiblichen Seiten mehr ausleben würden – Hitler zum Beispiel würde Eva Braun in der Volksküche assistieren und Kochbücher schreiben: «Am Tisch antisemitisch» zum Beispiel, oder «Mein Mampf».
Nimm mich!
Wie gelungen die Auswahl an der Eröffnung dieser neuen Basler Slamreihe war, zeigte sich an einzelnen Vorrundentexten, die den Final gleichwohl verpassten. Sulaiman Masomi aus Paderborn und mit afghanischen Wurzeln ironisierte seine Assimilationsversuche in der Vorstellung, ein richtiger Deutscher zu sein: nie mehr den Zug verpassen, gute Autos zu bauen, die Freundin an einen Südländer verlieren. Und die Ostschweizerin Lara Stoll, eine erfahrene Slammerin, übte sich in Verarbeitung ihrer früheren dendrophilen Traumata, in der sie eine stattliche Buche sitzen liess (zu grosser Altersunterschied), um sich in eine junge Tanne zu vergucken, die wiederum selbst plötzlich auf und davon war. Stoll habe sie dann später in der Wohnung einer Freundin, «aufgetakelt mit Silberschmuck», zufällig wieder angetroffen, bekrönt mit einem «phallischen Spitz», der nur zu schrien schien: «Nimm mich, nimm mich!» Grossartig.
Hazel Brugger gefilmt von Fonzi Zitterarm