Ralph Bürgin, Viktor Korol und Tom Senn haben sich zusammengetan, die Villa Renata mit einer Ausstellung über Malerei einzurichten. Herausgekommen ist viel mehr.
Für Kunstschaffende ist die Villa Renata Traum und Herausforderung zugleich. Drei Stockwerke bespielen zu können, ohne dass jemand reinredet, ist der Traum. Mit dem Vorhandenen umzugehen, kann sich hingegen als schwierig erweisen.
Die drei Stockwerke der Villa Renata sind: Ein Keller, ein Erdgeschoss, ein Obergeschoss. Jedes dieser Stockwerke hat einen eigenen Charakter. Im Keller sind es ein Raum mit gewölbter Decke und ein Zimmer mit grün bemalten Wänden, das vielleicht mal ein Billardzimmer war. Im Parterre sind es typische Altbauräume – weisse Wände, Parkettböden. Und im ersten Stock wird klar, dass hier drin früher Büros waren; die Wände sind hellgelb gestrichen, die Türen altrosa, und in fast jedem Zimmer hat man hässliche Schränke in die Wände eingelassen und deren Türen mit Tapete überklebt.
Ralph Bürgin, Viktor Korol und Tom Senn haben die Herausforderung angenommen. Alle drei sind Maler, jeder auf seine Weise. Bürgin ist bekannt als der wohl klassischste unter den Dreien, er schafft mit Farbe und Pinsel abstrakte Formen auf Leinwand. Korol nutzt Leinwand, Farbe, Spachtel, Leim oder auch mal Kaugummi gleichermassen, um seine Bilder zu fertigen. Senns Werke sind allesamt installative, dreidimensionale Bilder im Raum.
Dreidimensionale Malerei
«Es sollte eine Ausstellung über Malerei werden», sagt Bürgin über das Projekt. Und fand im Zuge der Realisierung ausgerechnet heraus, dass ihm dazu die Zweidimensionalität nicht mehr reicht: Nicht wenige Objekte schuf er deshalb im Hinblick auf diese Ausstellung. Klassisch skulptural kann man die Werke jedoch nicht nennen – sie sind hauptsächlich aus Materialien konstruiert, die Bürgin in seinem Atelier fand, zusammenfügte, übermalte und umfunktionierte. Aus der Malerei sind sie entstanden, und die Malerei ist ihnen noch eingeschrieben.
Bürgins neuere Gemälde tragen figurative Momente in sich. Aus dieser Figuration heraus erwachte der Wunsch nach räumlichem Schaffen. Doch auch Gemälde entstanden extra für diese Schau, vor Ort in der Villa Renata. So ist es wenig überraschend, dass der Raum, die Umgebung in diese Bilder miteinfloss. Eines der Werke hatte architektonische Elemente, die erst durch das grossflächige Auftragen von Schwarz sich wieder auflösten. Sie verschwanden quasi in der Dunkelheit und verweisen damit auch auf den Ausstellungstitel «Melancholie Studio», den das Malertrio gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Lea Hess noch vor dem fertigen Ausstellungskonzept ersann.
Der Melancholie haftet etwas Düsteres an, man verbindet sie mit Traurigkeit, mit Dunkelheit, mit Nebel, mit einer mit Schwermut beladenen Stimmung. Melancholie ist aber auch Nachdenklichkeit, der Versuch des Entwirrens von Rätseln, von Geheimnissen. All dies wollten Bürgin, Korol, Senn und Hess in diese Ausstellung mit hineinnehmen. Den Besucher auf eine Reise schicken.
Von unten nach oben
Am besten beginnt man diese Reise im Keller, wo im Gewölberaum ein Gemälde von Bürgin von der Decke hängt, beleuchtet nur vom schwachen Licht einer Glühbirne. Eine fast andächtige Stimmung kommt hier auf, die im nächsten Raum durch eine installative Arbeit von Tom Senn wieder gebrochen wird. Auf einem Hellraumprojektor liegen tote Fliegen, deren Schatten und Umrisse an die Wand projiziert werden. Wie die Fliegen sind sie zum Licht geflogen, um zu sterben. Und sind als Bild an der Wand geendet.
In den beiden Stockwerken darüber sind die Arbeiten der Künstler meist gemischt, so dass sich auch Dialoge zwischen einzelnen Werken auftun können. Diese geschehen manchmal auch durch Türöffnungen hindurch von einem Raum in den nächsten, oder gar zwischen Werk und Gebäude selbst. So scheint beispielsweise ein leerer Bilderrahmen von Tom Senn unbewusst wie ein kleineres Modell des Türrahmens, durch den man ihn an der Wand hängen sieht. Ein Gemälde von Viktor Korol wiederum nimmt den Gelbton der Wand auf – oder aufs Korn?
Ausweg ins Ungewisse
Immer wieder kommt beim Durchschlendern des Hauses der Gedanke, dass diese Kunstwerke wie für diese Räume geschaffen sind. Einerseits haben die kuratierenden Künstler sich beim Aufbau gut auf die Räume eingelassen. Andererseits scheinen die Materialien der Werke den unrenovierten Altbau zu spiegeln. Dies gilt im Besonderen für die Arbeiten von Korol und Senn.
Viktor Korols Bilder scheinen niemals fertig zu werden. Unablässig klebt oder spachtelt er, nimmt Aufgetragenes wieder weg, malt darüber, schneidet ein. Bauplanen, Leinwandfetzen, Holzstücke, alles findet Verwendung. Und alles wirkt am Schluss so greifbar wie vergänglich.
Auch Tom Senn nutzt Gefundenes, das er in neue Kontexte bringt. Ein Stuhl wird – ein Bein in einen Wachsklotz eingesunken – zum stillen, unbeweglichen Betrachter. Ein morscher Balken zu einer blassblauen Skulptur. Und eine kleine Tür wird zu einem Bild, hoch oben an der Wand angebracht, funktionslos. Sie hängt da, im letzten Raum unseres Rundgangs, an der allerletzten Wand. Als wolle sie uns einen Ausweg zeigen, ins Ungewisse.
Was sich dahinter wohl verbirgt?
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«Melancholie Studio» – Ralph Bürgin, Viktor Korol, Tom Senn, Villa Renata, Socinstr. 16, Basel. 8. Februar bis 1. März 2014. Vernissage Samstag, 8. Februar, 18 Uhr.
Filmabend: 21. Februar, 18 Uhr. Mit Beiträgen von Jannik Giger, Saskia Edens und Werner von Mutzenbecher.